Mach Dir ein Bild über mein bisheriges Schaffen.

 

Auf den Unterseiten findest Du dafür eine Auswahl an Texten und Gedichten, die Dich zum Schmökern einladen sollen.

 

Los geht es gleich auf dieser Seite mit der überarbeiteten Version meines ersten Romans: "Psychonym".

 

Viel Spaß damit!

Psychonym - Überarbeitung

Der erste Teil der Psycho- Romantrilogie entsteht in einer neuen Version und jedes fertig bearbeitete Kapitel kann hier gelesen werden:

1

 

Ganz langsam kam sie zu sich. Ihr Kopf dröhnte fürchterlich und mühsam versuchte sie dann ihre Augen zu öffnen, doch es gelang ihr nicht. Was war nur passiert? Sie wollte sich zu gern an die vorangegangenen Ereignisse erinnern, aber alles blieb verschwommen.

Verzerrte Bilder einer Party blitzten nach und nach vor ihrem inneren Auge auf. Es waren allerdings nur abgerissene, neblige Ausschnitte, keine vollständigen Szenen. Sie musste wohl nicht nur einen zu viel getrunken haben. ‚Ich rühre nie wieder Alkohol an!’, hämmerte es durch ihre Gedanken. Noch nie hatte sie solch einen Kater gehabt.

Reflexartig wollte sich jetzt an die Stirn fassen, doch es gelang ihr nicht einmal den Arm zu heben. Also versuchte sie erneut ihre Augen zu öffnen und den Kopf ein wenig zu drehen, aber alles war schwer wie Blei und ließ sich nicht bewegen.

Nur schleppend realisierte sie, dass das nicht an ihr selbst lag. Ein unangenehmer Druck, den sie jetzt erst wahr nahm, lastete auf ihren Lidern und verriet, dass ihre Augen verbunden waren. Und als diese Wahrnehmung ihren Geist völlig durchdrungen hatte, schoss ihr schlagartig ein anderer Gedanke durch den Kopf. Was, wenn sie jemanden mit heim genommen hatte?

Erneut versuchte sie sich ins Gesicht zu fassen um die Augenbinde zu entfernen, aber es gelang ihr einfach nicht. Stattdessen musste sie spüren wie sich eine Fessel unsanft in die Haut ihres Handgelenkes schnitt. In einem leichten Anflug von Panik zerrte sie ruckartig mit beiden Armen an den Riemen, die jedoch nicht nachgaben und sich nur fester um sie zogen.

Was war geschehen? Wer hatte sie in diese missliche Lage gebracht und warum konnte sie sich an nichts erinnern?

Sie versuchte sich zu beruhigen und langsamer zu atmen. Angestrengt horchte sie dann in die Dunkelheit. Doch neben dem Rauschen in ihren Ohren, das man bekam wenn man zu lange laute Musik hörte, konnte sie nichts vernehmen. Es war fast schon gespenstisch still.

Ihre Gedanken rasten. War sie überhaupt zu Hause? Hatte sie jemanden kennengelernt? Sie konnte sich nicht daran erinnern so viel getrunken zu haben. So hatte sie sich ihre Studienabschlussfeier nicht vorgestellt. Vielleicht hatte ihr jemand etwas ins Glas getan und jetzt… Sie wagte es nicht diesen Gedanken fortzuführen und versuchte stattdessen erneut sich zu bewegen. Doch durch die Taubheit ihrer Glieder hindurch spürte sie nur wieder die Fesseln. Also musste sie ausharren.

Als dann ganz allmählich die Gefühle zurück in ihren Körper krochen, strich auf einmal ein eisiger Hauch über ihre Haut. Und plötzlich wurde ihr klar, dass sie nicht nur blind und gefesselt sondern auch völlig nackt in diesem schrecklich stillen Raum lag.

Gänsehaut lief sofort über ihren gesamten Körper und ließ sie frösteln. Und nach dem ersten Schock überkam sie erneut die Panik. Sofort pumpte eine gehörige Portion Adrenalin durch ihre Adern und wie eine Besessene riss und zerrte sie an den Fesseln. Sie versuchte ihre Handgelenke aus den Schlingen zu zwängen, wild mit den Füßen zu strampeln und rutschte verzweifelt auf der Unterlage hin und her. Doch alle Anstrengungen waren vergebens.

Völlig außer Atem gab sie Minuten später auf und versuchte sich wieder zu beruhigen. Bisher war niemand auf sie aufmerksam geworden. Vielleicht war sie hier ja allein? Sollte sie schreien? Würde sie jemand hören? Sie war nicht geknebelt also ballte sie all ihren Mut zusammen und brüllte ein lauthalses „Hilfe!“ in den stummen Raum. Nichts.

Ihre Panik wich einer tiefer sitzenden Angst, dass ihr noch schlimme Dinge bevor standen. Jemand hatte sich das hier ausgedacht. Und das konnte nur ein Perverser sein, der sie leiden sehen wollte. Wer sonst würde sich so etwas einfallen lassen? Eine Frau, nackt und hilflos, gefesselt mit verbundenen Augen, in einer Pose, die das Herz eines jeden Vergewaltigers höher schlagen ließ.

Wer tat so etwas? Wie war sie an solch eine Person geraten? Warum sie? Welches Schwein steckte dahinter?

Die Gedanken kreiselten in ihrem Kopf und ihr wurde schlecht. Sollte das eine Art Folter sein, die sie nur glauben ließ, es stünde ihr Schlimmeres bevor? Noch einmal schrie sie lautstark um Hilfe und ein wütender Unterton schwang in ihrer Stimme mit. Kampflos würde sie nicht aufgeben.

Plötzlich klickte ein Türschloss und schlagartig begann sie zu zittern. Sie hatte weder Kontrolle über ihren Körper noch über die Situation und ihre Nerven waren bis zum zerreißen gespannt.

„Hallo, wer ist da? Bitte helfen Sie mir! Holen Sie mich hier runter! Bitte!“, kam es auf einmal über ihre bebenden Lippen. Ihre Instinkte übernahmen die Führung, denn ihre Vernunft sagte ihr, dass es keinen Sinn machte um Hilfe zu betteln.

Sie konnte die gierigen Blicke förmlich auf ihrem nackten Leib spüren und hörte die leisen Schritte einer Person, die langsam um sie herum schlich.

War es nur ein stummer Beobachter? „Bitte!“, flehte sie wieder. „Lassen sie mich frei. Was auch immer sie vorhaben, tun sie es nicht!“ Keine Antwort. Und sie ahnte schon längst, dass dieser Fremde sicher keine Rettung bedeutete.

Der ältere Herr, der soeben den Raum betreten hatte, weidete sich inzwischen am Anblick dieser jungen, hilflosen Frau, welche so provozierend vor ihm lag. Der gynäkologische Stuhl war eine sehr gute Idee gewesen. Da konnte er dem Veranstalter des heutigen Abends nur ein weiteres Kompliment machen. Die Party war bisher schon legendär gelaufen und das hier sollte nun dem ganzen die Krone aufsetzen.

Bedächtig ging er um sie herum und blieb dann am Kopfende stehen. Sie war hübsch und er sah ein paar Sekunden lang zu wie sich ihre kleinen, festen Brüste beim Atmen hoben und senkten. Unterdessen versuchte sie sich zur Ruhe zu zwingen bis er sie plötzlich berührte. „Fass mich nicht an!“, spuckte sie aus und sofort umspielte ein überlegenes Lächeln seinen Mund. Ihr schockiertes Seufzen als er trotz ihres Protestes seine Hände über ihren Busen gleiten ließ, konnte ihn auf keinen Fall an seinem Vorhaben hindern.

Angeekelt wand sie sich in ihren Fesseln während er inzwischen genüsslich ihre Brüste knetete und ihr hilfloses Zappeln dabei beobachtete. Sie begann ihn zu beschimpfen und zu verfluchen, doch auch das berührte ihn nicht im Geringsten und machte ihm stattdessen nur noch Lust auf mehr. Als sie aber plötzlich nach ihm schnappte und versuchte ihm in den Arm zu beißen, hörte der Spaß auf.

Ihre Gegenwehr war zwar reine Illusion, aber das konnte er ihr beim besten Willen nicht durchgehen lassen. Also ließ er kurz von ihr ab, trat einen Schritt zurück und löste das Band, das seinen Bademantel zusammenhielt.

„Was ist? Bist du schon fertig?“, blaffte sie laut und bereute ihre Provokation sogleich. Denn im Handumdrehen hatte er ihr eine Schlinge um den Hals gelegt und band sie am Kopfteil des Stuhles fest. Erneut wollte sie schreien, doch der Laut blieb einfach in ihrer Kehle stecken und sie brachte nur ein ersticktes Krächzen hervor. Jetzt beugte er sich zu ihr und flüsterte drohend in ihr Ohr: „Wenn du noch einmal versuchst mich zu beißen, erwürg ich dich.“

Mit einem süffisanten Grinsen im Gesicht richtete er sich anschließend einfach wieder auf. Durch diese wenigen Worte hatte er ihre Angst auf eine neue Ebene gehoben. Denn sie fürchtete jetzt nicht mehr nur um ihre Gesundheit sondern auch um ihr Leben.

Sie vernahm wie er langsam um sie herum schritt. Einer seiner Finger glitt dabei von ihrer Schulter über ihren Arm, über ihre Hüfte und ihr Bein immer weiter abwärts und er sprach leise währenddessen: „Du solltest aufhören so zu zappeln. Das ist nur zu deinem Besten. Je mehr du dich wehrst, umso schmerzhafter wird es für dich. Ich versuche dir nur zu helfen.“

Sie konnte den Hohn aus seiner Stimme deutlich heraushören, schluckte aber jeden Kommentar hinunter, da sie ihn nicht noch mehr gegen sich aufbringen wollte. Sie mochte sich jetzt schon nicht ausmalen was dieser Kerl noch mit ihr vorhatte.

Als er dann am Fußende stehen blieb und sie sich schon beinahe euphorisch betrachtete, bekam er das Gefühl ein kostbares Kunstwerk vor sich zu haben. Und er war privilegiert dazu es in allen Zügen zu genießen.

Auf einmal berührten seine kühlen Finger die Innenseite ihrer Schenkel. Erschrocken zuckte sie zusammen und konnte sich ein entsetztes Seufzen nicht verkneifen. Ihre Ablehnung und ihr offensichtliches Unbehagen in dieser überaus grotesken Situation stachelten ihn noch mehr an. Er hatte viel Geld dafür bezahlt diesem Event beizuwohnen und jetzt kam der ultimative Höhepunkt.

Zitternd ertrug sie seine Berührungen und wünschte sich sehnlichst an einen anderen Ort. Seine Hände ließen keinen Zentimeter ihrer Haut unbetastet, fuhren schließlich zwischen ihre Beine und trieben ihr Gefühl der absoluten Hilflosigkeit in ungeahnte Höhen. Sie war ihm und seinen perversen Gelüsten vollkommen ausgeliefert, ein nicht enden wollender Alptraum.

Und als er sich schließlich an ihr verging und sein vergnügtes Stöhnen erklang, liefen ihr die Tränen übers Gesicht. Doch sie verkniff sich jeglichen weiteren Laut und wollte ihm nicht die Genugtuung geben sie zerbrochen zu haben. Innerlich schrie sie jedoch und wünschte sich nichts mehr, als dass dieser Mistkerl eines schrecklichen Todes starb.

Erst eine endlos scheinende Weile später ließ er endlich von ihr ab. Er hatte seinen Spaß gehabt und diese einmalige Gelegenheit ausgiebig genutzt. Allerdings war seine Zeit jetzt herum und er musste weiterziehen, wenn es ihm auch schwer viel diese schöne, junge Frau zu verlassen.

Noch einmal ging er zum Kopfende des Stuhls, beugte sich nah vor ihr Gesicht und flüsterte: „Du hast mir sehr gut gefallen.“ Vorsichtig küsst er sie dann auf den Mund. Ihr wurde schlagartig übel und all die Abscheu, die sie für diese Person empfand, wollte sich umgehend einen Weg aus ihr heraus bahnen. Doch er sagte jetzt etwas zum Abschied, das ihr das Blut geradewegs in den Adern gefrieren und alles andere vergessen ließ: „Ich hoffe, die anderen sehen das auch so.“ „Die Anderen?“, hauchte sie über ihre zitternden Lippen. Aber ihr Peiniger verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.

Nach dem dritten Teilnehmer dieses erniedrigenden, sadistischen und absolut abstoßenden Spiels hörte sie auf zu zählen. Sie mochte nicht wissen wie oft sie diese Tortur insgesamt über sich ergehen lassen musste. Aber irgendwann war es glücklicherweise vorüber und sie blieb allein, frierend und bis auf die Knochen gedemütigt zurück. Mittlerweile hatte sie auch keine Tränen mehr, die sie noch vergießen konnte und fühlte sich taub, leer und unglaublich einsam.

Es dauerte eine ganze Weile bis schließlich wieder das Türschloss klackerte. Schnell stieg erneut Panik in ihr hoch. Aber dieser Fremde wollte sich nicht an ihr vergehen sondern sprach nur mit monotoner Stimme: „Du hast es überstanden. Wir werden dich bald wieder frei lassen. Du wirst jedoch keinem erzählen was hier passiert ist, denn dann werden wir dich finden und du wirst Dinge aushalten müssen, von denen du jetzt noch nicht einmal etwas ahnst. Hast du das verstanden?“ Sie flüsterte ein „Ja“ und ihre Gedanken überschlugen sich. Vielleicht war sie nicht die Einzige? Und vielleicht gab es hier noch andere, die noch wesentlich Schlimmeres über sich ergehen lassen mussten? Sie konnte und wollte sich das gar nicht vorstellen und klammerte sich nur an die Nachricht, dass es vorbei war, sie bald freigelassen wurde und diese schrecklichen Qualen überlebt hatte. Die Ruhe und Monotonie in der Stimme des Mannes ließ sie jedoch glauben, dass sie nicht das erste Opfer gewesen war. Er schien diese Situation genau zu kennen und genau zu wissen was er tat.

Jetzt drückte er ihr ein süßlich riechendes Tuch auf Mund und Nase und es dauerte nur wenige Sekunden bis sie das Bewusstsein verlor.

Nachdem er ihren Puls gefühlt und sich vergewissert hatte, dass sie tief und fest schlief, löste er alle Fesseln, ging kurz zur Tür hinaus und holte einen fahrbaren Tisch aus Edelstahl herein. Mit einigen Anstrengungen hievte er sie dann von dem Stuhl auf den Tisch und rollte sie hinaus in einen Fahrstuhl am Ende des Korridors.

Gemeinsam verließen sie die Etage, auch wenn sie von der Reise rein gar nichts mitbekam. Die Tür öffnete sich erst wieder im Keller des Gebäudes, wo er sie in einen komplett gefliesten Raum schob, sich Handschuhe überstreifte und sie gründlich mit viel Wasser und Seife abschrubbte. Nichts sollte etwas über ihre Peiniger verraten und nur die roten Striemen an ihren Hand- und Fußgelenken und die blauen Flecken, die sie unvermeidlicherweise abbekommen hatte, blieben als stumme Zeugen der vergangenen Stunden zurück.

Anschließend wickelte er sie in einen Bademantel und schob sie noch immer auf dem Rolltisch liegend zu einer Tür. Dort war sie jedoch nicht die Einzige, die darauf wartete abgeholt und in die Freiheit entlassen zu werden.

Der Mann klopfte anschließend dreimal gegen das Metall des Ausgangs und auf dieses Zeichen hin öffnete ein anderer. Sie schleppten die jungen Frauen, welche alle bewusstlos und nur in Bademäntel gehüllt waren, nach draußen und verteilten sie auf verschiedene Limousinen. Die Kofferräume hatte man sorgfältig mit straffer Plastikfolie ausgekleidet und legte die Opfer nun hinein.

Sobald der Kofferraum dann geschlossen war, fuhr ihr Wagen auch schon los und verschwand brummend in der Nacht. Erst irgendwo in einem langgezogenen Waldstück kam die Limousine zum stehen. Der Fahrer stieg aus, sah sich kurz um und zusammen mit seinem Beifahrer schleppten sie anschließend die junge Frau in den Wald um sie dort einfach unter einem Baum abzulegen. Es würde noch ein wenig dauern bis sie aufwachte und bis dahin waren sie schon über alle Berge.

Kurz kontrollierten sie noch ob sie eindeutige Spuren im weichen Waldboden hinterlassen hatten, befanden aber alles als ausreichend gut verwischt und fuhren schließlich eilig davon. Immerhin wollten sie nicht von einem Waldarbeiter entdeckt werden, die meist ab dem frühen Morgen in der Gegend unterwegs waren und mit ihren Treckern die letzten Reifenspuren zerstören sollten. In der nächsten Waschanlage spülten sie danach noch schnell den Dreck von den Rädern und ab diesem Moment war diese Frau für sie nur noch eine Geschichte.

2

 

Unterdessen wachte sie allmählich auf. Es dämmerte bereits, leichter Nieselregen fiel und ihr war bitterkalt. Sie konnte nicht einmal sagen ob es morgens oder abends war. Aber bald ging die Sonne wohl entweder auf oder unter.

Verwirrt und mühsam stemmte sie sich etwas hoch und schaute sich um. Ihre Haare klebten nass an ihrem Kopf und im Gesicht, kleine Äste hatten sich darin verfangen. Sie befand sich also in einem Wald, doch wo genau? Ihr war übel, sie hatte Schmerzen und als ihr die vergangenen Erlebnisse wieder durch den Sinn schossen, begann sie erneut zu zittern und eine heiße Träne rollte über ihre Wange. Daraufhin zog sie den Bademantel noch fester um und kauerte sich zusammen. Nichts hatte man ihr da gelassen. Ihre Handtasche, ihre Kleidung und ihre Uhr waren alle weg. Doch diese ersetzbaren, materiellen Dinge vermisste sie nur für einen Moment. Viel wichtiger war es jetzt aus diesem Wald heraus und zurück in die Geborgenheit ihrer gemütlichen Wohnung zu kommen.

Durch die Büsche erspähte sie dann einen kleinen Weg, richtete sich schwankend auf und stolperte quer durch das Gesträuch darauf zu. Ohne Schuhe sollte der Pfad eine Herausforderung werden, die sie jetzt aber meistern musste, wenn sie es irgendwie schaffen wollte all das Geschehene zu überwinden.

Sie hatte keine Ahnung in welche Richtung sie gehen sollte, entschied sich dann einfach für eine und begann loszulaufen. Denn irgendwohin musste der Weg sie ja führen und es war ihr egal wo sie heraus kam, solange es Rettung bedeutete.

Nach einer gefühlten Ewigkeit stand die Sonne schon hoch aber fahl hinter Wolken versteckt am Himmel. Endlich erreichte sie das Ende des Weges. Ihre schmutzigen Füße bluteten und die Kälte war ihr bereits bis unter die Haut gekrochen. Ihr tat inzwischen alles weh, ihr Magen ballte sich unter den Strapazen zusammen. Aber wenigstens hatte sie nicht in der Dunkelheit durch den Wald irren müssen.

Und jetzt stand sie am Rande einer kleinen, asphaltierten Straße und hoffte darauf, dass ein Auto vorbei kam. Doch nichts passierte und schon nach wenigen Minuten verließ sie die Geduld und sie begann entmutigt erneut loszulaufen. Völlig ahnungslos wo sie eigentlich war, entschied sie sich wieder einfach für eine Richtung, denn auch diese Straße musste schließlich irgendwo hinführen.

Die Sonne kletterte immer weiter am Himmel entlang und dann kam endlich ein Fahrzeug. Schnell humpelte sie mitten auf die Straße und winkte hektisch dem Traktor zu, der zum Forstbetrieb zu gehören schien. Der Schlepper hielt an, ein Mann sprang eilig aus dem Führerhaus heraus und lief auf sie zu. „Was ist denn mit Ihnen passiert, Miss? Sind Sie verletzt?“, fragte er teilnahmsvoll. „Bitte nehmen Sie mich mit!“, rief sie schluchzend aus. Sofort legte er fürsorglich seinen Arm um sie, geleitete sie zu dem Traktor und half ihr hinein. Dann kramte er noch eine Decke heraus, die er um sie wickelte und fuhr so schnell es ging los. „Ich bringe Sie zu meinem Auto und dann in die Stadt zum Krankenhaus. Oder wollen Sie lieber gleich zur Polizei?“, fragte er gutmütig. Sie wusste nicht was besser war. Die Kerle hatten sie davor gewarnt mit jemandem zu reden, also entschied sie sich für die Klinik. Sie brauchte jetzt dringend einen Ort zum Erholen.

Der Traktorfahrer stellte keine weiteren Fragen. Zum einen wollte er sich nicht einmischen und zum anderen die junge Frau nicht noch mehr belasten. Er ahnte, dass sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen war, doch über die grausamen Details mochte und konnte er sich kein Bild machen.

Sie hielten schließlich vor dem Krankenhaus an und er half ihr auszusteigen. Anschließend führte er sie zur Anmeldung hinein und erklärte kurz: „Ich habe diese Frau im Wald gefunden. Ich weiß nicht was mit ihr passiert ist, aber sie wollte dringend in die Klinik. Da habe ich sie her gefahren.“ Die junge Frau bedankte sich herzlich bei dem Forstarbeiter: „Das war wirklich sehr freundlich von Ihnen. Ich weiß nicht wie ich mich revanchieren soll.“ Daraufhin drückte er ihre Hand und antwortete: „Das habe ich doch gern gemacht. Erholen Sie sich gut. Ich muss jetzt aber leider schnell zur Arbeit zurück, ich bin schon wahnsinnig spät dran.“ Nach diesen Worten verschwand er auch schon wieder zur Tür hinaus und überließ sie der Obhut des Krankenhauses.

Die Schwester an der Rezeption kümmerte sich jetzt um sie, nahm ihre Personalien auf und begleitete sie zu einem Zimmer. „Ein Arzt wird gleich bei Ihnen sein, haben Sie einen Moment Geduld.“, sagte sie noch einfühlsam als sie die Frau im Bett zudeckte.

Es vergingen auch nur wenige Minuten bis ein Doktor schließlich zu ihr kam. Endlich jemand, mit dem sie sich unterhalten konnte. Seine Schweigepflicht würde es ihm verbieten etwas weiterzusagen.

Gleich nachdem er sich vorgestellt hatte, griff er sich einen Hocker, setzte sich zu ihr ans Bett und ermutigte sie zum Reden: „Also, was ist passiert und wie kann ich Ihnen helfen?“ Ihre Finger in die Decke gekrallt sprudelte es aus ihr heraus: „Ich wurde betäubt und gefesselt und dann haben sich diese Typen an mir vergangen. Und dann wurde ich wieder betäubt und anschließend im Wald ausgesetzt. Ich weiß nicht einmal wo ich bin und welchen Tag wir heute haben. Was soll ich jetzt tun?“ Der Arzt sah sie erst überrascht an, legte dann eine Hand auf ihren Arm und versuchte sie zu beruhigen: „Zunächst einmal seien Sie ganz unbesorgt, Sie sind hier in guten Händen. Wir werden uns darum kümmern, dass es ihnen bald wieder besser geht.“ Anschließend schrieb er sich ein paar Sachen auf, was sie sogleich nervös machte. „Doktor, ich darf das eigentlich keinem erzählen, sonst holen die mich wieder!“, flehte sie panisch. Der Arzt zeigte ihr deshalb den Zettel und erklärte beschwichtigend: „Keine Angst, ich habe nur aufgeschrieben welche Untersuchungen jetzt erst einmal nötig sind. Wir wissen ja noch nicht wie schwer Sie verletzt wurden. Ich schreibe Ihnen auch noch ein sanftes Beruhigungsmittel auf und wir nehmen Ihnen Blut ab um herauszufinden wie sie betäub wurden. Ist das in Ordnung für Sie?“ Sie nickte und er fügte noch hinzu: „Sie können gerne auch einen Psychologen zu Rate ziehen, der Sie wieder in ein seelisches Gleichgewicht bringt.“ Zustimmend nickend senkte sie den Blick und spürte wie schon ein wenig mehr innere Ruhe einkehrte.

Doch plötzlich klopfte es an der Tür und ohne erst eine Antwort abzuwarten traten sogleich zwei Personen ein. Beunruhigt starrte die Frau beide an. Der Arzt stand inzwischen auf und protestierte: „Ein wenig Höflichkeit darf ich doch wohl erwarten. Wir sind hier in einem Krankenhaus, da sollten Sie nicht einfach so in die Zimmer hineinplatzen.“ „Oh, entschuldigen Sie bitte.“, erwiderte die attraktive Frau im Hosenanzug. „Ja, das tut uns leid. War nicht so gemeint.“, gab auch ihr sympathisch wirkender Begleiter zu. Aufgeregt fragte die Patientin nun ungeduldig: „Wer sind Sie und was wollen Sie hier?“ Der Arzt beantwortete ihre Frage: „Diese zwei netten Leute sind von der hiesigen Kriminalpolizei. Die Schwester hat sie wohl gleich informiert als sie zu uns kamen. Das war auch genau richtig so.“ „Was? Nein!“, rief sie jetzt empört aus, rutschte an die Bettkante und sprach hektisch weiter: „Ich darf doch nicht mit der Polizei reden! Diese Typen kommen sonst zurück!“

Die Kommissarin machte sogleich einen Schritt auf sie zu, ergriff ihre Hand und sprach mit möglichst sanfter Stimme: „Ich bin Sheryl und das ist Dave.“ Sie zeigte auf ihren Begleiter und fuhr anschließend fort: „Sie müssen sich keine Gedanken machen, wir passen ab sofort auf Sie auf.“ Ihr Kollege hielt sich derweilen im Hintergrund und versuchte ein freundliches Gesicht aufzusetzen und zu Lächeln.

„Lassen Sie uns für ein paar Minuten allein?“, wandte sich Sheryl nun an den Arzt, der sie kurz skeptisch musterte und dann antwortete: „Auch wenn ich es nicht gutheißen kann, dass Sie die Patientin so kurz nach ihrer Einlieferung schon belästigen, geht die Aufklärung dieser Sache wohl vor.“ Sheryl lächelte. Mit einem aufmunternden Blick zur Frau im Bett sagte der Doktor noch: „Unterhalten Sie sich in Ruhe. Ich sehe dann später noch einmal nach Ihnen.“ An die Polizisten gewand ergänzte er: „Übertreiben Sie es nicht.“ Danach verließ er den Raum.

Sheryl setzte sich nun an das Bett während Dave einen Notizblock zückte und etwas näher kam. „Okay. Die Krankenschwester meinte am Telefon, dass Sie von einem Mann in Arbeitskleidung hier abgeliefert wurden. Können Sie uns vielleicht erst einmal erzählen, was überhaupt passiert ist?“, fragte Sheryl sanft. Die Frau druckste herum. „Wir können auch erst einmal mit Ihren Personalien anfangen, nur um das Eis zu brechen.“, hob die Polizistin das reservierte Schweigen auf und fügte beschwichtigend an: „Sie müssen sich wirklich keine Sorgen machen, dass Sie erneut an diese Leute geraten. Solche Drohungen werden oft pro forma ausgestoßen um die Opfer zu verunsichern. Wir werden auch niemandem verraten, dass Sie mit uns gesprochen haben. Alles, was Sie uns erzählen, ist streng vertraulich. In Ordnung?“ Die Frau nickte verängstigt und antwortete dann leise: „Ich heiße Christine Singer, bin siebenundzwanzig Jahre alt, wohne derzeit in Birmingham, komme ursprünglich aber aus Driffield.“ „Haben Sie eine Ahnung, wo Sie sich jetzt gerade befinden?“, wollte Dave wissen, doch sie zuckte nur mit den Schultern. Also erklärte er: „Sie sind hier im Brighton General Hospital.“ Perplex rief sie sogleich aus: „Wie bitte? So weit im Süden?“ Sheryl hakte nun nach: „Demnach wissen Sie nicht wie Sie hierher gekommen sind, oder?“ Aufgeregt schüttelte Christine den Kopf und rekapitulierte: „Ich war im Club Gatecrasher in Birmingham und wollte dort eigentlich mein abgeschlossenes Studium feiern. Irgendwann verlor ich kurz meine Begleiter aus den Augen und ging zur Bar um mir ein neues Bier zu holen.“ Angestrengt dachte sie weiter nach. „Ich kann mich nicht erinnern was danach passiert ist, erst wieder an den Moment als ich aufwachte.“, erzählte sie weiter, verstummte nun aber schlagartig. Ihr versteinertes Gesicht sagte wohl mehr aus als sie wollte, denn Sheryl streichelte ihr mitfühlend über die Schulter und ermunterte sie zum Weitersprechen. „Was war denn als Sie aufwachten?“ Christine atmete tief durch und antwortete leise: „Ich war nackt und gefesselt.“ Dave sah von seinen Notizen hoch und tauschte einen betroffenen Blick mit seiner Kollegin. Ins Leere starrend berichtete die Frau nun weiter: „Meine Augen waren verbunden. Es kam ein Mann zu mir und dann noch einer und noch einer.“ Sie schluckte, sah Sheryl, die sie eindringlich musterte, mit feuchten Augen an und flüsterte: „Ich weiß nicht mehr wie viele es waren. Aber alle hatten nur eine Sache im Sinn.“ „Das muss furchtbar gewesen sein.“, sagte die Polizistin leise, drückte Christines Hand und fragte dann weiter: „Was passierte danach?“ Betreten kaute die Frau an ihren Fingernägeln bevor sie antwortete: „Der letzte Kerl drückte mir ein Tuch aufs Gesicht, es roch irgendwie süßlich, und ich wurde bewusstlos. Und später bin ich dann im Wald wieder aufgewacht, alleine, hatte nur einen Bademantel an und nicht einmal Schuhe.“ „Und wie kommen Sie jetzt hierher?“, hakte Dave vorsichtig nach. „Ich bin einfach zum nächsten Waldweg gestolpert und losgelaufen. Irgendwann kam ich an eine Straße und auf dieser wurde ich dann von dem Waldarbeiter aufgegabelt.“, erklärte sie trübsinnig.

Sheryl drückte erneut ihre Hand und stellte fest: „Sie sind sehr tapfer. Jedes Detail, an das Sie sich erinnern können, wird uns näher zu den Tätern führen.“ Nach einer kurzen Pause fragte sie: „Also, fällt Ihnen noch irgendetwas ein? Eine Kleinigkeit, ein Geräusch, ein weiterer Geruch, hat einer der Männer vielleicht einen Dialekt oder Akzent gesprochen?“ Nachdenklich schüttelte Christine den Kopf. „Es tut mir sehr leid, wenn wir Ihnen das antun müssen.“, sagte Sheryl jetzt betreten und führte fort: „Einer unserer Ärzte muss Sie leider näher untersuchen, jede Spur sichern, die sich vielleicht noch an ihrem Körper befindet. Und den Bademantel nehmen wir auch mit.“ Entsetzt starrte Christine die Polizisten an, schnaufte dann missmutig, würgte ein paar Tränen hinunter und erklärte sich schließlich einverstanden.

3

 

Die Nacht zuvor. Sie lag auf einer hellen, unbezogenen Matratze als sie schwerfällig zu sich kam. Der dunkle Raum wurde nur vom fahlen Mondschein erhellt, welcher durch ein kleines Fenster schimmerte und immer wieder von Wolken verschluckt wurde.

Benommen rollte sie vom Bett und tastete die kahlen Wände ab, die komplett mit einem weichen schwarzen Stoff überzogen waren. Wozu? Ihr Kopf tat fürchterlich weh und am liebsten hätte sie sich einfach in einer Ecke zusammengerollt. Doch sie konnte und wollte nicht hinnehmen, dass sie hier eventuell gefangen war und arbeitete sich trotz des schrecklichen Hämmerns in ihrem Schädel langsam zur Tür hin vor.

Nachdem sie den Griff gefunden und einmal tief durchgeatmet hatte, rüttelte sie kräftig daran. Außer des lautstarken Klapperns des Riegels passierte nichts, genau wie sie es geahnt hatte. Lautstark schrie sie jetzt um Hilfe und wartete anschließend vergeblich auf eine Antwort. Aber auch damit hatte sie insgeheim gerechnet.

Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an das Dunkel und sie tastete sich vorsichtig zum Fenster weiter. Ein kurzer Blick nach Draußen verriet nur, dass sie sich im Nirgendwo befand. Keine anderen Häuser waren zu sehen, keine anderen Lichter oder auffällige Gebilde. Sie war eine Gefangene, die weder wusste wo sie festgehalten wurde noch wer sie in seiner Gewalt hatte oder warum. Ausweglos. Und außer diesem niedrigen Bett mitten im Raum gab es rein gar nichts.

Betreten setzte sie sich darauf, ihre Gedanken kreisten. Wieso sollte sie jemand entführen? Sie hatte doch nichts, momentan trug sie nicht einmal Schuhe. Jetzt bemerkte sie, dass auch ihr Ring weg war, ihr Lieblingsring, Glücksbringer und ein Geschenk. Schnell fühlte sie nach der Halskette und den Ohrringen, die sie früher am Abend noch angehabt hatte, aber auch diese waren fort.

Ein leises Murmeln vor der Tür schreckte sie plötzlich auf. Eilig lief sie hin und presste ihr Ohr gegen das schwarz lackierte Holz. Dumpf drangen die Worte eines Mannes hindurch: „Ich bin bereit.“ Ein anderer antwortete: „Sehr wohl Sir.“ „Schalte die Musik an.“, sagte der erste und urplötzlich hallten düstere, orchestrale Klänge durch den dunklen Raum.

Erschrocken sprang sie von der Tür weg und kauerte sich in eine Ecke. Jemand drehte den Schlüssel im Schloss, die Tür öffnete sich einen Spalt weit, ein Schatten schlüpfte hindurch und schon war sie auch wieder verschlossen.

Sie wagte es kaum zu atmen und starrte in die Dunkelheit, dahin wo sie den Schatten vermutete. Das Orchester verwandelte sich in bedrohliches Gitarrengekreisch und das Hämmern dumpfer Bässe. Sie konnte ihren Herzschlag spüren, der hektisch bis in ihren Hals pulsierte. Der Schatten hatte sich noch immer nicht bewegt. Hatte sie sich das vielleicht nur eingebildet? War etwa doch niemand herein gekommen? Wieso machte man solche Psychospielchen mit ihr? Sie presste sich noch fester an die Wand, versuchte mit ihr im Dunkel zu verschmelzen um nicht entdeckt zu werden.

Doch dann trat er langsam in den fahlen Mondschein hinein. Für einen Moment machte ihr Herz fühlbar einen Satz. Sie war hier nicht alleine. Das blasse Licht glänze matt auf seiner dunklen Kleidung und den langen, dunklen Haaren. Im Mondlicht blieb er dann ganz ruhig stehen und schien sie anzustarren. Auch wenn sie sein Gesicht nicht erkennen konnte, spürte sie den durchdringenden Blick. Ängstlich musterte sie ihn und mahnte sich zur Ruhe. Sah er sie wirklich an? Wusste er, dass sie im Zimmer war? Die Musik wurde allmählich unerträglich und verstärkte die schrecklichen Kopfschmerzen, die sie schon die ganze Zeit über plagten. Sie konnte nicht mehr klar denken. Was hatte dieser Kerl nur vor?

Erneut machte er einen Schritt nach vorn, bewegte sich beinahe vorsichtig in Richtung Bett, hinter welchem sie in der Ecke hockte und zitterte. Die Metallschnallen an seiner Kleidung reflektierten kurz das fahle Licht und warfen einen unheimlichen Schimmer an die schwarzen Wände.

Jetzt war der Mond wieder hinter Wolken verschwunden und der Raum tauchte in Finsternis ein.

Scheinbar hatte er nur darauf gewartet. Sie konnte trotz Teppich die schweren Schritte hören als er sich nun schneller auf sie zu bewegte. Eilig stand sie auf und kreischte als seine Hand ihren Arm berührte. Doch sie schaffte es seinem Griff auszuweichen und stolperte über das Bett in die gegenüberliegende Ecke des Raumes.

Für einen Moment blieb er wieder regungslos stehen, den sie sofort nutze um wild auf die Tür einzuhämmern und um Hilfe zu rufen. Blitzschnell drehte er sich jetzt zu ihr um und mit wenigen großen Schritten stand er schon neben ihr um ihre Schulter zu packen. Sie brüllte panisch und erneut gelang es ihr sich herauszuwinden und in eine andere Zimmerecke zu fliehen. Sie wusste, dass das nicht ein weiteres Mal funktionieren würde und kauerte sich voller Angst unter dem Fenstersims zusammen.

Langsam kam er jetzt auf sie zu. Das Mondlicht ermöglichte ihr nun einen klaren Blick in sein Gesicht, das von einem breiten, fiesen Grinsen überzogen war. Neben den eisblauen Augen, die sie kalt anstarrten, fielen ihr sofort die angeschliffenen Eckzähne auf. Wer war er? Was war er? Oder was wollte er verkörpern?

Dicht vor ihr blieb er dann stehen, das Grinsen verschwand und er musterte eindringlich wie sie da zitternd am Boden hockte. Es schien ihm Genugtuung zu bereiten und sie wusste, dass er ihr etwas Schlimmes antun würde.

Trotzdem versuchte sie sich auf Details zu konzentrieren, zählte die Piercings in seinem Gesicht, prägte sich alle markanten Züge ein, dass seine Haut unglaublich blass und er mit den schweren Stiefeln, die er trug, schätzungsweise fast einhundertneunzig Zentimeter groß war. Alles konnte nützlich sein um ihn später eindeutig zu identifizieren.

Während er sie weiter anstarrte, wagte sie es den Blick zu senken. Etwas Metallisches verbarg sich in seiner linken Hand, sie konnte es nur nicht richtig erkennen weil er urplötzlich mit der rechten nach ihrem Haarschopf griff und sie von der Wand wegzerrte. Doch so einfach wollte sie sich jetzt nicht geschlagen geben, sprang auf sobald er sie los ließ und stürmte davon. Nur dieses Mal war sie leider nicht schnell genug.

Als hätte er es geahnt, stürzte er hinterher und schaffte es sie mit beiden Armen fest zu umklammern. Ein stechender Schmerz durchbohrte dabei ihre Körperseite und entlockte ihr einen lauten Schrei. Er lachte, spürte wie sie kurz einknickte und drehte sie zu sich herum. An ihrer Flanke sickerte Blut durch den Stoff ihrer eingerissenen Bluse. Seine Hände hielten sie fest an den Oberarmen gepackt, sie konnte sehen wie sich die metallenen Krallen an seiner Linken in ihr Fleisch bohrten. Entsetzt starrte sie in seine vom Wahnsinn funkelnden Augen und mit einem letzten Anflug von Mut rammte sie ihm ihr Knie zwischen die Beine.

Sichtlich erschrocken ließ er sie los und machte einen Schritt zurück. Scheinbar passierte es nicht oft, dass sich jemand so heftig gegen ihn wehrte. Und gleichzeitig bereute sie, dass sie das soeben getan hatte, denn der Blick, der sie jetzt traf, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Sie hatte ihn richtig wütend gemacht und so schnell wie die kräftige Ohrfeige sie traf, blieb ihr keine Chance mehr zum Ausweichen.

Taumelnd fiel sie rücklings auf das Bett. Warmes Blut quoll aus den vier tiefen Kratzspuren auf ihrer Wange und tropfte auf die Matratze. Völlig benommen versuchte sie sich noch einmal aufzurichten und aufzustehen, doch gnadenlos stieß er sie zurück auf das Bett und kroch über sie.

Als er dann mit seinem vollen Körpergewicht auf ihr saß, griff er sich ihre Handgelenke, presste diese mit der einen Hand fest auf ihre Brust während er mit der anderen unter ihren Rock fasste und ihr rabiat den Slip herunter riss. Sie schrie auf und strampelte wild. Er konnte sie kaum unter Kontrolle bringen, was ihn nur noch geiler auf sie werden ließ. Diese Frau war eine wahre Herausforderung und gab ihm den Kick, den er schon so lange vermisst hatte.

Irgendwie schaffte er es dann ihre Arme über ihrem Kopf auf die Matratze zu drücken und versuchte sie gewaltsam unter sich zu halten während er sich brutal an ihr verging. Doch sie machte es ihm nicht einfach und er genoss den Kampf bis sie letztlich eine Hand frei bekam, spontan nach seinem Piercing griff und es ihm mit einem heftigen Ruck vollständig aus der Lippe riss.

Sein Blut spritzte ihr entgegen.

Es dauerte einen Moment bis er begriffen hatte, was gerade passiert war und konnte dann nur schwerlich einen Schmerzensschrei unterdrücken. Zitternd starrte sie unterdessen auf den kleinen Silberring zwischen ihren Fingern und dann in sein wütendes Gesicht und auf das viele Blut das mittlerweile unentwegt von seinem Kinn tropfte.

Er wischte sich über seinen schmerzenden Mund, betrachtete dann seine blutigen Finger und schlug ihr anschließend energisch das Piercing aus der Hand. Es hüpfte über den Teppich und blieb knapp vor der Wand liegen. Sie begann wieder wie am Spieß zu brüllen und zu zappeln, aber jetzt hatte er endgültig genug davon und packte sie mit den Metallkrallen derb am Hals.

Solange sie konnte versuchte sie sich weiter zu wehren, doch sein Griff wurde zunehmend fester und sie merkte deutlich wie sich die scharfkantigen, metallenen Spitzen immer tiefer in ihre Haut und ihr Fleisch bohrten.

Es gab keine Gnade, immer wenn sie eine Hand frei bekam, kratzte sie ihm die Arme blutig, versuchte in sein Gesicht zu schlagen oder zerrte an seinen Haaren bis er sie wieder unter Kontrolle hatte, doch allmählich verließen sie ihre Kräfte. Ihr Schreien wich jämmerlichen Gluckslauten und auch das Zappeln wurde merklich weniger je länger er seine Gier zu befriedigen suchte. In seinen kalten, blauen Augen fand sie kein Mitleid oder Erbarmen. Sie wusste nun, dass er sie töten würde und er konnte deutlich diesen Augenblick ihrer Erkenntnis spüren während er sie fasziniert in ihrem Todeskampf beobachtete.

Immer fester drückte er zu, sie hatte keine Chance und keine Kraft mehr sich zu wehren. In dem Augenblick als sie das Bewusstsein verlor, erreichte er seinen Höhepunkt. Alles krampfte sich in ihm zusammen, ein Knacken drang aus ihrer Kehle und ihre Arme fielen schlapp und leblos zur Seite. Er hatte das Leben so heftig aus ihr herausgepresst, dass er ihren Kehlkopf zerdrückte und nun fühlte er eine unglaubliche Befriedigung durch sich strömen.

In dieser Form war ihm das schon lange nicht mehr passiert. Mit geschlossenen Augen sog er den Moment regelrecht in sich ein.

Völlig fertig richtete er sich dann kurze Zeit später auf. Sein Blut schien zu kochen, ihm war schwindlig und er atmete schwer, ein Erlebnis der Superlative, viel besser als nur Sex allein.

Nachdem er sich ein wenig gefangen hatte, beugte er sich dicht über ihr Gesicht und horchte. Sie atmete nicht. Danach fühlte er nach ihrem Puls und legte sein Ohr auf ihre Brust. Kein Lebenszeichen war zu ertasten. Er hatte es wieder einmal vollbracht und musste zugeben, dass sie ein würdiger Gegner gewesen war, nicht wie die letzten, die einfach nur panisch alles hatten über sich ergehen lassen.

Zufrieden stellte er sich neben das Bett, betrachtete sein Werk und rückte seine Kleidung zurecht. Kurz dachte er daran, dass sie heute Nacht nicht das einzige Opfer war. Was würde wohl inzwischen in den Nachbarräumen geschehen? Waren seine Gäste schon in jeglicher Hinsicht befriedigt? Gut, sie würde das alleinige Todesopfer dieser verhängnisvollen Veranstaltung bleiben aber das bedeutete nicht, dass es den anderen wesentlich besser ging.

Gedankenverloren starrte er weiterhin ihre Leiche an und sinnierte darüber wie dieses Fest zu solch einem Selbstläufer hatte werden können. Mittlerweile musste er auf Drängen seiner Kunden schon zweimal im Jahr einladen. Kruger hatte ihn auf die Idee gebracht für ausgewählte Gäste Pornografie auf ein ganz neues Level zu bringen.

Er lud also hochrangige Geschäftsleute und Politiker auf sein Anwesen ein und dann feierten sie ausgelassen bis in die Nacht mit einer Gala, gutem Essen, Wein, Zigarren und klassischer Musik. Nur wenigen war es jedoch vergönnt auch an der Aftershowparty teilzunehmen. Sie mussten das nötige Kleingeld und die entsprechende Vertrauenswürdigkeit mitbringen, dass nie jemand von Außen je etwas davon erfahren würde. Und die Zahl der Eingeweihten war inzwischen deutlich gestiegen. Angefangen hatten sie mit zwei Mädchen und drei Männern, jetzt waren es schon sechs Frauen und knapp zehn Perverse, die darauf standen sich auf gefesseltes junges Fleisch zu stürzen. Praktischerweise boten all die Diskotheken und Bars im Land genügend Raum für Nachschub. Seine Leute pickten passende Kandidatinnen heraus, füllten sie ab oder warteten bis sie von allein besoffen genug waren, betäubten sie dann und brachten sie her.

Während eine immer ganz persönlich für ihn selbst reserviert war, überließ er die anderen der Obhut der reichen Säcke, die jedes Mal sehr dankbar für diese spezielle, verbotene Leckerei waren. Mit Geld konnte man sich eben alles erlauben und keiner der Eingeweihten würde je ein Sterbenswörtchen darüber verlieren, solange sie weiterhin vorbeikommen

durften.

Plötzlich ging die Musik aus. Ein leises Klopfen an der Tür und die Stimme seines Butlers rissen ihn aus seinen Gedanken: „Sir? Sind Sie so weit?“ Er fuhr sich durch die zerwühlten Haare und fühlte nach der Wunde an seiner Lippe. Es war nicht das erste Mal, dass er sein eigenes Blut zu schmecken bekam, nur heute erschien es ihm besonders süß.

Es klopfte noch einmal etwas lauter. „Ist mit Ihnen alles in Ordnung? Kann ich rein kommen?“, ertönte erneut die Stimme von Draußen. Er drehte sich zur Tür hin um und antwortete: „Du kannst aufschließen.“ Als das Schloss daraufhin klackte, öffnete er schnell die Tür, schlüpfte hinaus in den Flur und schloss sie wieder hinter sich um seinem Butler den Weg zu versperren. Verdutzt schaute Simon ihn an und fragte: „Was ist mit Ihnen passiert? Woher kommt das ganze Blut?“ „Es ist heute ein bisschen ausgeartet. Da drin sieht es ziemlich wüst aus.“, antwortete er verhalten. Der Butler seufzte leise, sagte jedoch nichts.

Vorsichtig griff er dann nach der Türklinke obwohl ihm sein Chef noch immer den Weg versperrte. Simon stieß letztlich die Tür einfach auf und endlich machte ihm der Mann auch den Weg frei. Langsam schritt der Butler ins Zimmer und ließ seinen Blick schweifen. Die junge Frau lag regungslos auf dem Bett, die helle Matratze unter ihr mit Blutspritzern und Flecken überzogen. Er schluckte. Sein Chef stand auf einmal hinter ihm und klopfte auf seine Schulter. „Das kriegst du doch wieder hin, nicht wahr?“ Leise und etwas betreten antwortete Simon: „Ja, Sir. Ich werde mir extra Zeit dafür nehmen.“ Nach einer kurzen Pause fügte er an: „Ist das Blut überall von ihr?“ „Nein, nicht nur. Das meiste dürfte von mir sein.“, erwiderte er ohne weitere Zurückhaltung, lief dann in den Raum hinein, hob den kleinen Silberring auf und präsentierte ihn seinem Butler mit den Worten: „Diese kleine Bitch hat mir tatsächlich das Piercing aus der Lippe gerissen. Stell dir das mal vor. Die war ganz schön kratzbürstig.“ Völlig neutral schaute Simon auf den Ring und sagte dann: „Für diesen Raum werde ich sicher ein paar Stunden brauchen. Ich hole mir einen der Jungs zu Hilfe, wenn es Ihnen recht ist.“ Sein Chef lächelte ihn an, was durch das angetrocknete Blut in seinem Gesicht noch wesentlich grotesker wirkte, nickte und ging anschließend einfach hinaus.

Zurückbleibend musste der Butler feststellen, dass er wohl doch langsam zu alt für dieses Spiel war. Er wusste nie welcher Anblick ihn erwartete und bekam den Eindruck, dass es von Mal zu Mal schlimmer wurde. Doch auch heute würde er alles stumm und vorwurfsfrei ertragen und die Spuren dieses Massakers beseitigen. Auch wenn er anfangs nicht gewusst hatte, worauf er sich dabei einließ, gab es schon lange kein Zurück mehr. Ihn traf die gleiche Schuld und er hatte bedingungslose Loyalität geschworen.

Die Matratze würde er gleich zusammen mit den Habseligkeiten der anderen Frauen verbrennen, die Leiche gründlich in einer Bleichlösung einlegen und sie danach von den Jungs im Nirgendwo verschwinden lassen. Wenigstens gab es bei diesen Treffen immer nur eine Tote. Noch schlimmer wäre es wenn alle sechs ihr Leben lassen müssten, obwohl er sich auch nicht ausmalen wollte, welches Trauma die anderen jahrelang verfolgen würde.

Schnell schüttelte er den Gedanken ab und machte sich ans Werk. Die Party war endgültig vorbei und die Gäste hatten inzwischen das Haus verlassen. Er rief einen Handlanger herbei, der ihm half die Tote und die bewusstlosen Frauen in den Keller zu schaffen, wo er sie gründlich reinigen konnte um alle Spuren zu beseitigen. Er wusch ihnen sogar die Haare, reinigte und schnitt ihre Fingernägel und wickelte sie eine nach der anderen in billige Bademäntel, die sie auf Schnäppchenmärkten kauften. Es war jedes Mal ein Kraftakt die Körper so zu präparieren, dass möglichst keine Spuren ihrer Peiniger übrig blieben. Blaue Flecken, Kratzer und sonstige Verletzungen konnten allerdings nicht vermieden werden. Und manchmal taten sie ihm auch ein bisschen leid, wenn sie so nackt und hilflos vor ihm auf dem Rolltisch lagen. Doch diese Emotionen konnte er sich nicht erlauben, wenn er nicht verrückt dabei werden wollte.

Ohne große Worte ließ er die Frauen und die Leiche dann von den Jungs abholen. So nannte er die Handlanger seines Chefs, alles Kerle im besten Alter, die irgendwie auf die schiefe Bahn geraten waren und so ihre Chance auf schnelles Geld witterten. Es war ihm unbegreiflich wie er es immer wieder schaffte Leute für solche Zwecke zu engagieren ohne dass diese gleich zur Polizei rannten. Bezahlte er sie so gut? Oder hatte er noch andere Druckmittel parat? Simon wusste es nicht und wollte es auch nicht wissen.

Die Dämmerung war längst angebrochen und nachdem die Frauen nun auf dem Weg in die Wälder waren, oder wo immer man sie auch aussetzte, sammelte er noch die restlichen Habseligkeiten ein und steckte alles zusammen mit ihrer Kleidung, den kompletten Handtaschen und den Schuhen in den Heizofen des Hauses. Nur den Schmuck verwahrte er gesondert in einer Kiste im Keller auf. In regelmäßigen Abständen schafften sie die Sachen zu einem befreundeten Schmuckhändler, der einen großzügigen Anteil der Beute behalten durfte und dank der regelmäßigen Aufträge keine weiteren Fragen stellte. So wurden die Uhren zerlegt und der Schmuck eingeschmolzen. Alle Spuren verliefen sich damit völlig im Sand.

Gedankenverloren starrte Simon ins Feuer des großen Heizofens, der mittlerweile auch die blutgetränkte Matratze fast völlig verschlungen hatte. Ganz tief im Innern hasste er diese Empfänge. Der Wahnsinn war über die Jahre zur Routine geworden und er hasste auch sich dafür, dass er dennoch weiterhin mitspielte. Doch er steckte einfach schon zu lange zu tief drin um damit aufzuhören zu können, auch wenn ihn die kalten, toten Gesichter bereits in seinen Träumen verfolgten.

Während Simon sich intensiv mit der allgemeinen Spurenbeseitigung beschäftigte, versuchte sein Chef die Spuren an seinem Körper zu beseitigen. Lange stand er vor dem Spiegel in seinem Badezimmer und betrachtete sich sein blutverschmiertes Gesicht. Sie hatte ganze Arbeit geleistet, die Unterlippe war komplett durchgerissen aber zum Glück sehr glatt, fast wie ein Schnitt. Die Wunde würde gut heilen. Er sah beinahe aus wie ein Raubtier, das ein Stück Wild gerissen und gefressen hatte und musste bei dem Gedanken lachen. Klimpernd ließ er jetzt die Ringe mit den Metallkrallen in das Waschbecken vor sich fallen. Sie hinterließen rote Spuren am Porzellan und waren zwar für den Moment eine reizvolle Idee gewesen, in der Handhabung aber eher unpraktisch, weshalb er sie wohl nie wieder verwenden würde. Für das nächste Mal sollte er sich etwas Einfacheres ausdenken um der Sache zusätzliche Würze zu verleihen.

Vorsichtig entfernte er dann das angetrocknete Blut mit lauwarmem Wasser aus seinem Gesicht und inspizierte anschließend noch einmal den Riss in seiner Lippe, der jetzt schon gar nicht mehr so schlimm erschien. Entschlossen trat er danach in kompletter Montur in die Dusche und stellte das Wasser an. Rötlich eingefärbt perlte es von ihm und seiner Kleidung ab, derer er sich nun Stück für Stück entledigte und so klitschnass wie sie war in die Badewanne warf. Das ausgiebige Duschen gehörte ebenso zu seinem Ritual. Es diente nicht nur der Reinigung und Spurenbeseitigung, es ermöglichte ihm auch alles Geschehene noch einmal zu rekapitulieren und sich noch einmal dem Hochgefühl der totalen Vernichtung hinzugeben.

Sauber und befriedigt trat er später aus der Dusche und ging zurück zum Waschbecken über welchem der Medizinschrank hing. Nachdem er das Desinfektionsmittel gefunden hatte, tupfte er vorsichtig alle tieferen Kratzer an seinen Armen und im Gesicht damit ab. Schon am nächsten Tag würde man kaum noch etwas davon sehen, da war er sich sicher. Auf seine starken Selbstheilungskräfte hatte er sich immer verlassen können.

Als er mit allem fertig war und auch die Krallen ordentlich gereinigt und in einer kleinen Schatulle in einem Badregal verstaut hatte, sah er sich selbst noch einmal tief in die eisblauen Augen. Er fühlte sich ausgesprochen gut, befreit und beinahe wie neu geboren. Dass er vor wenigen Stunden einen Menschen auf grausame und bestialische Weise getötet hatte, rückte weit in den Hintergrund während die Erinnerung an den unglaublichen Adrenalin- und Endorphinschub hartnäckig verblieb.

4

 

Dave und Sheryl hatten Christine so viele Details entlockt wie momentan möglich. Die ärztliche Untersuchung würde vielleicht noch ein paar Puzzelteile mehr hervorbringen aber erst in ein paar Tagen. Jetzt galt es anderweitig Informationen zu ermitteln. Nachdem sie eine recht ausführliche Beschreibung des Forstarbeiters von der Krankenschwester an der Rezeption bekommen hatten, machten sie sich auf die Suche nach diesem.

Beim Forstamt erfuhren sie die Namen der Männer, die heute in der Gegend Dienst hatten und bekamen auch die zugehörigen Funknummern. Einzeln riefen sie dann jede Nummer an und schienen bei Nummer fünf endlich den Richtigen erwischt zu haben.

„Hier ist Tom.“, ging er an sein hupendes Funkgerät und wirkte nicht überrascht als sich Sheryl meldete: „Ja hallo, hier ist Sheryl Sneider von der hiesigen Kriminalpolizei. Haben Sie heute zufällig eine junge Frau ins Krankenhaus gefahren?“ „Richtig.“, antwortete Tom und fragte: „Wie geht es ihr? Besser?“ Sheryl erklärte daraufhin: „Ja, es geht ihr besser. Allerdings wirft ihre Geschichte ein paar schwierige Fragen auf. Wir würden uns gern mit Ihnen treffen, wenn das keine zu großen Umstände macht.“ „Nein, ist in Ordnung. Ich helfe gerne.“, erwiderte Tom gelassen. „Wo können wir Sie finden?“, wollte Sheryl nun wissen. Tom gab eine detaillierte Wegbeschreibung durch, der sie sogleich folgten.

Auf einem kleinen Parkplatz am Waldrand wartete der Forstarbeiter in seinem Traktor auf die Polizisten. Als das Polizeiauto anhielt, hüpfte er schnell heraus und lief auf die zwei zu. Ohne lange zu zögern fragte er gleich: „Also, wie kann ich behilflich sein?“ Dave streckte ihm erst einmal die Hand entgegen und stellte sich vor: „Hi, Dave Palmer mein Name.“ Auch Sheryl begrüßte den Mann freundlich, zückte anschließend einen Notizblock und begann mit ihren Fragen: „Erst einmal, nur fürs Protokoll, wie ist Ihr vollständiger Name?“ „Tom Kiernan.“, antwortete er ungeduldig. Ruhig sprach Dave dann weiter: „Zunächst, vielen Dank, dass Sie sich um die junge Frau gekümmert haben. Das war wirklich sehr freundlich.“ „Na ja, ich konnte sie doch nicht einfach da stehen lassen.“, erwiderte Tom kopfschüttelnd. „Können Sie uns vielleicht zu der Stelle führen, an der Sie sie aufgegriffen haben?“, wollte Sheryl jetzt wissen. Tom nickte und zeigte auf die Einmündung eines Waldwegs in beinahe einhundert Metern Entfernung. Dazu sagte er: „Gleich da vorn bei dem Weg stand sie auf einmal mitten auf der Straße und winkte.“ „Hat sie Ihnen erzählt was ihr zugestoßen war?“, hakte Dave nun weiter nach. Doch Tom antwortete nur: „Nein und sie wirkte so aufgelöst auf mich, dass ich mich nicht getraut habe ihr irgendwelche Fragen zu stellen. Ich habe ihr nur eine Decke umgelegt und sie auf ihren Wunsch hin zum Krankenhaus gefahren. Dass ihr etwas Schlimmes passiert war, schloss ich einfach aus der Situation heraus.“ Dave und Sheryl warfen sich einen missmutigen Blick zu. Sie hatten auf mehr Informationen gehofft, mussten jetzt aber damit leben, dass Tom wesentlich weniger wusste als erwartet. Also fragte Sheryl noch: „Wo führt der Weg eigentlich hin? Ist er durchgängig oder endet er irgendwo im Dickicht?“ „Der geht quer durch den Wald und mündet dort auf einer schmalen Straße, ähnlich wie die hier.“, antwortete Tom höfliche. „Und ist er auch mit einem normalen PKW befahrbar?“, erkundigte sich Dave. Tom nickte und sagte: „Wenn man langsam fährt, kann man auch mit dem Auto durch. Es gibt keine Schranken, da wir den Weg nutzen um schneller zum Sägewerk zu kommen.“ „Sind Sie da heute schon mal lang gefahren?“, fragte Sheryl weiter. „Heute noch nicht.“ „Sehr gut!“, rief Dave aus und sprach weiter: „Bitte sorgen Sie dafür, dass heute auch keiner mehr durch fährt. Vielleicht finden wir ja ein paar Reifenspuren.“ „Denkst du, sie wurde mit einem Auto hingebracht?“, wand sich Sheryl an ihren Kollegen, der zustimmend nickte und antwortete: „Ja, klingt für mich irgendwie logisch, betäuben, in den Kofferraum packen und im Wald aussetzen. Das würde ich zumindest so machen, wenn ich meine Spuren verwischen will.“ Zu Tom sagte er jetzt: „Also, sagen Sie bitte auch Ihren Kollegen bescheid, dass da keiner lang fährt. Wir holen inzwischen ein Team von der Spurensicherung, die schauen sich den Weg dann etwas genauer an.“ „Geht klar.“, erwiderte Tom freundlich, lief schnell zu seinem Traktor und griff sich das Funkgerät um eine Meldung an alle zu machen. Sheryl hatte sich inzwischen das Telefon geschnappt und rief auf der Wache an um ein Team herzubeordern.

Danach verabschiedeten sie sich von Tom Kiernan, der nun endlich seiner Arbeit weiter nachgehen durfte, und setzten sich ins Auto. Bis die Mannschaft eintraf, würde es ein Weilchen dauern also versuchten sie zu sortieren was sie bisher wussten.

Dave rekapitulierte: „Eine junge Frau wird aus einem Club entführt, betäubt, gefesselt, vergewaltigt, wieder betäubt und im Wald ausgesetzt.“ Sheryl starrte zum Fenster hinaus und sprach leise: „Also für mich ergeben sich da eine ganze Reihe an Fragen.“ Sie griff sich daraufhin ihren Block und begann zu notieren während sie laut nachdachte: „Erstens: Warum ausgerechnet Christine? Ist sie ein Zufallsopfer? Zweitens: Wenn es nur darum geht sie zu missbrauchen, warum wartet man so lange bis sie aufwacht? Machtspielchen? Drittens: Es gibt mehrere Täter oder zumindest Beteiligte. Wer hat das alles organisiert? Und wenn so viele davon wissen, wie sorgt man dafür, dass die alle still halten?“ Dave klinkte sich ein: „Hat der Drahtzieher auch wirklich mitgemacht? Für beide möglichen Fälle könnte es unterschiedliche Motive geben.“ Sheryl sah ihn jetzt an und fragte: „Welche Motive fallen dir denn auf Anhieb ein?“ Ausführlich antwortete Dave darauf: „Na ja, wenn er selbst mitgemacht hat, könnte es Macht und Lust sein. Sie sollte es mitbekommen um die Demütigung perfekt zu machen. Ein Opfer, das sein Martyrium bewusst miterlebt, verhält sich nun mal anders als ein bewusstloses. Sie wollten die Angst spüren. Sadismus und die Befriedigung eines Triebes als Auslöser für die Tat. Sollte der Drahtzieher jedoch nicht selbst mitgemacht haben, könnte es sich um eine recht bizarre Form der Zwangsprostitution handeln. Er entführt die Frau und lässt andere gegen Geld Sex mit ihr haben. Es gibt bestimmt ein paar Perverse, die für so ein übles Spiel ordentlich Scheine hinblättern würden, der Reiz des Verbotenen. Und für den Kopf hinter der Sache eine Möglichkeit viel zu verdienen.“ Gedankenverloren starrten sie beide dann auf den Notizzettel. Sie mochten sich kaum vorstellen, dass Menschen wirklich aus Gier anderen Menschen solche Sachen antaten.

Endlich traf die Spurensicherung ein. Pflichtbewusst und dankbar für die Unterbrechung ihrer Gedankengänge stiegen Sheryl und Dave aus dem Wagen und wiesen das Team ein. Es bestand die geringe Möglichkeit, dass die Täter doch etwas hinterlassen hatten, Fußabdrücke, ein paar Fussel oder sogar Reifenspuren. Aber sie wussten jetzt schon, dass es die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen werden würde.

Da die zwei Polizisten den Spezialisten nicht wirklich bei ihrer Arbeit helfen konnten und womöglich nur im Weg standen, übergaben sie das Kommando an den Teamleiter und fuhren stattdessen zur Wache. Sie hatten vollstes Vertrauen in das Know-how ihrer Kollegen und wollten jetzt lieber den ersten Schwung des Papierkrams erledigen bevor sich dieser bald stapelte. Solche Ermittlungen brachten das meistens mit sich. Außerdem waren sie schon gespannt was sie noch alles herausfinden mussten.

Das liebte vor allem Sheryl an der Polizeiarbeit. Immer wieder hörte sie die unglaublichsten Geschichten und es gab für sie nichts Besseres als einen komplett aufgeklärten Fall. Leider geschah das nicht allzu häufig. Sie hatte schon oft erlebt, dass irgendwelche Puzzelteile fehlten und sie damit zu keinem richtigen Ergebnis gelangten. Viele Vorgänge wurden deshalb auf Eis gelegt und konnten nie vollständig abgeschlossen werden. Ein weiterer Nachteil ihrer Arbeit lag darin, dass sie sich ständig mit Verbrechern abgeben musste, von denen sie selbst manch einen am liebsten gleich erledigt hätte. Doch schließlich fehlten Beweise oder es gab bürokratische Unstimmigkeiten und am Ende musste der Richter über eine Freilassung entscheiden obwohl alle wussten, dass der- oder diejenige schuldig war.

„Willst du auch noch einen Kaffee?“, schreckte Dave Sheryl aus ihren Gedanken hoch. Sie nickte schnell und streckte ihm ihre Tasse entgegen. Kaffee war über die Jahre ihr bester Freund geworden. Dann sah sie auf die Uhr und es überraschte sie ein wenig, dass es schon beinahe neun war. Sie glaubte, wenn sie eine Familie oder wenigstens einen Lebensgefährten hätte, würde sie nicht jeden Tag so lange auf Arbeit bleiben. Doch wie sollte sie so jemanden kennenlernen? Diesen Teufelskreis schien auch Dave nicht zu durchbrechen. Energisch sprang sie nun auf und rief Dave hinterher: „Hast du mal auf die Uhr gesehen? Ich brauch jetzt doch keinen Kaffee mehr. Da geh ich lieber heim.“ Dave stoppte und warf einen Blick auf die Wanduhr. Ihm entfleuchte ein „Oh!“. Gemächlich stellte er daraufhin die zwei Tassen auf seinen Tisch, streckte sich und sagte laut: „Ja, heimgehen ist wohl die bessere Idee!“

Gemeinsam verließen sie das Büro, verabschiedeten sich vor der Tür und machten sich beide auf ihren jeweiligen Nachhauseweg.

Doch unruhig wälzte sich Sheryl durch die Nacht. Der Fall ließ sie einfach nicht los. Auch die folgenden Tage beschäftigte sie sich immer wieder damit, traf sich sogar noch einmal mit Christine und fuhr mit ihr zu dem Waldweg. Sie sollte Sheryl zeigen wo sie aufgewacht war, denn die Spurensicherung hatte leider keine eindeutigen Hinweise finden können. Selbst die wenigen Reifenspuren waren durch das nasskalte Wetter völlig verwaschen und unbrauchbar gewesen. Nur mühsam fand Christine die Stelle im Wald wieder. Am Ende schien sie sich auch nicht mehr so recht sicher zu sein ob sie Sheryl wirklich den richtigen Ort zeigte. Sie war an dem Morgen noch so verwirrt und neben sich gewesen, dass sie sich hatte kaum etwas einprägen können.

Enttäuscht kehrte Sheryl später auf die Wache zurück und fand einen dicken Umschlag auf ihrem Schreibtisch liegend vor. Es handelte sich um den ausführlichen Bericht der Spurensicherung, welcher am Ende mehr Fragen aufwarf als er beantwortete.

Scheinbar hatten die Täter peinlichst genau darauf geachtet keine Spuren zu hinterlassen. Die ärztliche Untersuchung ergab, dass Kondome benutzt wurden und man Christine sogar die Fingernägel geschnitten und gründlich gereinigt hatte. Der Bademantel offenbarte ebenso wenige Informationen. Es gab ein paar Hinweise auf Christines Lagerplatz im Wald aber sonst nichts. Es hatte sogar jemand den Aufwand betrieben und das Etikett des Mantels entfernt, wodurch er zu einem Allerweltsmodell wurde und keiner mehr sagen konnte, aus welchem Laden er stammte.

Nur eine Sache schloss sich aus all den fehlenden Zeichen. Die Täter hatten ihr Vorgehen präzise geplant und sich sehr viel Mühe gegeben ihre Identität zu verschleiern. Und nachdem bisher kein Fehler zu finden war, vermutete Sheryl, dass Christine auch nicht das erste und einzige Opfer sein konnte.

Ihr Kollege kam mit einer frischen Tasse Kaffee zurück, stellte sie auf ihren Schreibtisch und meinte dann: „Wollen wir nachher auf einen Drink in die Bar gehen?“ Sheryl sah Dave aufmerksam an und offenbarte ihren Gedanken: „Ich glaube Christine ist kein Einzelfall.“ Dave zog die Augenbrauen zusammen und fragte skeptisch: „Wie kommst du darauf?“ Mit den Fingern auf der Akte trommelnd antwortete sie nachdenklich: „Das ist alles viel zu glatt. Es gibt keine offensichtlichen Schwachstellen. Und wo sind Christines Sachen abgeblieben? Es gibt einfach zu viele Fragen. Die Täter haben sich so viel Mühe gegeben, dass es mir schon richtig unheimlich ist. Vielleicht sollten wir mal in der Datenbank stöbern, ob es andere Fälle gibt, die in das Schema passen. Was meinst du?“ Dave nickte langsam und erwiderte: „Das hört sich gut an, das sollten wir wirklich probieren.“ Gesagt, getan.

Sheryl loggte sich in die Datenbank ein und wählte die ersten Suchparameter aus. Es dürfte ja wohl nicht allzu oft vorkommen, dass eine junge Frau nur mit einem Bademantel bekleidet im Wald aufgegriffen wird. Nach wenigen Minuten tauchte der erste Fall in den Suchergebnissen auf, dann noch einer und ein paar weitere. Fassungslos starrten die zwei Polizisten auf den Bildschirm. Dave flüsterte: „Ist das vorher noch keinem aufgefallen oder wurde das bewusst ignoriert?“ Sheryl tippte auf den Monitor und sprach leise: „Hast du das schon bemerkt? Hier sind auch ein paar Todesfälle dabei. Das wird ja immer grusliger.“ Plötzlich sprang ihr Kollege auf, stürmte zu seinem Schreibtisch, kramte eine Landkarte hervor, schnappte sich einen Marker und kam eilig zurück. „Wir sollten erst einmal alle Fälle in eine Karte eintragen. Vielleicht ergibt sich ein Muster.“, erklärte er beim Ausbreiten der Landkarte auf Sheryls Schreibtisch. Sie stimmte schnell zu und mit dem Stift markierten sie die Herkunftsorte der Frauen. Es ergab auf den ersten Blick keinen Sinn. „Und jetzt die Fundorte.“, meinte Sheryl enthusiastisch, griff sich einen andersfarbigen Marker und malte die Orte an, an welchen die Opfer aufgefunden worden waren. Danach pinnten sie die Karte an die nächstgelegene Wand, traten einen Schritt zurück und starrten gebannt darauf. Die Punkte schienen vollkommen willkürlich verteilt. Unzufrieden gab Dave zu: „Da steckt ein Plan dahinter. Der Plan uns keinerlei Hinweise zu geben. Sowohl Herkunfts- als auch Fundorte sind vollkommen zusammenhangslos. Diese Mistkerle sind gut.“ „Und offensichtlich ziemlich gut organisiert. Dafür braucht man eine ausgefeilte Logistik. Jemand muss die Opfer holen und auch wieder wegbringen. Das kann definitiv keiner alleine machen. Das würde einfach zu viel werden.“, stimmte Sheryl zu. Dave nickte gedankenversunken.

Beide wurden still und betrachteten sich weiterhin die Karte. Wie sollten sie nur einen Hut daraus stricken? Auf einmal brach Sheryl das Schweigen: „Wir sollten jetzt einen Trinken gehen. Was meinst du?“ Lächelnd klopfte ihr Dave auf die Schulter und erwiderte: „Das ist der beste Vorschlag, den ich heute gehört habe. Lass uns gehen.“ Sie verließen das Büro und gingen zu Fuß zur Kneipe um die Ecke.

Doch auch dort ließ sie der Fall nicht los. Bis spät in die Nacht hinein saßen sie an der Bar und sinnierten über die mysteriösen Umstände, die Christine in solch eine schreckliche Situation gebracht hatten.

Selbst als Sheryl schon längst daheim war, konnte sie nicht aufhören darüber nachzudenken. Ruhelos schlief sie dennoch ein und ging mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend am nächsten Morgen zur Arbeit zurück. Als sie im Büro an der Karte vorbei kam, die noch immer an die Wand gepinnt da hing und sie zu verhöhnen schien, schoss ihr eine Idee durch den Kopf. Schnell schaltete sie den Rechner wieder an und suchte erneut nach den Fällen der Vergangenheit. Vielleicht ergab sich ja aus den Daten ein kleiner Hinweis auf die Verbrecher.

Akribisch listete sie jedes Datum auf, an welchem die Frauen aufgetaucht oder die Leichen gefunden worden waren. Und tatsächlich bildete sich ein seltsames Muster heraus. Sie hatte zunächst vermutet, dass sich auch diese Punkte willkürlich übers Jahr verteilen würden, doch dem war nicht so. Stattdessen häuften sie sich im Frühjahr und im Herbst und über die Zeit waren es auch stetig mehr Opfer pro Jahr geworden. Was bedeutete das? Wurden es parallel dazu vielleicht auch mehr Täter? Wuchs die Zahl der Perversen kontinuierlich an und mussten deshalb immer mehr Frauen herhalten? Und warum wählten sie gerade diese Zeiträume aus? Die Regelmäßigkeit ließ ihr einen kalten Schauer über den Rücken laufen.

Dave kam im Büro an, er sah etwas fertig aus, bewegte sich aber gleich auf Sheryl zu und begrüßte sie freundlich. „Und? Hattest du noch eine zündende Idee?“, wollte er wissen. Sogleich zeigte ihm Sheryl ihre Aufzeichnungen. Mehr zu sich selbst sprach er dann: „Das ist wirklich merkwürdig. Wer entführt zweimal im Jahr ein paar Frauen und tut ihnen zusätzlich auch noch so etwas an? Das muss doch auffallen.“ Seine Kollegin stimmte ihm zu und meinte: „Vielleicht sollten wir uns mal in einschlägigen Kreisen umhören und uns ein wenig die Finger schmutzig machen. Wenn es sich hier um eine Gruppe Perverser handelt, die im Frühling und Herbst so einen Scheiß abziehen, muss da jemand etwas drüber wissen.“ „Du meinst, wir tauchen in den Rotlichtsumpf ab und unterhalten uns mit ein paar Individuen?“, hinterfragte Dave ihre Idee und bekam eine überraschende Antwort: „Nein, besser. Du wühlst im Dreck, du kannst dich als Interessent ausgeben und versuchen dadurch etwas rauszukriegen. Ich gehe einem anderen Geistesblitz nach.“ „Ach ja? Und welchem?“, erwiderte ihr Kollege neugierig. Geheimnisvoll beugte sich Sheryl zu ihm und flüsterte: „Was, wenn das Ganze nicht nur organisiert sondern auch ritualisiert ist? Wenn es sich um eine Art Sekte handelt?“ Dave schnaufte nachdenklich. Er schien mit der Idee nicht ganz zufrieden zu sein, sagte aber auch nichts dagegen.

Also gingen sie beide anschließend ihren Gedanken und Aufgaben nach.

Während sich Sheryl durch einschlägige Literatur wühlte und versuchte mit Leuten in Verbindung zu treten, die sich intensiv mit dem Sekten- Thema beschäftigt hatten, begab sich Dave an den Rand der Gesellschaft. Er fragte sich durch diverse Etablissements, stieß jedoch nur auf Unverständnis und Unglaube. Bis er schließlich einen alten Bekannten vor sich sitzen hatte.

Der Zuhälter nippte an seinem Bier und fragte dann neugierig: „Also Palmer, wenn du nicht hier bist um mich zu verhaften, was willst du stattdessen?“ „Ich recherchiere.“, antworte Dave knapp und rückte etwas näher bevor er leise erläuterte: „Ricky, ich suche nach jemandem, der sich mit ritualisiertem Sex auskennt.“ Verdutzt schaute ihn der Mann an und antwortete: „Oh man. Dein Ernst? Das muss ja ein beschissener Fall sein, den du da an der Backe hast.“ „Was meinst du damit?“, fiel Dave ihm ins Wort. Ricky erwiderte: „Ist das dein letzter Strohhalm, oder was?“ Dave schüttelte den Kopf, lehnte sich zurück und seufzte: „Nein, wir wissen nur nicht so richtig wo wir anfangen sollen zu suchen.“ Der Zuhälter beugte sich vor und flüsterte: „Dann lass erstmal ein paar Details hören, sonst kann ich dir nicht weiterhelfen.“ Etwas widerwillig erzählte Dave: „Es geht um die Entführung von Frauen und deren Vergewaltigung durch mehrere Männer. Mehr darf ich dir nicht sagen, nur dass es den Anschein einer präzisen Planung und irgendwie etwas Rituelles an sich hat. Hast du eine Idee, wer sich mit so was auskennen könnte?“ Ricky faltete die Hände vor seinem Gesicht und schien angestrengt zu überlegen. Grübelnd sagte er: „Hm, so richtig fällt mir da auf Anhieb keiner ein. Aber ich kann mich für dich ein wenig in der Szene umhören.“ „Welche Szene?“, wollte Dave skeptisch wissen. „Na die SM- Szene.“, erklärte Ricky genervt. Missmutig nickte Dave, stand auf, verabschiedete sich und meinte beim Hinausgehen noch: „Bitte erwähne niemals meinen Namen.“ Lächelnd antwortete Ricky: „Geht klar, Chef.“

Unterdessen wartete Sheryl ungeduldig im Eingangsbereich der Universität. Sie hatte einen Termin mit Ada Jenkins, einer Dozentin im Fachbereich Psychologie. Als Ada nun lächelnd auf sie zu kam, streckte ihr Sheryl schnell die Hand entgegen und bedankte sich: „Frau Jenkins, vielen Dank, dass das so schnell geklappt hat.“ Herzlich schüttelte Ada ihre Hand und antwortete freundlich: „Aber, das ist doch kein Problem. Der Polizei helfe ich doch gerne. Lassen Sie uns aber an einen ruhigeren Ort gehen, damit wir uns unterhalten können.“ Gemeinsam verließen sie das Gebäude und schlenderten Grübelnd durch den Park gleich neben der Uni. „Es ist ein wirklich merkwürdiger Fall, der mich da beschäftigt.“, erhob Sheryl das Wort. „Ich darf Ihnen nicht viel verraten, aber es geht um Entführungen mit anschließendem Missbrauch durch mehrere Täter. Sie gehen sehr organisiert vor und verwischen ihre Spuren extrem wirkungsvoll. Wir sind gerade noch ein wenig ratlos an welcher Stelle wir anfangen sollen zu suchen. Es fiel sogar schon das Wort Sekte.“ Ada blieb stehen und antwortete überrascht: „Sekte? Ich weiß nicht recht. Dafür fehlen mir die Informationen. Aber es muss ja auch nicht gleich eine Sekte sein, wenn es sich um organisiertes Verbrechen handelt. Geheimgruppierungen sind jetzt nicht mein Spezialgebiet aber für mich hört sich das nach einer extremen Form der Zwangsprostitution an. Die Täter erhalten einen Kick daraus ihr unschuldiges Opfer zu quälen. Ob Sie es glauben oder nicht, es gibt eine ganze Reihe Gruppen, die ziemlich krasse Sachen machen. Das reicht von Pillenpartys bis russisch Roulett mit Geschlechtskrankheiten. Sehr verrückt.“ Sie gingen weiter und Sheryl erzählte nun etwas ausführlicher: „Na ja, es gibt da noch eine Sache, die ich Ihnen vielleicht dazu sagen sollte. Es handelt sich mittlerweile um eine ganze Reihe an jungen Frauen, die diesen Verbrechern zum Opfer gefallen sind, und das über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Mir fiel dabei auf, dass alle entweder Anfang November oder Anfang Mai aufgefunden wurden und einige Zeit später tauchte bisher auch immer noch eine Leiche auf, die eindeutig diesen Tätern zugeordnet werden konnte.“. Wieder blieb Ada stehen und grübelte vernehmbar: „Also mehrere Überlebende und eine Tote und das kurz nach Beltane und Samhain. Das ist schon seltsam und könnte doch entweder auf eine Art Sekte hinweisen oder zumindest darauf, dass sie sich aus kultischen Gründen auf diese Daten festgelegt haben.“ „Wie meinen Sie das?“, hakte Sheryl nach. Ada sah sie an und erklärte: „Beltane und Samhain sind sogenannte Hexensabbate, wir kennen sie eher unter den Begriffen Walpurgisnacht und Halloween, die am Vorabend des jeweiligen Sabbats gefeiert werden. Es sind einprägsame Daten und weisen darauf hin, dass sich die Täter doch einer gewissen Ritualität hingeben oder sie es eben einfach nur an diesen Tagen machen, weil sie es für eine gute Idee halten, ein zusätzlicher Nervenkitzel um einen gewissen Kult darum zu erschaffen.“ Sie schwiegen kurz und hingen ihren Gedanken nach bevor Ada betreten eine gewichtige Frage stellte: „Nachdem wir es gerade Anfang Mai haben, sind etwa wieder Opfer aufgetaucht?“ Sheryl nickte traurig und flüsterte: „Nur die Leiche fehlt noch.“ Ada senkte ihren Blick auf den Boden. „Ich weiß nicht, ob ich Ihnen bei dem Fall wirklich helfen kann. Sie brauchen da vielleicht jemanden, der schon einmal direkt mit solchen Leuten zu tun hatte.“, sprach sie leise. „Kennen Sie denn jemanden?“, fragte Sheryl sogleich. Nachdem sie tief durchgeatmet hatte antwortete Ada zurückhaltend: „Eigentlich würde ich Ihnen diese Person nicht empfehlen, denn das Expertenwissen hält sich meines Erachtens nach in Grenzen und ist zu einseitig ausgeprägt. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass derjenige wirklich einmal in solch einer Organisation verwickelt war und aus Erfahrung spricht, auch wenn er nie wirklich Stellung dazu bezogen hat.“ „Jetzt bin ich aber neugierig.“, sagte Sheryl munter und war sichtlich überrascht als die Dozentin den Namen „Andrew Trevis“ fallen ließ. „Sie meinen den verschrobenen Millionär, der da alleine in diesem Mordhaus wohnt?“ „Genau den.“, antwortete Ada gefasst, fügte jedoch an: „Erwarten Sie aber nicht zu viel.“

Sie gingen zur Universitätsbibliothek wo sie Sheryl einen eindeutigen Literaturhinweis zeigte. Andrew Trevis hatte also tatsächlich ein Buch geschrieben, sogar ein Fachbuch, das allerdings sehr umstritten behandelt wurde. „Hat die Uni vielleicht eine Ausgabe, die ich mir leihen kann?“, fragte Sheryl vorsichtig doch Ada schüttelte den Kopf und erklärte: „Es gibt nicht viele Exemplare davon. Scheinbar hat es sich Herr Trevis beizeiten anders überlegt und den Verkauf gestoppt. Er ist bei uns auch nur aufgrund der Regionalität gelistet. Aber wie gesagt. Ich denke, er kann Ihnen mehr über die Hintergründe solcher Organisationen erzählen weil er Informationen aus erster Hand zu besitzen scheint.“

Sheryl bekam eine Kopie der Verzeichnisseite, bedankte sich aufrichtig und kehrte zur Wache zurück, wo sie von einem missmutigen Dave empfangen wurde. „Na das war ja eine schöne Pleite.“, beschwerte sich dieser gleich als seine Kollegin zu ihm an den Tisch trat. „Nicht nur dass die jetzt alle denken ich wäre pervers, nein, nun übernimmt auch noch ein stadtbekannter Zuhälter einen Teil der Ermittlungen. Danke Sheryl, dass ich mich einmal mehr mit diesem Abschaum abgeben durfte.“, wetterte er weiter, doch sein Grinsen verriet, dass er es nicht so hart meinte wie es klang. Sheryl lächelte, holte einen Zettel aus ihrer Tasche hervor und breitete diesen vor Dave aus. „Ich habe da jemanden gefunden, der uns vielleicht mehr über die Täter erzählen kann.“, erläuterte sie dazu, nahm einen Textmarker und kreiste den Namen Andrew Trevis auf der Kopie des Literaturverzeichnisses ein. Fassungslos starrte Dave darauf und sprach leise: „Ernsthaft? Der?“ Sie nickte. Anschließend wühlte er in einer Schublade seines Schreibtisches, holte ein Taschenbuch hervor, blätterte auf die erste Seite und tippte mit dem Finger auf den Verlag. Dort stand AT- Media. „Rate wofür AT steht.“, sagte er gleichzeitig. Sheryl zog ihm sofort das Buch unter dem Finger weg und betrachtete sich den Einband. Lachend hänselte sie jetzt ihren Kollegen: „Wirklich? Du liest solche Schundromane? Schämst du dich denn gar nicht?“ „Wieso Schund?“, ereiferte sich Dave und erklärte leicht errötend: „Das sind nicht allzu anspruchsvolle erotische Romane. Dabei kann ich gut abschalten.“ Sheryl ließ sich auf einen Stuhl fallen, rieb sich kurz über die Stirn und meinte schließlich sarkastisch: „Also jetzt will ich diesen Typen unbedingt kennenlernen.“

5

 

Sie hatten tatsächlich einen Termin mit einem der reichsten Männer der Gegend und befanden sich gerade auf dem Weg zu seinem Anwesen. Schon der Gedanke an dieses Haus ließ Sheryl einen kalten Schauer über den Rücken laufen, wenngleich sie ihre Neugier kaum verbergen konnte. Eine düstere Geschichte rankte sich um die Villa, die mitten auf einer Waldlichtung stand und den bedrohlichen Namen Devil’s Mansion trug. Kurz nachdem das stattliche Herrenhaus fertig gebaut worden und der ursprüngliche Eigentümer eingezogen war, kam es zu einem tragischen Zwischenfall. Seine Firma ging pleite, der Kredit wuchs ihm über den Kopf, seine Frau drohte mit Auszug, wollte auch die Kinder mitnehmen. Und so folgte eines dem anderen. In einem Anfall aus Wut und Verzweiflung hinderte er gewaltsam seine Familie daran das Haus zu verlassen. Er erschoss seine Frau und die Kinder und erhängte sich anschließend mitten in der Eingangshalle.

Viele Jahre lang stand das Anwesen unberührt da, verwahrloste und obwohl die Bank den Kaufpreis immer mehr senkte, schien sich keiner damit belasten zu wollen. Bis Andrew Trevis plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte und das gesamte Grundstück für einen unschlagbaren Preis erwarb.

Auf dem schmalen Weg, der sich quer durch den Wald bahnte, kamen sie Devil’s Mansion langsam näher. Vor ihnen öffnete sich dann eine Lichtung und gewährte einen ersten Blick auf das großzügige Haupthaus mit dem angrenzenden kleineren Nebengebäude.

Umgehend zwinkerte Sheryl ihrem Kollegen zu und sagte schmunzelnd: „Hätte nicht gedacht, dass man mit Schundromanen so viel Geld verdienen kann.“ Geplättet starrte Dave auf das gut gepflegte Grundstück und stimmte ihr überrascht und skeptisch zugleich zu. Vor dem geschlossenen Eingangstor, auf welchem in großen Lettern „Devil’s Mansion“ geschrieben stand, hielten sie an. „Siehst du irgendwo eine Klingel?“, fragte Sheryl nun und musterte aufmerksam den Rahmen der Konstruktion aus Stein und Stahl. Dave legte den Leerlauf ein, ließ den Motor weitertuckern und stieg aus. An der rechten Mauerseite hatte er etwas entdeckt. Kurzerhand folgte ihm seine Kollegin nach. Beide musterten sie dann den kupfernen Teufelskopf, der an der Mauer prangte und ihnen die gespaltene Zunge herausstreckte. „Wie geschmackvoll.“, murmelte Sheryl zynisch. Dave drückte mutig auf das dritte Auge mitten auf der Stirn des Kopfes und beide ließen sie ihren Blick sofort dem surrenden Geräusch folgen, welches umgehend ertönte. Die auf dem Mauerkopf befestigte Kamera drehte sich in ihre Richtung. Jetzt begrüßte sie eine raue Stimme aus einem kleinen Kästchen neben dem bizarren Klingelknopf: „Guten Tag die Herrschaften, wie kann ich Ihnen weiterhelfen?“ Dave erwiderte höflich: „Wir sind von der Kriminalpolizei und haben einen Termin bei Herrn Trevis.“ Sheryl kramte ihre Dienstmarke aus der Tasche hervor und hielt sie der Kamera entgegen. Ein kräftiges Summen kündigte das Öffnen des Tores an, wessen gitterartige Flügel nun langsam aufschwangen.

Schnell eilten sie in ihren Wagen zurück und fuhren anschließend im Schritttempo auf das Grundstück. Unter den Rädern knirschte der Kies. Auf der Treppe vor dem Haupteingang erschien nun ein adrett gekleideter älterer Herr, der auf sie zu warten schien. Fast schon behutsam umfuhr Dave das kleine Rondell vor dem Haus und hielt direkt vor den Stufen an. Wenige Meter weiter vorn parkte eine schwarze, auf Hochglanz polierte Limousine und der kleine Springbrunnen mitten in der kreisrunden Rabatte sprudelte vergnügt Wasser in die Luft.

Aufmerksam öffnete der Herr Sheryls Tür und reichte ihr die Hand zum Aussteigen. Irritiert ließ sie sich diese Behandlung gefallen während sich Dave ein Grinsen nicht mehr verkneifen konnte. „Bitte folgen Sie mir in den Salon. Mister Trevis wird in wenigen Minuten Zeit für Sie haben.“, erklärte der Butler freundlich, ging vor den beiden Polizisten her um ihnen die Türen zu öffnen und führte sie anschließend in ein geräumiges Zimmer voller Bücherregale und ausgestattet mit einem Kamin. Neben einem wuchtigen Schreibtisch mit passender Sitzmöglichkeit, ein paar alten Holzstühlen und zwei gemütlich wirkenden Sesseln bot der Raum noch einen grandiosen Ausblick durch ein riesiges Fenster in den Garten. Auf die zwei Sessel zeigend sprach der Butler nun weiter: „Machen Sie es sich bitte bequem, es kann noch einen Augenblick dauern. Möchten Sie in der Zwischenzeit vielleicht etwas trinken?“ Von der Größe des Anwesens und den vielen neuen Eindrücken etwas überrollt, schüttelte Sheryl den Kopf. Auch Dave brachte nur ein „Nein danke, für mich nichts.“ hervor. Mit den Worten: „Ich sage jetzt Mister Trevis Bescheid dass Sie da sind.“, verließ der Herr den Raum und schloss hinter sich die Tür. Die zwei Polizisten blieben zurück und wieder konnte sich Sheryl eine sarkastische Aussage nicht verkneifen: „Der Salon, Wahnsinn!“ Kichernd begab sich Dave zu den Bücherregalen und begann zu stöbern während sie ihre Hand über den polierten Holztisch gleiten ließ und murmelte: „Das ist bestimmt Tropenholz.“ „Neidisch?“, fragte Dave amüsiert und bekam eine abfällige Antwort: „Nein, beim besten Willen nicht. Das ist mir alles viel zu protzig.“ Dann ging sie zu einem anderen Bücherregal und betrachtete sich aufmerksam die Einbände. Ein paar der Exemplare schienen wirklich alt zu sein und sie kannte kaum einen der Autoren. Offensichtlich hatte sich der Eigentümer auf sehr spezielle Literatur fixiert und sammelte nicht gerade die Werke der großen Dichter und Denker aus vergangenen Jahrhunderten.

Eigentlich wartete sie jetzt nur noch darauf, dass gleich ein alter vergilbter Knilch, der sonst nichts Besseres mit seiner Zeit anzufangen wusste als kitschige Liebesromane zu vertreiben, in Morgenmantel, mit Gehstock und einem Glas Brandy in der Hand den Raum betreten würde. Ein Schmunzeln machte sich auf ihrem Gesicht breit und voller Spannung ob sich ihre Erwartungen bestätigen würden, richtete sich ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die sich öffnende Tür.

Der Butler kam herein, gefolgt von einem großgewachsenen Mann mittleren Alters in einem offensichtlich maßgeschneiderten, schwarzen Anzug. Seine langen schwarzen Haare trug er als Zopf nach hinten gebunden und sein extrem blasser Teint ließ Sheryl sogleich ein Bild von Dracula durch den Kopf schießen. Schnell schluckte sie das Lachen herunter, das dieser Gedanke mit sich brachte, als der stechende Blick seiner eisblauen Augen sie traf. Höflich kam er dann einen Schritt näher und hielt ihr seine offene Handfläche entgegen. Jetzt fielen ihr erst richtig seine schwarz lackierten Fingernägel und die massiven, silbergrauen Ringe auf. Sheryl legte zögerlich ihre Hand auf seine, woraufhin er sie leicht mit seinen Fingern umschloss und einen Kuss auf ihren Handrücken hauchte. „Guten Tag die Dame.“, sagte er daraufhin leise, wand sich anschließend Dave zu und begrüßte diesen mit einem kräftigen regulären Handschlag und den Worten: „Der Herr?“ Dann trat er wieder einen Schritt zurück und fragte: „Sie sind also von der Polizei? Was genau führt Sie denn zu mir?“

„Wir sind wegen Ihres Buches hier.“, antwortete Sheryl während sich Dave wieder dem Regal widmete. „Da müssen Sie schon etwas genauer werden.“, erwiderte Trevis schmunzelnd und warf einen Blick auf seine Sammlung. Sheryl lächelte jetzt ebenfalls und erklärte näher: „Nein, nicht wegen eines Buches aus Ihrer Sammlung oder das Sie über Ihren Verlag vertreiben. Es geht um das, das Sie selbst geschrieben haben.“ Sein Schmunzeln verzog sich zu einem fragenden Ausdruck und er hakte nach: „Ach tatsächlich? Wie kommen Sie denn darauf?“ „Ich habe es im Literaturverzeichnis der Universität gefunden und es beschäftigt sich mit einem Thema, das uns derzeit sehr am Herzen liegt.“, antwortete sie bereitwillig. Er schien kurz zu überlegen ob er Ihnen wirklich Zugriff auf dieses Werk geben sollte, entschied sich dann aber doch dafür. Mit einem Griff hatte er es aus dem Regal gezogen und legte es ohne ein Wort auf den Tisch. Seine Hand auf dem Einband ruhen lassend, sah er dann Sheryl direkt an und sprach: „Sie können sich vorstellen, dass ich dieses Buch nicht wirklich aus den Augen lassen möchte. Es gibt nur sehr wenige Exemplare von meinem Ausflug in die Fachliteratur, welcher, das muss ich leider offen zugeben, ziemlich daneben gegangen ist.“ „Wir haben nicht vor es jemandem zu zeigen. Wir möchten nur gern mit Ihnen über den Inhalt reden, da uns das eventuell bei einem Fall weiterhelfen könnte.“, beschwichtigte Sheryl seine Skepsis. Er wirkte ein wenig überrascht, ging dann zu einem kleinen Schränkchen, das sich als Minibar entpuppte, nahm eine Flasche Scotch heraus und hielt sie den zwei Polizisten entgegen. „Wollen Sie auch ein Gläschen?“, bot er daraufhin an. Irritiert schaute Sheryl auf die Uhr, es war gerade zehn am Morgen. Sie schüttelte den Kopf und auch Dave lehnte dankend ab. Also goss er nur sich selbst ein großes Glas des starken Getränks ein und gönnte sich einen kräftigen Zug. Mit der Flasche in der einen und dem Glas in der anderen Hand ging er nun um den Schreibtisch herum, ließ sich auf einen Stuhl fallen, nahm Sheryl ins Visier und sagte fordernd: „Also gut. Erleuchten Sie mich über Ihren Fall, dann kann ich Ihnen auch sagen ob ich etwas zur Aufklärung beitragen kann oder nicht.“

Während er dabei war sich einen weiteren Schluck zu gönnen, konterte Sheryl trocken: „Sie waren mal in einer Sekte, richtig?“ Anhand seines leichten Verschluckens ahnte sie, dass sie einen Treffer gelandet hatte. Aber auch Dave wirkte sehr verwundert, da er bisher nichts von dieser Theorie wusste. Herr Trevis stellte das Glas ab, lehnte sich zurück und fragte mit einem leicht überlegenen Lächeln im Gesicht: „Woher haben Sie denn diese fixe Idee?“ „Von einer Bekannten, die sich scheinbar ausführlicher mit Ihren geistigen Ergüssen auseinandergesetzt hat.“, antwortete Sheryl lauernd, kam näher zum Schreibtisch und tippte mit dem Finger auf das Buch. Jetzt lächelte er breiter und erwiderte gelassen: „Lassen Sie mich raten, Ada Jenkins? Die versucht mir schon seit Jahren dieses Gerücht anzuhängen nur weil sie glaubt ihre Interpretation meiner, wie Sie es nennen geistigen Ergüsse, sei richtig.“ „Und? Ist es denn so?“, stocherte Sheryl weiter. Er faltete seine Hände und schien ernsthaft zu grübeln wie er sich jetzt am besten ausdrücken sollte. Die neugierigen Blicke der Polizisten hafteten auf ihm. Und dann antwortete er auf eine Weise, die Sheryl nicht erwartet hatte: „Ich muss leider zugeben, dass Adas Vermutung näher an der Wahrheit liegt als mir das lieb ist.“ Innerlich konnte sich Sheryl ein Jubilieren nicht verkneifen, wirkte äußerlich aber weiterhin sehr gefasst. Dieser Typ war unheimlich und faszinierend zugleich und sie bekam das Gefühl mehr erfahren zu müssen. Aber sie durfte das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Also holte sie sich jetzt einen Stuhl und setzte sich Herrn Trevis gegenüber an den Schreibtisch, der sie aufmerksam dabei beobachtete. Dave kam nun ebenfalls näher und postierte sich ans Regal gelehnt schräg hinter ihr. Was würde der Kerl zu sagen haben? Konnte er ihnen vielleicht doch irgendwie weiterhelfen? „Ich gewähre Ihnen jetzt einen kleinen Einblick in unsere Ermittlungen, unter der Voraussetzung, dass Sie diese Unterhaltung streng vertraulich behandeln.“, begann Sheryl das Gespräch ohne seinem durchbohrenden Blicken auszuweichen. Sich leicht nach vorn lehnend bestätigte Trevis: „Selbstverständlich bewahre ich Stillschweigen gegenüber Dritten.“ Nach einer bedeutungsvollen Pause, in der sie sich gegenseitig anstarrten, begann Sheryl nun mit ihren Ausführungen: „Gut, seit mehreren Jahren werden immer im Frühjahr und im Herbst eine wachsende Anzahl an Frauen entführt. Nachdem sie missbraucht und jeweils eine von ihnen getötet wurde, setzt man sie irgendwo im Land wieder aus und überlässt sie sich selbst. Sie alle können nichts über ihre Peiniger erzählen, tragen nichts am Leib als einen billigen Bademantel und sowohl ihre Herkunftsorte als auch die Orte an denen sie wieder ausgesetzt werden, scheinen vollkommen willkürlich zu sein. Was sagen Sie dazu?“ Trevis rieb sich mit der Hand über die Stirn und sagte dann teilnahmsvoll: „Das ist ja furchtbar. Und bisher fehlt Ihnen jede Spur?“ „Ja.“, antwortete Sheryl und erklärte weiter: „Wir sind gerade erst darauf gestoßen, dass das überall im Land zu passieren scheint und wollen jede Möglichkeit in Betracht ziehen, auch die, dass es sich um die Machenschaften einer Art Sekte handeln könnte.“ Herr Trevis stand auf, füllte sein Glas nach, trank einen Schluck und ging dann nachdenklich durch das Zimmer während ihm die Blicke der Polizisten unentwegt folgten. Am anderen Ende des Raums blieb er dann stehen, drehte sich zu ihnen um und sprach: „Okay. Ich vermute die Zeiträume, an denen die Opfer missbraucht werden, liegen um Samhain und Beltane herum. Wenn es sich wirklich um eine Sekte handelt, die in diesem Fall wahnsinnig gut organisiert sein muss, könnte es sich daher um rituellen Missbrauch handeln, eine Bündelung sexueller Energie für einen größeren Zweck. Nur welcher?“ „Gibt oder gab es denn Sekten, die solche Rituale schon verwendet haben?“, hakte Dave nach und Trevis antwortete umgehend: „Ja. Vor allem in satanistischen Kreisen und der schwarzen Magie bedient man sich solcher Opferungen. Mir ist jetzt kein realer Fall bekannt, da solche Geschichten gern als Humbug abgetan oder unter den Teppich gekehrt werden. Aber wenn man den Ausführungen einschlägiger Literatur Glauben schenkt, kann man mit dieser Art der Energieübertragung sein eigenes Leben optimieren, verlängern oder sogar seine Persönlichkeit auf ein Ungeborenes übertragen. Für letzteres muss man sich jedoch selbst dabei opfern. In jedem dieser Fälle gibt es immer einen Geber, entweder freiwillig oder auch unfreiwillig, und einen Empfänger.“ „Wissen Sie denn aus Ihrer Erfahrung heraus, ob es derzeit aktive Sekten dieser Art gibt?“, wollte Sheryl nun weiter wissen. Herr Trevis ging langsam auf sie zu, ließ sie dabei nicht aus den Augen und antwortete dann leise und ausführlich: „Weltweit gesehen gibt es nur wenige offizielle oder bekannte Sekten dieser Art, aber die Dunkelziffer liegt viel höher. Das Problem ist einfach die Verschwiegenheit der Mitglieder und ihr Agieren in vollkommener Anonymität. Teilweise wissen die Mitglieder nicht einmal wie ihre anderen Mitstreiter aussehen. Alles passiert hinter verschlossenen Türen, Neuanwärter müssen Jahre aufbringen und unbedingte Loyalität beweisen um in innere Kreise vorzudringen. Es ist also fast unmöglich von Außen einen Blick hinter die Kulissen oder in die wahren Machenschaften zu erhaschen. Wer weiß, vielleicht sind Sie ja selbst eine von denen. Oder vielleicht auch ich? Kennen Sie Ihren Nachbarn?“ Dicht vor ihr war Trevis stehen geblieben und durchbohrte Sheryl mit seinem eisblauen Blick. Ihr lief es eiskalt den Rücken hinunter und der Kloß in ihrem Hals hinderte sie an einer Antwort. Glücklicherweise unterbrach Dave jetzt die angespannte Situation: „Gibt es vielleicht eine Organisation, von der Sie wissen, dass sie hier in England besonders aktiv ist?“ Herr Trevis machte einen Schritt zurück, nippte erneut an seinem Glas und antwortete dann ruhig: „Auf Anhieb fällt mir zwar die eine oder andere Sekte ein, die hier ihr Unwesen treibt, aber die, nach der Sie suchen, dürfte kaum dazugehören. Diese Organisation steht in keinem Verzeichnis und hat womöglich nicht einmal einen richtigen Namen. Die einzige Möglichkeit mit denen in Kontakt zu treten, ist ein aktives Mitglied zu erwischen.“ Inzwischen hatte sich Sheryl wieder gefangen und hinterfragte nun kritisch: „Sie meinen also, dass wir hier nach der Nadel im Heuhaufen suchen? Wir müssen demzufolge abwarten bis uns zufällig einer von denen über den Weg läuft und sich zu erkennen gibt?“ Herr Trevis setzte sich wieder an seinen Schreibtisch, atmete tief durch und sagte dann mit bedauerndem Unterton: „Ja, es wird wohl leider keinen direkten Weg zu diesen Leuten geben.“ Enttäuscht sprang Sheryl nun auf, schlug mit der Hand auf den Tisch und erwiderte leicht aufbrausend: „Da draußen liegt irgendwo noch eine Leiche und in wenigen Monaten wird es wieder fünf oder mehr Entführungen und eine weitere Tote geben. Wir haben also keine Zeit einfach abzuwarten um zu sehen was passiert!“ Offensichtlich irritiert beäugte Herr Trevis die Polizistin und Dave legte eine Hand auf ihre Schulter. Sofort wurde sich Sheryl darüber bewusst, dass sie ein wenig überreagiert hatte und entschuldigte sich: „Tut mir leid. Das war nicht gegen Sie gerichtet. Ich hatte mir nur leider etwas mehr von diesem Gespräch erhofft.“ Verständnisvoll erwiderte Herr Trevis: „Ich kann Ihre Beweggründe verstehen und es tut mir sehr leid, dass ich gerade keine größere Hilfe bin. Aber wenn Sie möchten, versuche ich Kontakt in alte Kreise aufzunehmen und ein wenig mehr in Erfahrung zu bringen.“ „Das wäre sehr freundlich.“, stimmte Sheryl seinem Vorhaben zu und rang sich ein Lächeln ab. „Dann wollen wir Sie jetzt mal nicht weiter belästigen.“, brach Dave nun das unangenehme Schweigen und machte einen Schritt in Richtung Tür. Schnell erhob sich Herr Trevis von seinem Platz und bot höflich an: „Ich bringe Sie noch zu Ihrem Wagen.“ Daraufhin hielt er beiden die Tür auf und sprach Sheryl im Vorbeigehen an: „Wenn ich etwas herausgefunden habe, wie kann ich Sie erreichen?“ Dave schmunzelte sogleich, hatte er doch sofort verstanden worauf der Kerl hinaus wollte. Aber Sheryl blieb stehen, kramte nur eine Visitenkarte aus ihrer Tasche hervor, drückte sie Trevis in die Hand und antwortete kühl: „Rufen Sie einfach auf der Wache an.“ Lächelnd sah er ihr daraufhin in die Augen und meinte: „Ich mag Ihr Temperament.“ Dann führte er sie zu ihrem Auto und schaute noch hinterher wie es davon fuhr.

Sein Lächeln verfinsterte sich jedoch ein wenig als er zurück ins Haus ging und nach Simon rief. Sofort eilte der Butler herbei und Andrew wies ihn an: „Schick doch bitte eine nette Einladung zu Händen von Sheryl Sneider auf die Polizeiwache. Ich möchte gern am Samstag mit ihr Essen gehen.“ Doch Simon stand dieser Idee eher skeptisch gegenüber und äußerte sogleich seine Zweifel: „Denken Sie wirklich, dass das eine gute Idee ist sich mit der Polizei einzulassen?“ „Ach was! Die haben doch nicht die leiseste Ahnung was hier gespielt wird. Außerdem kann ich ihr so noch ein wenig auf den Zahn fühlen und irgendwie mag ich die Kleine auch, sie hat Feuer. Das gefällt mir.“, erwiderte Andrew abwinkend und ließ somit keine weiteren Äußerungen gegen diesen Plan zu. Stillschweigend aber wenig begeistert kam Simon also der Aufforderung nach. Unterdessen stichelte Dave seine Kollegin auf dem Rückweg an: „Scheint als hätte der Typ was für dich übrig. Da kommt bestimmt noch was.“ „Bloß nicht!“, ereiferte sich Sheryl und sprach weiter: „Der ist schon ein bisschen unheimlich, findest du nicht?“ Dave nickte und stimmte zu: „Ja, ich glaube, der hat nicht alle Tassen im Schrank. Aber vielleicht hat er ja doch noch ein paar Kontakte, die uns zu den Tätern führen könnten. Wir sollten ihn also nicht ganz abschreiben. Nur meine Meinung.“ Nach ein paar Minuten verschwiegener Fahrt sprach er dann weiter: „Was denkst du sollten wir jetzt machen?“ Sheryl atmete tief durch und antwortete anschließend entschieden: „Ich denke, wir sollten jetzt erst einmal nach einer Leiche suchen.“

6

 

Auf der Wache angekommen, lief Sheryl direkt zu ihrem Computer und öffnete die Datenbank. Neugierig folgte Dave ihrem Beispiel. Beide suchten sie nun nach Vermissten, die genau auf das Profil der Gesuchten passten. Es musste sich um eine junge Frau handeln, die vor etwa zwei Wochen verschwunden war. Und tatsächlich gab es da eine. Dave landete den Treffer und rief seine Kollegin gleich aufgeregt zu sich. Beide lasen sie aufmerksam den Eintrag in der Akte. „Die ist sogar hier aus der Gegend.“, murmelte Dave. „Wer hat sie als vermisst gemeldet?“, bohrte Sheryl noch ein wenig tiefer. Die Antwort fand sich weiter unten. „Eine Freundin von ihr.“, bemerkte ihr Kollege. Jetzt sahen sie sich an, Sheryl lächelte und sprach aus, was sie beide dachten: „Na da haben wir doch gleich noch jemanden zum Befragen.“ „Aber vorher schicke ich das Bild von ihr mit einer Rundmail an alle Dienststellen, die sich mit Kriminalfällen beschäftigen, damit die sich gleich bei uns melden wenn sie auftauchen sollte.“, schlug Dave noch vor und machte sich auch sofort ans Werk. Von der Idee begeistert, half Sheryl ihm die Adressen herauszusuchen und die Nachricht zu schreiben.

Danach fuhren sie beschwingt und voll neuen Mutes zu der Freundin der Vermissten und klopften an die Tür. Vorsichtig öffnete eine junge Frau und äugte durch den Spalt. „Wer sind Sie und was wollen Sie?“, fragte sie misstrauisch. Sofort holten beide ihre Ausweise heraus und hielten sie vor den Türspalt. Dazu erklärte Sheryl: „Wir sind von der Kriminalpolizei und möchten Sie gern noch ein wenig zu ihrer vermissten Freundin befragen. Geht das in Ordnung? Haben Sie einen Moment Zeit für uns?“ Ein wenig gelöster öffnete die Frau nun die Tür etwas weiter und ließ die beiden Polizisten eintreten. Auf dem Weg ins Wohnzimmer fragte sie: „Ich hab mir gerade Kaffee gemacht, wollen Sie auch einen?“ „Ja gerne.“, antworteten beide synchron und mussten lachen.

Kurz darauf saßen sie alle zusammen am Couchtisch und unterhielten sich. „Wann haben Sie Brooke das letzte Mal gesehen?“ „Als wir zusammen mit unseren Kollegen einen Trinken waren. Das machen wir jeden zweiten Freitag. Wir sind anschließend noch in die Disco gegangen um uns etwas auszutoben und da habe ich sie dann aus den Augen verloren.“ Sie schniefte und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht bevor sie weiter sprach: „Sie wollte sich doch nur noch einen Drink von der Bar holen. Ich hätte sie begleiten sollten aber stattdessen musste ich ja unbedingt mit diesem Kerl flirten. Und jetzt ist sie weg.“ Sheryl versuchte die junge Frau zu beruhigen: „Bitte machen Sie sich keine Vorwürfe. Damit konnten Sie ja nicht rechnen.“ „Aber was, wenn ihr etwas Schreckliches zugestoßen ist?“, schluchzte sie jetzt lauter, stellte ihre Tasse auf den Tisch und nahm sich ein Taschentuch. „Noch ist alles offen.“, sagte Dave ruhig und warf Sheryl einen missmutigen Blick zu. Die fragte jetzt weiter: „Wissen Sie ob Brooke irgendwelche Feinde hatte, Neider oder vielleicht einen Stalker?“ „Niemals! Sie ist so ein lieber Mensch, wir alle mögen sie und hoffen, dass sie bald wieder auftaucht.“, antwortete sie mit leicht zitternder Stimme und schnäuzte noch einmal in das Taschentuch. „Hat sie an dem Abend mit jemandem gesprochen oder vielleicht auch geflirtet?“, wollte Dave nun wissen. Sie sah ihn an und grübelte ernsthaft darüber nach. Dann antwortete sie ausführlich: „Wenn ich mich recht entsinne hat sie zwar schon beim Tanzen geflirtet, der Typ ist ihr aber nicht zur Bar gefolgt und hat mich dann später auch noch gefragt, wo denn meine nette Freundin hin sei. Da war mir erst richtig bewusst geworden, dass ich sie bestimmt eine Stunde lang nicht gesehen hatte. Die Zeit vergeht manchmal so schnell wenn man sich amüsiert. Und dann bin ich sie suchen gegangen, bin raus und habe sie mehrfach angerufen aber alles ohne Erfolg. Als ich dann daheim angekommen war, habe ich mir eingeredet, dass sie bestimmt nur jemanden getroffen und die Zeit verbummelt hat. Aber auch am nächsten Tag konnte ich kein Lebenszeichen von ihr bekommen, keiner hatte sie gesehen, mit ihren Eltern hatte sie auch nicht telefoniert, was sie sonst jeden Samstag macht. Und da habe ich angefangen mir richtig Sorgen zu machen und bin zur Polizei gegangen.“ Einen Moment lang saßen sie nur da und schwiegen sich an. Dann stand Sheryl auf und sprach: „Ich glaube, wir sollten als nächstes der Disco einen Besuch abstatten. Haben Sie erst einmal vielen Dank für Ihre Geduld und melden Sie sich unbedingt, wenn Ihnen noch etwas einfällt.“ Die junge Frau schniefte wieder und verabschiedete die beiden Polizisten an der Tür.

Etwas enttäuscht machten die sich daraufhin auf den Weg zu dem Club. Vielleicht konnten sie hier mehr herausfinden. Irgendjemand musste doch etwas gesehen haben.

Um diese Uhrzeit war die Disco komplett leer, doch die Tür stand offen und so traten sie ein. Drinnen schraubte einer an einem Lautsprecher herum und erschrak ein wenig als sich die Polizisten näherten. „Wir haben noch zu!“, motzte er sie gleich an. „Wir sind von der Polizei und haben ein paar Fragen wegen einer Vermissten.“, erwiderte Dave gelassen. Sie warteten bis der Mann von der Leiter heruntergestiegen war und ihnen seine Aufmerksamkeit widmete. Sheryl zog ein Foto aus ihrer Tasche und zeigte es dem Mann mit den Worten: „Kennen Sie sie?“ Intensiv betrachtete er sich das Bild, schüttelte dann aber den Kopf und antwortete: „Wissen Sie wie viele junge Frauen am Wochenende hier sind? Da kann man sich nicht jedes Gesicht einprägen. Außerdem bin ich für die Technik zuständig und habe mit den Gästen eher wenig zu tun. Vielleicht sollten Sie die Türsteher fragen, die sind näher am Geschehen.“ „Haben Sie da ein paar Namen für uns?“, hakte Dave weiter nach und holte einen Notizblock hervor. „Wir mieten die von einer Agentur. Die dürften Ihnen ganz genau sagen können wer wann hier gearbeitet hat.“, erklärte der Mann und schrieb den Namen der Firma auf den Block. Sie bedankten sich für die Auskunft und während sie hinaus gingen, widmete sich der Techniker wieder fluchend dem Lautsprecher.

Im Auto sitzend warf Sheryl einen Blick auf die Uhr, rieb sich dann die Stirn, gähnte und meinte: „Oh man, wir sollten für heute Schluss machen. Ich hab keine Lust mehr auf enttäuschende Treffen mit Leuten, die rein gar nichts wissen. Und außerdem kriege ich langsam Kopfschmerzen.“ Dave klopfte ihr daraufhin auf die Schulter und antwortete grinsend: „Der beste Vorschlag, den ich heute von dir gehört habe.“

Am nächsten Morgen kam Sheryl etwas später zum Dienst. Sie hatte sich die gesamte Nacht mit fürchterlichen Kopfschmerzen um die Ohren geschlagen und sah furchtbar aus. Doch Dave konnte sie mit den Neuigkeiten nicht verschonen, ließ sie sich setzen und gesellte sich dann mit ernster Miene an ihren Schreibtisch. Als er das Bild des ermordeten Mädchens vor sie hin legte, schloss Sheryl für einen Moment die Augen. Sie wollte es eigentlich gar nicht sehen. Betroffen erklärte ihr Kollege dazu: „Das ist letzte Nacht rein gekommen, eine Reaktion auf unsere Rundmail. Man hat sie gestern früh nördlich von London gefunden und mittlerweile als unsere Vermisste identifiziert.“ Betreten starrte Sheryl jetzt auf das Bild. Nur das Gesicht der jungen Frau war abgebildet, doch das reichte auch schon. Man sah ihr deutlich an, dass sie beinahe zwei Wochen irgendwo hinter einer Hecke gelegen hatte. Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend fragte sie dann: „Und wo ist sie jetzt?“ „In der Londoner Gerichtsmedizin. Wir dürfen zur Obduktion vorbei kommen, wenn wir das wollen.“, antwortete Dave leise. Sheryl nickte.

Also fuhren sie nach London. Beim Anblick der Leiche musste Sheryl würgen. Die letzte Nacht steckte ihr noch in den Knochen und dann kam dieses schreckliche Bild  dazu, auf das sie gerne verzichtet hätte. Aber auch Dave hatte sehr mit sich zu kämpfen und konnte nur schwerlich den Ausführungen des Pathologen folgen. „Wie sie an diesen Druckstellen sehen können, wurde sie ziemlich brutal erwürgt, was höchstwahrscheinlich auch der Todesursache entspricht.“, erklärte der Mann und zeigte auf den schwer lädierten Bereich ihres Halses. Sheryl musste sich zwingen hinzusehen. Sonst war sie eigentlich nicht so empfindlich aber heute machte ihr das ziemliche Schwierigkeiten. Aus sicherer Entfernung fragte sie dann: „Und was sind das für Striemen in ihrem Gesicht?“ „Das haben sie gut beobachtet.“, antwortete der Mediziner nickend und führte weiter aus: „Wir hatten zunächst vermutet, dass es sich um die Kratzspuren eines Tieres handelt. Das erschien uns dann aber unlogisch, denn wo soll dieses Tier her kommen und warum sie nur ein Mal im Gesicht kratzen? Außerdem sind die Wunden sehr präzise, als hätte man sie mit einem Messer eingeschnitten und in einem Abstand, der dem menschlicher Finger entspricht, wenn man von einer durchschnittlich großen Männerhand ausgeht. Und als wir uns das alles etwas genauer ansahen, bemerkten wir, dass auch an ihrem Hals solche Einschnitte zu finden sind, kürzer aber wesentlich tiefer. Der, der sie also erwürgt hat, hat ihr womöglich auch diese Schnitte im Gesicht zugefügt.“ „Und wie?“, hakte Dave interessiert nach. Der Rechtsmediziner ging um die Leiche herum und sprach weiter: „Mein Sohn hat zum Beispiel einen Ring, der wie eine Kralle auf dem oberen Ende des Fingers sitzt. Wenn man solch einen Ring anschleift, könnte dieser durchaus als Waffe benutzt werden.“ Jetzt wurde Sheryl neugierig und fragte offen heraus: „Wozu hat ihr Sohn solch einen Ring?“ Daraufhin sah der Mann sie direkt an und antwortete resigniert: „Wenn man ein Freund von düsterer Musik ist, sich nur schwarze Klamotten anzieht und sich Nachts auf Friedhöfen herumtreibt, gehört Schmuck dieser Art wohl zum Komplettbild dazu. Er gehört zur Gothic- Szene.“ Zu sich selbst murmelte er dann: „Oder war es Grufti?“ Den Blick wieder auf die Leiche gerichtet redete er dann lauter weiter: „Unsere junge Dame hier wurde vor etwa zwei Wochen getötet und dann einfach im Nirgendwo entsorgt. Der Täter hat sich zwar keine große Mühe damit gemacht sie zu verstecken, dafür aber auch keine handfesten Spuren hinterlassen. Wir haben sie wirklich gründlich untersucht aber weder Dreck oder sonstiges unter ihren Fingernägeln noch das kleinste Haar gefunden, das nicht zu ihr oder einem streunendem Tier gehört. Es scheint fast so als hätte man sie nach der Tat sogar gereinigt, dann in einen Bademantel gesteckt und weggebracht. Wenn es nicht so abstoßend wäre, könnte man es direkt als clever bezeichnen.“ Sheryl hatte genug gesehen und gehört und auch Dave wollte nicht unbedingt länger als nötig hier bleiben. Also sprachen sie nur noch ab, dass eine Kopie des Gutachtens an Sheryl gehen würde und verabschiedeten sich anschließend höflich.

Die Rückfahrt war ausgesprochen schweigsam. Beide hingen sie tiefsinnig ihren Gedanken nach und versuchten das Gesehene zu verarbeiten. In bedrückter Stimmung betraten sie später wieder die Dienststelle und gingen jeder zu seinem Platz. Sheryl konnte sich nicht vorstellen wie jemand fähig war so etwas zu tun. Bei dem Versuch die Informationen zu ordnen, wurde sie aber jäh unterbrochen. Ein Mitarbeiter der Poststelle legte ihr einen Brief auf den Schreibtisch, der sofort ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Der ins Papier des Umschlags eingeprägte, hässliche Teufelskopf verriet umgehend woher er stammte. Die Rückseite war sogar mit einem richtigen Siegel aus Wachs versehen, das sie zerbrechen musste um den Brief zu öffnen. Zum Vorschein kam eine gefaltete Karte mit einer handschriftlichen Notiz: „Liebe Miss Sneider, bitte erweisen Sie mir die Ehre, Sie am Samstagabend zu einem eleganten Abendessen einzuladen. Eine Limousine wird Sie direkt an der Haustüre abholen und auch wieder zurück bringen. Bitte rufen Sie mich schnellstmöglich an um meine Einladung zu bestätigen. Mit herzlichsten Grüßen, ihr Andrew Trevis.“ Kopfschüttelnd sah Sheryl auf die Telefonnummer am unteren Rand der Karte dann stand sie auf, ging zu Dave und hielt ihm die Einladung direkt vor die Nase. Überrascht las er sich den Text durch, konnte sich ein breites Grinsen nicht mehr verkneifen und scherzte: „Wusste ich doch, dass der Typ auf dich steht!“ Sheryl boxte ihm in den Arm und schimpfte leise: „Hör auf damit!“ „Was willst du jetzt tun? Triffst du dich mit ihm oder nicht?“, fragte Dave daraufhin schmunzelnd. Seufzend nahm Sheryl die Karte wieder in die Hand und antwortete: „Keine Ahnung. Was soll das bringen?“ „Vielleicht hat er ja noch ein paar Informationen.“, erwiderte Dave doch sie war nicht so begeistert und meinte: „Vielleicht will er auch nur mit seiner Kohle angeben und mich bezirzen.“ „Das Risiko musst du wohl eingehen.“, antwortete er lächelnd. Sie schüttelte erneut den Kopf aber Dave redete weiter auf sie ein: „Warum denn nicht? Wann hattest du zuletzt ein Date?“ Schnaufend stammelte Sheryl: „Ich hab keine Ahnung, ist schon ewig her. Ich bin halt mit meinem Job leiert.“ „Das ist doch Mist.“, ereiferte er sich nun und argumentierte überzeugend: „Du hast nichts zu verlieren. Geh hin, genieß ein schickes Essen auf seine Kosten und frag ihn noch ein bisschen aus. Eventuell erzählt er dir noch ein paar interessante Sachen, die uns weiterhelfen können und die er lieber in so einer privaten Atmosphäre preis geben möchte als bei einem offiziellen Treffen. Ruf an, sofort!“ Sheryl zögerte. Deshalb griff Dave nach dem Telefon, wählte die Nummer auf der Karte und drückte ihr dann den Hörer in die Hand. Augenrollend gab Sheryl seinem Drängen nach und wartete darauf, dass jemand abnahm. Die Stimme des Butlers erklang plötzlich am anderen Ende der Leitung: „Hier im Devil’s Mansion. Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?“ Dave musste Sheryl anrempeln damit sie etwas sagte. „Ja, hier ist Sheryl Sneider. Ich habe eine sehr nette Einladung bekommen und würde die gern bestätigen. Ist Herr Trevis denn zu sprechen?“ „Es tut mir leid, Madame, aber Master Trevis ist gerade unterwegs. Gerne werde ich ihm aber ausrichten, dass Sie seiner Einladung folgen. Am Samstag um 19 Uhr wird Sie eine Limousine abholen. Bitte erscheinen Sie in Abendgarderobe. Haben Sie noch weitere Fragen?“, antwortete der Butler höflich aber reserviert. Nachdem Sheryl kurz verneint hatte, verabschiedete sich der Mann auch schon wieder und legte auf. Irritiert gab sie Dave den Hörer zurück und sagte leicht genervt: „Ich soll in Abendgarderobe erscheinen. Da muss ich doch erst noch was einkaufen gehen.“ Lauthals auflachend krachte Dave den Hörer zurück aufs Telefon und fing sich einen weiteren Schlag auf den Oberarm ein. „Daran bist nur du Schuld!“, giftete Sheryl ihn an, stapfte zurück zu ihrem Schreibtisch und ließ sich missmutig auf den Stuhl fallen.

7

 

Nachdem sie den Freitag mit weiteren Recherchen und einem andauernden Versuch mit der Security- Agentur Kontakt aufzunehmen verbrachte hatte, bescherte ihr der Samstag doch einen gewissen Grad an Aufregung. Zunächst musste sie sich passende Kleidung besorgen ohne zu dick aufzutragen und je näher der Abend rückte, desto nervöser wurde Sheryl.

Punkt sieben klingelte es dann an der Haustür. In Schale geworfen ließ sie sich von dem Chauffeur zur Limousine begleiten und die Tür von ihm sowohl öffnen als auch schließen. Es stand sogar ein Glas Sekt bereit, das ihr laut dem Fahrer die Fahrt verkürzen sollte. Bereitwillig flößte sie es sich ein, auch um ein wenig ihre Aufregung zu bekämpfen.

Als sie vor dem Restaurant vorfuhren, stand Trevis bereits mit einer Zigarette in der einen und einem Glas Scotch in der anderen Hand vor der Tür und schien zu warten. Genüsslich sog er noch einmal an der Kippe, machte sie dann aus, gönnte sich noch einen großen Schluck Schnaps, drückte das Glas der herbeieilenden Empfangsdame in die Finger, öffnete die Autotür und streckte Sheryl seine Hand entgegen. Höflich griff sie danach und stieg aus der Limousine aus. Trevis ging einen Schritt zurück und bemerkte freundlich: „Sie sehen wirklich bezaubernd aus, Miss.“ Verlegen lächelnd hauchte Sheryl ein „Danke.“

Jetzt folgten sie der Empfangsdame ins Restaurant und zu dem Tisch, der extra für sie hergerichtet worden war. Sheryl fühlte sich unwohl, ein schlichter Burgerladen wäre ihr wesentlich lieber gewesen als dieser versnobte Schickimickischuppen mit der dekadenten Einrichtung. Aber sie machte gute Miene und ließ sich höflich nickend den Stuhl zurechtrücken.

Herr Trevis nahm ihr gegenüber platz, stand aber gleich wieder auf, schob seinen Stuhl um die Ecke und setzte sich an die Seite des Tisches. Die pikierten Blicke des Personals schienen ihn vollkommen kalt zu lassen. Mit dem Ellenbogen stütze er sich dann auf und flüsterte Sheryl hinter hochgehaltener Hand zu: „Ist der Laden nicht schrecklich? So aufgeblasen und künstlich.“ „Sagt der, der alleine in einer riesigen Villa wohnt und sich einen Butler und einen Chauffeur leistet.“, konterte Sheryl schnippisch, bereute es aber auch gleich ein wenig. Aber Trevis nahm es sehr sportlich, grinste sie breit an und gab zu: „Ja, da haben Sie nicht ganz unrecht.“

Er machte ein kurzes Päuschen und bot dann an: „Wollen wir uns ab sofort nicht lieber Duzen? Dieses höfliche Getue liegt uns beiden doch nicht, oder?“ „Sehr gern.“, bestätigte Sheryl seinen Vorschlag, provozierte ihn gleichzeitig aber auch weiter: „Obwohl ich schon sagen muss, dass du diese Rolle ziemlich überzeugend spielst.“ „Welche Rolle?“, hinterfragte Andrew spitzfindig und strahlte sie wieder an. Aus dieser Nähe betrachtet, wirkte sein Grinsen schon beinahe dämonisch. Sheryl fiel erneut ihr Vergleich mit Graf Dracula ein, der sie sofort zum Schmunzeln brachte.

Zum Glück kam gerade ein Kellner an den Tisch und lenkte ihn von ihr ab. „Guten Abend, ich bin Bryon, Ihr Commis de Rang. Haben Sie schon einen Wunsch? Einen Aperitif vielleicht?“, stellte er sich höflich vor und überreichte währenddessen die Speisekarten. Andrew antwortete schnell: „Ich nehme noch einen Scotch auf Eis.“ Dann sah er Sheryl mit einem verschmitzten Lächeln an und sprach weiter: „Und zu dir passt sicherlich etwas Bittersüßes, nicht wahr? Gin Tonic? Campari Orange?“ Sheryl lächelte zurück, sah den Kellner dann an und meinte: „Ich hätte auch gern einen Scotch auf Eis, bitte.” Andrew musste sich zusammenreißen, dass er nicht laut los lachte. Freundlich nickend erklärte Bryon derweilen weiter: „Sehr gern. Wir haben zusätzlich zur regulären Speisekarte auch ein Tagesmenü im Angebot. Das besteht aus einer Bisque de Homard, getrüffeltem Lammrücken und einem Soufflé Flambé.“ Ohne Sheryl aus den Augen zu lassen bemerkte Andrew jetzt: „Das klingt großartig. Das werde ich gleich nehmen.“ Sie starrte ebenso zurück und spielte ein wenig mit der Speisekarte als sie sprach: „Wenn ich statt der vorgeschlagenen Vorspeise einen Salat bekommen kann, würde ich auch das Menü nehmen.“ „Natürlich.“, bestätigte der Kellner, machte sich eine Notiz und ging erst einmal die Getränke holen.

Sie weiterhin intensiv beobachtend fragte Andrew jetzt: „Warum hast du meine Einladung angenommen?“ „Warum nicht?“, konterte Sheryl mit einer Gegenfrage. Wieder lächelte er und gab zu: „Ich habe den Eindruck, dass du mir gegenüber gewisse Vorurteile hegst.“ „Ich war neugierig.“, antwortete sie daraufhin. „Wirklich? Worauf? Was für ein seltsamer Typ hinter der noch seltsameren Fassade steckt?“, versuchte er sie nun aus der Reserve zu locken. Doch Sheryl ließ sich nicht darauf ein und erklärte stattdessen: „Ich will ehrlich sein. Mein Kollege hat mich dazu überredet deine Einladung anzunehmen. Zunächst wollte ich nicht, da ich ernsthaft glaube, dass wir grundverschiedene Menschen sind und dieser Abend einfach nur peinlich werden könnte. Aber Dave war der Meinung, ich solle dir eine Chance geben und jetzt bin ich hier.“ Ein wenig getroffen antwortete Andrew darauf: „Da muss ich deinem Kollegen wohl dankbar sein? Und eine Chance geben? Das hört sich ja fast so an als wäre das hier ein Date für dich.“

Der Kellner kam mit den Getränken und sie unterbrachen das Gespräch während er sie auf den Tisch stellte. „Möchten Sie zum Essen vielleicht etwas Wein trinken?“, fragte Bryon höflich. Andrew nickte und sprach: „Ja, bringen Sie uns eine Flasche Sangre del Diavlo, rot, bitte.“ Als der Mann wieder weg war, knüpfte Sheryl sofort an Andrews Vermutung an und hinterfragte: „Ist es das nicht?“ „Kommt darauf an was wir daraus machen, nicht wahr?“, erwiderte er nun lauernd und nahm einen Schluck von seinem Scotch. Zweifelnd zog Sheryl daraufhin die Augenbrauen zusammen.

Wieder starrten sie sich einen Moment lang an. Um die angespannte Situation jetzt ein wenig zu lockern, brach Andrew mit einer Frage das Schweigen: „Was interessiert dich denn am meisten? Du kannst mich alles fragen, was du willst.“ Er hatte sich gut auf diesen Abend vorbereitet und sich eine ganze Reihe von Antworten auf die verschiedensten Fragen ausgedacht, immer so nah an der Wahrheit, dass man sie glauben konnte aber so weit weg, dass er auch bei weiteren Nachforschungen nicht auffliegen würde. „Du weißt, dass es mein Job ist Fragen zu stellen. Willst du das Risiko eingehen?“, stichelte Sheryl und bekam eine ebenso schnippische Antwort: „Welches Risiko? Dass du herausfindest, dass ich mir zweimal die Woche die Haare wasche und dabei auch noch eine Spülung benutze?“ Jetzt musste Sheryl lachen. Er hatte sie tatsächlich Auflaufen lassen und allmählich brach das Eis zwischen ihnen.

Der Wein wurde zum Tisch gebracht, sie nippten beide an ihren Gläsern, dann überwand sich Sheryl und begann nun doch mit einer ersten Fragerunde: „Du hast es nicht anders gewollt. Woher kommst du ursprünglich? Ich glaube du bist kein gebürtiger Brite.“ Etwas überrascht sah er sie an und antwortete darauf: „Du hast recht, ich bin aus den Staaten. Was hat mich verraten?“ „Ich weiß nicht genau, deine Art vielleicht.“, erklärte sie knapp und fragte dann weiter: „Und was hat dich letztlich hierher verschlagen?“ Andrew überlegte sich seine Antwort genau und umschrieb vorsichtig: „Sagen wir, ich brauchte ein wenig Abstand.“ „Von was?“, versuchte Sheryl weiter zu bohren auch wenn er sich leicht unwohl bei der Sache zu fühlen schien. Dann gab er zu: „Das ist eine etwas heikle Geschichte.“ Diese Antwort ließ sie jedoch nicht gelten und ermunterte ihn dazu mehr zu erzählen: „Ich kann gut mit heiklen Geschichten umgehen. Raus mit der Sprache. Du wolltest es so.“

Die Vorspeisen wurden serviert. Andrew rührte abgelenkt in seiner Suppe während Sheryl ihn aufmerksam musterte und dann skeptisch fragte: „Was ist das eigentlich?“ Wie aus seinen Gedanken gerissen, sah Andrew sie jetzt an und antwortete: „Pardon, ich habe gerade nicht zugehört. Was wolltest du wissen?“ Sheryl war sich nicht sicher ob er das nur spielte oder ihn wirklich seine Gedanken dermaßen beschäftigten, also formulierte sie etwas vorsichtiger: „Zum einen wollte ich wissen was das für eine Suppe ist und zum anderen was es mit der heiklen Geschichte auf sich hat.“ Als wäre es offensichtlich sagte er: „Das ist eine Hummercremesuppe.“ „Ah so.“, kam es von ihr und leise: „Lammrücken und Soufflee hab ich noch verstanden.“ Beide überkam ein breites Lachen.

Nachdem Andrew dann von seiner Suppe probiert hatte, hakte er nach: „Und du willst wirklich die heikle Geschichte hören?“ „Unbedingt.“, antwortete Sheryl unverfroren und steckte sich ein Stückchen Tomate in den Mund. Also erzählte er: „Na gut, damals in den Staaten habe ich als psychologischer Betreuer für straffällig gewordene Jugendliche gearbeitet.“ „Tatsächlich?“, unterbrach ihn Sheryl kurz, was er aber gekonnt ignorierte und einfach weiter sprach: „Meine Karriere war im Aufschwung, ich verdiente nicht gerade schlecht bis zu jenem Tag als eine junge Frau in meine Praxis geschickt wurde, die es schaffte meinen Ruf und mein Ansehen innerhalb kürzester Zeit komplett zu ruinieren.“ „Wie das?“, wollte Sheryl wissen. Bereitwillig antwortete er: „Sie behauptete hartnäckig, ich hätte sie sexuell belästigt.“ Doch anstelle der erwarteten Überraschung brachte Sheryl hervor: „Hast du?“ Andrew fiel gleich der Löffel in die Suppe und schockiert sah er sie an. Er versuchte nicht laut zu werden als er sagte: „Ist das dein Ernst? Was unterstellst du mir?“ Sheryl grinste zufrieden, sie hatte eben einen Gleichstand erzielt. In diesem Moment schien Andrew ihr Spiel zu durchschauen, schnaufte, hob sein Glas und bemerkte: „Der war gut. Den hatte ich nicht kommen sehen.“ Sie stießen an und mit jedem Schluck lockerte sich die Atmosphäre ein wenig mehr auf.

„Warum hast du dich ausgerechnet für Devil’s Mansion entschieden?“, begann Sheryl ihre zweite Fragerunde. Andrew entgegnete: „Du kennst die Geschichte des Hauses?“ Sie nickte und er erklärte weiter: „Das Anwesen war über die Jahre ein wenig heruntergekommen und der Makler hat wahrscheinlich nie geglaubt dieses Haus je verkaufen zu können. Also hat er mir einen verdammt guten Preis gemacht nur um das Ding loszuwerden. Und ich mit meinem leichten Hang zum Morbiden hatte natürlich sofort Interesse als ich von der Geschichte erfuhr.“ „Ist es nicht gruslig da alleine zu wohnen?“, fragte sie daraufhin, doch er schüttelte nur den Kopf und meinte: „Nicht gruslig. Manchmal ein wenig einsam oder langweilig vielleicht. Aber ich weiß mich zu beschäftigen.“ Sheryl beobachtete ihn genau und er hoffte sie würde seine Charade nicht durchschauen. „Wie kannst du dir dieses Anwesen eigentlich leisten? Ich meine, als Therapeut wirst du jetzt nicht gerade Unmengen verdient haben und als Verleger dieser kitschigen Liebesroma wird man bestimmt auch nicht reich, oder?“, bohrte Sheryl weiter in seinem Privatleben herum, doch auch dafür hatte Andrew eine souveräne Antwort parat: „Nachdem meine Karriere dermaßen den Bach runtergegangen und mir alle Kunden davon gelaufen waren, habe ich dieses Gör, das diesen Müll über mich erzählt hatte, verklagt. Es stellte sich heraus, dass ihre Eltern nicht gerade arme Schlucker waren und so bekam ich eine beträchtliche Abfindung. Den Beruf hatte sie mir aber so sehr vermiest, dass ich lieber weg und etwas ganz Neues anfangen wollte. Nach dem ganzen Stress brauchte ich einen Tapetenwechsel und dringend etwas mehr Ruhe in meinem Leben.“

Das Hauptgericht wurde serviert. Der Wein lockerte Sheryls Zunge und ihre nächste Frage wurde etwas persönlicher: „Ohne dir zu nahe treten zu wollen. Was hat es eigentlich mit dem ganzen Teufelskram auf sich?“ Schon die ganze Zeit hatte sie auf das Pentagramm starren müssen, das in den Stoff der Brusttasche seines schwarzen Hemdes eingewoben war. „Was meinst du?“, erwiderte er und sie wurde ausführlicher: „Na, du wohnst im Devil’s Mansion, das alleine schon mit so viel dieser Symbolik gespickt ist, dann trägst du ein Pentagramm auf dem Hemd und bestellst auch noch einen Wein, der übersetzt Teufelsblut heißt. Das ist ein wenig viel für meinen Geschmack. Glaubst du denn an den Teufel?“ Sie wollte ihn eindeutig provozieren, doch damit wusste er sehr gut umzugehen, lehnte sich leicht nach vorn und flüsterte geheimnisvoll: „Nein, ich glaube nicht an den Teufel… ich bin der Teufel.“ Für einen Moment verschlug es Sheryl den Atem und wie er das sagte, ließ ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen, wenngleich sein folgendes Grinsen verriet, dass er sie nur auf den Arm nehmen wollte. Dennoch blieb ein mulmiges Gefühl bei ihr zurück, das sie mit einem weiteren Schluck Wein hinunterzuspülen versuchte.

Ihre kurzfristige Unsicherheit überspielend fragte sie also weiter: „Also kann ich davon ausgehen, dass du deshalb diese Kleidung und dein äußeres Erscheinungsbild wählst?“ Andrew kaute genüsslich auf einem Stück Lamm und bemerkte dabei: „Na ja, ein paar Dinge kann man sich schlecht heraussuchen. Wieso sollte ich meine Natur verbergen, wenn diese so gut zu meiner Persönlichkeit passt?“ Skeptisch äußerte Sheryl: „Du willst mir also weiß machen, dass du weder deine Haare färbst, noch Kontaktlinsen trägst und auch keinen Zahnarzt hast nachhelfen lassen?“ Er legte sein Besteck auf dem Tellerrand ab, tupfte sich mit der Serviette den Mund und antwortete dann ernst: „In der Schule hat man mich wegen meines Aussehens gehänselt, jetzt nutze ich es als Markenzeichen. Hast du etwa ein Problem damit?“ Scheinbar hatte Sheryl einen wunden Punkt erwischt und glücklicherweise konnte sie nicht ahnen, dass sich Andrew innerlich vor Lachen krümmte. Er blieb ganz eisern bei der Sache und sah zu, wie sie sich aus dieser unangenehmen Situation herauswand. „Es tut mir wirklich leid.“. sagte sie leise und weiter: „Ich wollte dich nicht beleidigen. Es schien mir nur etwas unnatürlich aber dabei ist es eben nur ungewöhnlich. Ich bin eigentlich kein oberflächlicher Mensch.“ Sein Lächeln ließ ihr einen Stein vom Herzen fallen, denn allmählich gefiel ihr seine Gegenwart und auch ihr Misstrauen gegenüber seinen Absichten war beinahe komplett verschwunden.

So kam es, dass sie den restlichen Abend mit netten Plaudereien über alltägliche Probleme verbrachten, kein Wort über den Fall verloren und weiterhin das ausgezeichnete Essen genossen bis das Restaurant seine Türen schloss.

Die leicht angeschwipste Sheryl führte Andrew ganz Gentleman zur Limousine und öffnete ihr die Tür. „Der Abend war wirklich schön. Du bist eine sehr angenehme Person.“, säuselte er ihr noch vor. Sie sah ihn an und meinte ehrlich: „Ja, es war wirklich sehr nett. Vielen Dank.“ Bevor sie einstieg stellte er ihr dann eine wichtige Frage: „Magst du am Mittwoch noch einmal mit mir ausgehen?“ Lächelnd antwortete Sheryl mit einem Nicken und den Worten: „Sehr gerne.“ Dann setzte sie sich in den Wagen, er klappte die Tür zu und die Limousine fuhr los.

Überraschenderweise hatte sie sich trotz der anfänglichen Stolpereien an diesem Abend doch sehr amüsiert. Noch war sie sich jedoch nicht sicher darüber wie sie zu Andrew stand. Er war wesentlich netter als erwartet und wenn man einmal das Eis gebrochen hatte auch sehr umgänglich und unterhaltsam. Optisch wirkte er erst einmal etwas abschreckend aber das machte er durch seinen gewissen Charme wieder wett.

In ihren Gedanken verloren kam sie daheim an, schloss die Haustür hinter sich ab und ließ sich müde ins Bett fallen.

Andrew dagegen hatte gewartet bis die Limousine um die Ecke gebogen war und dann seinen Wagen holen lassen. Es störte ihn nicht, dass er schon eine Menge getrunken hatte und er wollte nach all dem Gerede jetzt noch ein wenig Action erleben. Also setzte er sich hinters Steuer und fuhr wie ein Irrer los um sich noch einen ganz besonderen Abschluss des Abends zu gönnen. Im nächstgelegenen Bordell gabelte er eine Prostituierte auf, die ihm Befriedigung verschaffen sollte während er mit Bleifuß über die Autobahn raste. Auf einem Rastplatz genehmigten sie sich dann beide eine Nase voll Kokain und gingen danach in die zweite Runde.

Erst im Morgengrauen brachte er sie wieder zurück. Sie war vollkommen fertig, betrunken, zugedröhnt und nicht in der Lage alleine zu laufen. Also schleppte er sie in eine Notaufnahme. Die Diensthabende musterte beide skeptisch als er zu ihr sagte: „Die hat es wohl ein wenig übertrieben.“ Holte dann aber doch einen Rollstuhl, nahm sie ihm ab und setzte die junge Frau hinein. Als sie sich wieder umdrehte um Andrew zu ihrer Geschichte auszufragen, hatte der sich schon klammheimlich aus dem Staub gemacht und war bereits auf dem Weg nach Hause.

Den Wagen mit laufendem Motor quer in der Einfahrt stehen lassend, torkelte er anschließend in die Villa, fiel drinnen der Länge nach auf das Sofa im Wohnraum und schlief umgehend ein. Simon fand ihn später genau so da liegend vor, rollte mit den Augen, fühlte vorsichtshalber nach Andrews Puls und holte dann eine Decke. Offensichtlich war der Sonntag jetzt schon gelaufen.

8

 

Sheryl erwachte am nächsten Vormittag mit einem leichten Kater, doch den konnte sie durchaus genießen. In einen molligen Bademantel gehüllt, brühte sie sich einen frischen Kaffee auf und beschloss den Tag entspannt zu vertrödeln. Noch immer konnte sie nicht glauben, dass der Abend doch so angenehm geworden war und sie sich tatsächlich erneut verabredet hatten. Das Telefon klingelte. Am anderen Ende der Leitung war Dave und horchte sie aus. Ihn schien es wirklich zu interessieren und er gratulierte zum Einleiten der zweiten Runde. Jetzt hatte Sheryl seit langem einmal etwas, auf das sie sich freuen konnte.

Am Montag versuchte sie erneut einen Termin mit der Security- Firma auszumachen und hatte endlich auch Glück jemanden zu erreichen. Schon am folgenden Nachmittag trafen sie sich mit dem Chef der Firma in seinem Büro. Nach einer freundlichen Begrüßung kamen sie auch gleich zur Sache. „Haben Sie eine Liste der Mitarbeiter, die vor circa zweieinhalb Wochen im Club Coalition waren?“ „Ja sicher.“, antwortete der Mann und suchte gleich in seinen Unterlagen. „Direkt eine Liste natürlich nicht, aber einen Dienstplan.“, sagte er dann noch und drehte den Computermonitor so, dass die Polizisten etwas sehen konnten. Für den Club waren fünf Männer eingeteilt worden, zwei an der Tür und die anderen als flexible Kräfte innerhalb und außerhalb der Diskothek. Während sich Dave die Namen und Telefonnummern notierte, horchte Sheryl den Mann noch ein wenig aus: „Hat einer ihrer Leute etwas Außergewöhnliches von dem Abend erzählt? Vielleicht dass er einen Streit beobachtet hat oder wie eine junge Frau in ein Auto gezerrt wurde?“ „Oh Gott nein!“, rief der Firmenchef gleich aus und erklärte: „Sobald meine Leute so etwas sehen, sind sie angewiesen sofort die Polizei zu holen und wenn sie sich selbst nicht zu sehr dabei gefährden auch einzugreifen. Wenn also einer was gesehen hätte, wäre dort die Polizei eingerückt um die Situation zu klären.“ „Welche Lokale betreuen Sie denn noch so als Security- Firma?“, fragte sie weiter. Der Chef dachte kurz nach und antwortete dann freundlich: „Das sind mittlerweile schon eine ganze Reihe. Ich kann Ihnen ja mal meinen Ordner mit den Visitenkarten zeigen.“ Sheryl nickte, er stand auf und holte eine Mappe, die voller Einsteckfolien mit Visitenkarten war. Aufmerksam blätterte sie durch die Seiten und stockte plötzlich. Mittendrin prangte eine Karte mit einem eingeprägten, hässlichen Teufelskopf darauf. Darübergeschrieben stand in großen, roten Lettern „Devil’s Studio“. Irritiert zeigte sie nun auf die Karte und fragte den Mann: „Was ist das für ein Laden?“ Etwas verschüchtert antwortete er: „Das ist ein Filmstudio ein wenig außerhalb der Stadt.“ Auch Dave warf einen Blick darauf und zog die Augenbrauen zusammen. „Davon hab ich noch nie was gehört.“, meinte er dann und schnell erklärte der Chef: „Es ist auch kein großes Ding und die machen auch keine Filme im herkömmlichen Sinne. Das kennen nur Leute, die sich damit beschäftigen.“ „Keine Filme im herkömmlichen Sinne? Wie darf ich das denn verstehen?“, bohrte Sheryl weiter. Stammelnd antwortete der Mann: „Na halt so Erwachsenenfilme, Sie wissen schon.“ „Pornos?“, sprach Dave aus was alle dachten und der Mann nickte. Sheryl rieb sich kurz grübelnd die Stirn und sagte dann: „Ich habe zwei Fragen dazu, obwohl ich die letztere eigentlich lieber nicht stellen möchte. Also erst einmal: Wozu braucht solch ein Studio Security?“ „Na ja, die machen ab und zu Partys mit Kunden und Darstellern, die dank viel Alkohol dann auch schnell etwas ausarten können. Und damit das Ganze nicht vollkommen eskaliert, mieten die eben ein paar meiner Leute um aufzupassen und Ordnung zu schaffen.“, erzählte der Mann offen. Sich vor der Frage nicht mehr drücken könnend, wollte Sheryl nun wissen: „Und wer leitet dieses Studio?“ Die Antwort ahnte sie bereits, brauchte aber eine Bestätigung um es glauben zu können. Eilig popelte der Chef die Visitenkarte aus ihrer Folienhalterung und drehte sie um. Auf der Rückseite stand eine Adresse, eine Telefonnummer und ganz am Rand kleingedruckt der Schriftzug „AT- Media“, den sie auch schon aus dem Groschenroman kannten. Hörbar atmete Sheryl durch, sah Dave dann an und sprach leise: „Davon hat mir der Mistkerl nichts erzählt.“ Dave verzog aber nur missmutig das Gesicht und schwieg.

Nachdem sie sich ausgiebig bedankt und verabschiedet hatten, saßen sie auch schon wieder im Auto und fuhren zur Dienststelle zurück. „Was willst du jetzt tun?“, fragte Dave seine Kollegin, die missgelaunt auf die Straße starrte. Als keine Antwort kam, stocherte er weiter: „Triffst du dich Morgen trotzdem mit ihm?“ Weiter auf den Verkehr achtend sagte sie jetzt: „Oh ja und dann werde ich ihm diese Sache direkt an den Kopf knallen.“

Vor diesem Treffen war sie nicht ganz so nervös und als dann am Mittwochabend die Limousine vorfuhr, wusste sie schon in etwa was sie erwartete. Überraschenderweise hielt der Wagen aber nicht vor einem Restaurant sondern vor dem Theater an. Andrew wartete am Eingang und hatte sich richtig schick gemacht. Der schwarze Anzug stand ihm gut. Sheryl erwischte sich dabei wie sie ihn anstarrte. Eigentlich war sie ja sauer auf ihn. Zuvorkommend öffnete er wieder die Tür der Limousine und reichte ihr die Hand beim Aussteigen. Mit einem Küsschen auf die Wange hatte sie nicht gerechnet, es zauberte aber ein Lächeln auf ihr Gesicht.

Im Theater fragte sie ihn dann: „Was wird das denn heute?“ Andrew reichte ihr schon ein Glas Sekt und erklärte: „Ich dachte mir, nur Essen gehen ist vielleicht etwas langweilig. Und heute spielen sie hier den Kleinen Horrorladen. Also gönnen wir uns erst einen Snack, schauen uns danach das Stück an und hinterher gibt es noch einen Drink. Was sagst du?“ „Das finde ich toll.“, musste Sheryl ehrlich zugeben. Er hatte sich wirklich etwas einfallen lassen, was die Verheimlichung des Studios aber nur geringfügig abmilderte. Doch um den Abend nicht zu verderben, wollte sie bis nach der Show warten bevor sie ihn zur Rede stellte.

Ein paar unterhaltsame Stunden später begaben sie sich in eine Bar gleich neben dem Theater. Nachdem sie einen Platz gefunden und Andrew zwei Drinks geholt hatte, wollte Sheryl unbedingt das Thema ansprechen, das ihr schon die ganze Zeit auf der Zunge lag. „Ich kann aber nur für diesen einen Drink bleiben, immerhin muss ich ja morgen wieder fit für die Arbeit sein.“, begann sie das Gespräch. Andrew nickte verständnisvoll und stieß mit ihr an. „Apropos Arbeiten.“, fuhr sie anschließend fort und ging ein Stück weiter: „Was machst du noch außer den Verlag leiten?“ Fragend zog er eine Augenbraue hoch und sprach: „Was meinst du denn damit?“ Dann nippte er an seinem Whisky und verschluckte sich hustend als sie antwortete: „Ich weiß von dem Filmstudio.“ Eilig stellte er das Glas zurück auf den Tisch, wischte sich den Schnaps vom Kinn, atmete tief durch und bemerkte fast schon beiläufig: „War klar, dass du das beizeiten herausfindest.“ Dann sah er ihr in die Augen und entschuldigte sich scheinbar aufrichtig: „Es tut mir leid, dass ich dir noch nichts davon erzählt habe. Wirklich. Ich wusste nur eben auch nicht wie ich das ansprechen soll. Da ich keine Ahnung habe wie du dazu stehst, wollte ich nicht unser erstes Date mit so einem Thema ruinieren.“ Irgendwie klang das für Sheryl sogar plausibel. Vielleicht war sie ein wenig zu hart mit ihm ins Gericht gegangen und sagte jetzt: „Okay, das verstehe ich. Es ist nur, ich arbeite nun mal bei der Polizei und ich mag meinen Job auch. Aber ich habe die Befürchtung, dass es sich negativ auf meine Reputation auswirken könnte, wenn ich mich weiter mit jemanden treffe, der solche Filme produziert.“ Andrew starrte erst in sein Glas, sah sie dann wieder an und meinte: „Das ist schon seltsam. Wir sind erwachsene Leute und genieren uns wegen ein paar Sexfilmen, die völlig legal entstanden sind und bei denen keiner zum Mitmachen gezwungen wurde. Findest du das wirklich so schlimm?“ Sheryl seufzte und genehmigte sich noch einen großen Schluck aus ihrem Glas. Im Grunde war es ja wirklich keine so große Sache, vor allem mit dieser Begründung. Sie hatte nur Angst davor, dass sich die anderen das Maul über sie zerreißen würden. Außerdem wusste sie nicht was ihr Chef sagen würde, wenn das heraus käme. „Hast du jetzt eine schlechtere Meinung von mir oder bin ich sogar voll bei dir unten durch?“, unterbrach er ihre Gedankengänge. Sheryl war sich unsicher wie sie darauf reagieren sollte. Einerseits fühlte sie sich nach wie vor zu ihm hingezogen andererseits machte ihr seine geschäftliche Ausrichtung etwas Sorgen. „Nein, ich habe keine schlechtere Meinung von dir und unten durch bist du erst recht nicht. Es ist nur etwas schwierig für mich das zu vereinbaren. Was sage ich zum Beispiel, wenn mich jemand darauf anspricht?“, äußerte sie sich nun. Andrew ergriff ihre Hand, sah ihr in die Augen und sprach beruhigend: „Mach dir da jetzt doch keine Gedanken drüber. Es ist ja nicht so, dass wir morgen heiraten. Wir treffen uns, genehmigen uns ein paar Drinks, haben ein wenig Spaß. Wer will dir das denn verübeln oder sogar verbieten? Hör auf deine innere Stimme. Was sagt die?“ „Die sagt, dass ich jetzt wirklich heim gehen sollte.“, antwortete Sheryl etwas nervös, trank ihr Glas leer, stand auf und eilte aus der Bar.

Verwirrt stürmte Andrew ihr hinterher und holte sie vor der Tür wieder ein. Ihr Handgelenk packend sagte er laut: „Was ist denn los? Hab ich was falsch gemacht?“ Sheryl blieb stehen, sah ihn an und erklärte: „Nein, das hat nichts mit dir zu tun, vielleicht doch ein bisschen. Aber das ist alles schon so lange her, ich kann das einfach nicht. Ich komm mir vor wie der letzte Idiot.“ Andrew drückte sie an sich und küsste sie auf die Stirn. Dann redete er auf sie ein: „Ich bin auch völlig durcheinander. Ich will dich gern bei mir haben, mich dir aber auch nicht aufdrängen. Das braucht alles seine Zeit und wenn du dir nicht sicher über mich bist, ist das auch in Ordnung. Wir können uns doch trotzdem treffen und etwas gemeinsam unternehmen auch wenn nicht mehr aus der Sache wird.“ Er legte seine Hände auf ihre Schultern und blickte ihr tief in die Augen bevor er weiter sprach: „Lass mich dich wenigstens heim bringen.“

In der Limousine sitzend schwiegen sie sich an bis sie vor der Haustür hielt. Gemeinsam stiegen sie dann aus, er griff noch einmal nach ihrer Hand und schritt mit ihr direkt bis vor die Tür. Wieder sahen sie sich in die Augen und Andrew flüsterte: „Willst du mich noch einmal treffen oder wird das hier unser endgültiger Abschied?“ Sheryl schluckte. Sie konnte sich nicht entscheiden. Ohne eine Antwort abzuwarten, näherte er sich plötzlich an. Ganz vorsichtig ließ er seine Lippen auf ihre sinken und küsste sie zärtlich. Sheryls Herz machte einen Satz, ihre Knie wurden weich und tausende Schmetterlinge flatterten auf einmal durch ihren Bauch. Sie fühlte sich wieder wie ein Teenager. Wie konnte sie jetzt noch Lebewohl sagen?

Als er sie dann nach dem Kuss ansah, sagte sie leise: „Okay, du bekommst noch eine Chance, unter der Voraussetzung, dass ich keine weiteren Leichen in deinem Keller finde.“ Er schmunzelte und antwortete: „Das klingt nur fair.“

Daraufhin küsste er sie noch einmal auf die Stirn und schritt langsam zurück zur Limousine. Sheryl sah ihm nach bis er eingestiegen war, ging dann ins Haus, ließ sich seufzend aufs Sofa fallen und begann in sich hinein zu lachen. Das war ihr wirklich lange nicht passiert. Sie machte sich zum Vollidioten und er schaffte es gekonnt sie um den kleinen Finger zu wickeln. Aber worauf hatte sie sich da nur eingelassen? Zwar war er eine durchaus nette Gesellschaft, ihr aber nach wie vor ein wenig suspekt. Konnte sie darüber hinwegsehen?

Andrew saß dagegen endlich wieder in der Limousine und war schon ein bisschen stolz auf seine schauspielerische Leistung. Hatte er sie jetzt weit genug um unauffällig nach dem Fortschritt der Ermittlungen forschen zu können? Bisher vermied er das Thema akribisch, da er nicht abschätzen konnte ob er sie mit Fragen danach misstrauisch machen würde. Aber er hatte einen Plan.

Am Samstag wollte er sie wiedersehen und dafür lud er sie zu sich nach Hause ein. Simon würde ein köstliches Dinner vorbereiten und er sie ganz beiläufig über ihre Arbeit ausfragen. Dass sie mit ihren Recherchen noch nicht allzu weit gekommen war, wusste er, sonst würde sie sich nicht so unbefangen mit ihm treffen. Zunächst musste er sich aber heute Nacht für seine oskarreife Vorführung noch etwas gönnen.

Die Limousine fuhr ihn an seinem Lieblingsbordell vorbei, in das er wie gewohnt einfach hinein spazierte. Drinnen stieß er jedoch auf ein unerwartetes Problem. Schon auf dem Weg zur Theke folgten ihm böse Blicke und die Bardame rief sofort einen Sicherheitsmann, der sich neben dem Eingang postierte und Andrew beobachtete. Davon unbeeindruckt blieb er am Tresen stehen, sah der Frau dahinter selbstsicher in die Augen und forderte: „Guten Abend. Die Menükarte, bitte.“ Die Bardame schüttelte den Kopf und antwortete harsch: „Sie werden hier nicht mehr bedient, nicht nach dem, was Sie mit Liz gemacht haben.“ „Was hab ich denn mit ihr gemacht?“, erwiderte er provozierend. „Sie haben sie unter Drogen gesetzt und in einem mehr als miserablen Zustand einfach im Krankenhaus abgeladen. Sehr schäbig.“, antwortete sie ernst. Andrew rollte mit den Augen und konterte: „Erstens war das garantiert nicht meine Absicht sie in so eine schlechte Verfassung zu bringen, sie hat immerhin freiwillig mitgekokst. Und zweitens, seid doch froh dass ich sie ins Krankenhaus gebracht und nicht irgendwo auf einer Raststätte oder einem Parkplatz abgeladen habe.“ „Trotzdem!“, fuhr die Frau hinter dem Tresen ihn auf einmal an und auch der Security setzte sich in Bewegung. „Sie werden hier nicht mehr bedient und ich bitte Sie höflichst zu gehen.“, sprach sie bestimmt weiter.

Andrew sah hinter sich auf den Typen, der da langsam auf ihn zukam und wog die Situation dahingehend ab, dass er lieber ihrer Forderung nachgeben sollte. Es war schließlich nicht die einzige Einrichtung dieser Art und bevor er sich jetzt noch deswegen Ärger einhandelte und seinen Plan mit Sheryl vermasselte, suchte er sich lieber einen neuen Lieblingsladen.

Beschwichtigend hob er also die Hände und sagte höflich: „In Ordnung. Ich will hier keine Szene machen und wenn Sie auf einen Kunden wie mich verzichten wollen, ist das Ihre Entscheidung.“ Dann drehte er sich um, ging mit einem scharfen Seitenblick wortlos an dem Türsteher vorbei und begab sich wieder in seine Limousine.

Es würde sich sicher noch ein Laden finden, der sein Geld haben mochte. Wenn man nur ein wenig an der Oberfläche kratzte, offenbarten die meisten Städte ihr wahres, schäbiges Gesicht.

9

 

„Na, wie war dein zweites Date?“, stichelte Dave grinsend als sich Sheryl an ihren Platz setzte und den Computer anschaltete. „Gut.“, antwortete sie kurz angebunden und ließ ihren Kollegen zappeln. „Trefft ihr euch weiter?“, bohrte der neugierig nach und bekam nur ein schüchternes Lächeln von ihr als Antwort. Doch Dave gab nicht auf und erzählte munter: „Während du dich mit diesem Typen amüsiert hast, habe ich versucht ein paar Dinge über ihn herauszufinden. Und weißt du was?“ Er hielt inne, zog seinen Drehstuhl zu ihrem Schreibtisch, setzte sich und flüsterte dann geheimnisvoll: „Ich habe nichts gefunden. Als würde dieser Kerl nicht existieren. Findest du das nicht merkwürdig? Also ich schon.“ Seufzend lehnte sich Sheryl zurück und antwortete nun etwas ausführlicher: „Wahrscheinlich hast du nur nicht richtig gesucht. Er stammt nämlich nicht von hier sondern aus den USA. Immerhin haben wir uns unterhalten während wir aus waren und er hat ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert. Zufrieden?“ Skeptisch zog Dave die Augenbrauen hoch und redete leise weiter: „Trotzdem denke ich, dass mit dem was nicht stimmt. Er hat dir schon das Filmstudio verheimlicht. Was wenn da noch mehr ist?“ „Also, ich weiß ja nicht was du willst.“, ereiferte sich Sheryl nun: „Erst drängst du mich regelrecht dazu mich mit ihm zu treffen und nachdem die Sache jetzt ins Rollen gekommen ist, versuchst du mir alles wieder madig zu machen. Was soll das?“ „Ich will nur, dass du vorsichtig bist.“, beschwichtigte Dave seine Kollegin. Sheryl lächelte. Sie wusste, dass er sich nur Sorgen machte, konnte seine Bedenken auch verstehen, da ihr Andrew ja selbst immer noch ein wenig unheimlich vorkam. Dann flüsterte sie ebenfalls: „Ich kann dich außerdem beruhigen. Ich verfolge einen gewissen Zweck mit diesen Treffen, wollte nur nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Da ich aber denke, dass er angebissen hat, werde ich ihm bei unserem nächsten Date mal ein wenig mehr auf den Zahn fühlen. Vor allem in Hinsicht dieser Sektengeschichte und ob er vielleicht doch bei unseren Ermittlungen nützlich sein könnte.“ Sie machte eine kurze Pause und sagte dann weniger geheimnisvoll: „Außerdem bin ich schon groß und kann gut auf mich selbst aufpassen. Er wird mich schon nicht gleich beißen.“

Etwas später wachte Andrew volltrunken in seinem Bett auf. Wie war er hierher gekommen? Er konnte sich an nichts mehr erinnern was nach dem Besuch des zweiten Bordells passiert war. Er hatte sich dort noch mit einer hübschen Brünetten vergnügt, ein bisschen getrunken, ein wenig gekokst und sich dann in der Limousine richtig die Kante gegeben.

Nachdem er sich mühsam aus dem Bett gerollt hatte, torkelte er in Richtung Küche. Irgendwie schmerzte sein Kinn. Im Foyer lagen die Trümmer eines Schränkchens, die er zwar skeptisch musterte aber dann einfach daran vorbei ging.

In der Küche beschäftigte sich Simon gerade mit der Kaffeemaschine. Schwankend trat Andrew ein und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Guten Morgen, Sir.“, sagte der Butler ausdruckslos und ohne ihn anzusehen. „Was ist mit dem Schrank passiert?“, fragte Andrew daraufhin müde. Simon drehte sich jetzt zu ihm um, überrascht registrierte er das blaue Auge des Butlers und fragte dann vorsichtig weiter: „Was ist mit dir passiert?“ „Wir sind letzte Nacht ein wenig aneinander geraten.“, antwortete Simon knapp und stellte ihm einen Kaffee hin. „Inwiefern?“, hakte Andrew weiter nach, da er sich an rein gar nichts erinnern konnte. Nachdem er tief durchgeatmet hatte, erklärte Simon nun: „Sie kamen sturzbetrunken und ich weiß nicht mit was noch zugedröhnt und einer billigen Prostituierten am Arm, die ebenso voll war wie Sie, gegen vier Uhr morgens heim. Bill hatte glücklicherweise vorher angerufen und mich um Hilfe gebeten Sie zu bändigen. Sie krachten gemeinsam mit der jungen Frau gegen die Kommode im Flur, zerstörten das Ding und gingen zu Boden. Wir versuchten Sie wieder auf die Beine zu bringen, da begannen Sie wild um sich zu schlagen. Daher mein blaues Auge. Der Dame haben Sie auch versehentlich eine verpasst, woraufhin sie starkes Nasenbluten bekam und Bill sie lieber ins Krankenhaus gefahren hat. Nachdem ich Sie dann endlich ein wenig beruhigt hatte und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich Ihnen dafür auch eine mitgegeben habe, brachte ich Sie ins Bett.“ Fasziniert, amüsiert und dennoch ein wenig schamerfüllt lauschte Andrew den Ausführungen seines Butlers, stand dann weiterhin schwankend auf und reichte ihm die Hand. „Simon, vielen Dank! Du hast mir wieder einmal den Arsch gerettet. Wie kann ich mich je dafür revanchieren?“, sagte er aufrichtig. Zögernd schlug der Butler ein, was blieb ihm auch anderes übrig, und antwortete höflich: „Sie könnten mir einen kleinen Gefallen tun und wenigstens damit aufhören Drogen und Alkohol gleichzeitig zu nehmen. Irgendwann bringen Sie sich damit noch um.“ Andrew nickte zustimmend, verlor das Gleichgewicht und ließ sich wieder auf den Stuhl fallen.

Er hatte sich in letzter Zeit wirklich ein wenig gehen lassen und sollte wohl etwas kürzer treten. „Ich hoffe die Kleine zeigt mich nicht an.“, sagte er dann ernsthaft besorgt. Doch Simon schüttelte den Kopf und bemerkte nur: „Ich bezweifle, dass die Dame überhaupt wusste wo sie war und wer Sie sind. Außerdem hat sich Ihr Chauffeur gleich gekümmert und sie mit falschen Angaben im Krankenhaus abgegeben. Das dürfte kein Nachspiel haben.“ Mit dieser Antwort zufrieden nippte Andrew jetzt an seinem Kaffee und fragte dann noch beiläufig: „Was steht heute an?“ „Herr Kruger kommt nachher vorbei, er möchte etwas Geschäftliches besprechen.“, erwiderte Simon pflichtbewusst. Andrew rümpfte nur die Nase und schlürfte dann weiter aus seiner Tasse.

Phillip Kruger konnte er in diesem Zustand nicht unter die Augen treten und brachte sich deshalb nach dem Kaffee etwas auf Vordermann. Schon die Dusche bewirkte ein wahres Wunder und wenig später war er wieder voll einsatzbereit. Genau rechtzeitig.

Simon hatte Phillip Kruger inzwischen ins Büro geführt und einen Drink angeboten. Als Andrew nun den Raum betrat, stand sein Bekannter mit einem Glas Scotch in der Hand vor dem Bücherregal und betrachtete sich die Werke. „Hallo Herr Kruger, was verschafft mir denn die Ehre Ihres seltenen Besuchs?“, begrüßte Andrew seinen Gast, ging auf ihn zu und reichte ihm höflich die Hand. Phillip schlug hintergründig lächelnd ein und meinte: „Ich möchte gern Ihre Dienste in Anspruch nehmen.“ „Meine Dienste?“, hakte Andrew skeptisch nach und bedeutete mit einer Armbewegung, das sie sich doch setzen sollten.

Als sie am Schreibtisch platz genommen hatten, fragte er weiter: „Welche Art Dienst schwebt Ihnen denn vor?“ Phillip wirkte ein wenig nervös. Das kannte Andrew gar nicht von ihm und bekam eine leise Vorahnung, was dieser Typ von ihm wollte. Dann rückte der Banker etwas verlegen mit der Sprache raus: „Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie auch Filme auf speziellen Kundenwunsch hin produzieren. Ist an der Sache was dran?“ Sich ein Lächeln nicht verkneifen könnend, erwiderte Andrew nun: „Ja, ich mache Träume wahr. An was genau haben Sie dabei gedacht?“ „Was ist denn möglich?“, wollte Phillip daraufhin wissen. Andrew holte einen Schreibblock hervor und erklärte professionell: „Je nachdem, wie viel Sie investieren möchten, sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Normalerweise staffelt sich der Preis nach Härtegrad des Films und Anzahl der Mitwirkenden.“ Daraufhin schlug er den Block auf, nahm einen Bleistift zur Hand und begann Fragen zu stellen: „An wie viele Darstellerinnen und Darsteller hatten Sie denn gedacht?“ Phillip druckste ein wenig herum, offenbarte dann aber: „Eigentlich ganz harmlos, zwei Frauen und ein Kerl.“ „Gibt es spezielle Vorlieben für die jeweiligen Personen? Ich denke da an Hautfarbe, Haarfarbe, Alter.“, wollte Andrew jetzt wissen und machte die ersten Notizen. „Alter?“, hakte Phillip nach. Daraufhin sah Andrew von seinem Block hoch, ihn direkt an und erläuterte rationell: „Es lässt sich alles organisieren, vom verzogenen Gör bis zur Grandma, ganz nach Belieben.“ Kruger wirkte ein wenig eingeschüchtert und lenkte ein: „Nein, nein, nichts Abwegiges. Haut- und Haarfarbe sind mir bei allen egal. Volljährig sollten auch alle sein, aber nicht zu alt, attraktiv eben.“ Andrew grinste süffisant und warf ein: „Schade, keine Überraschungen.“ Phillip schüttelte den Kopf und konterte: „Ich will, dass das hier nicht ausartet und mir später vielleicht jemand einen Strick daraus drehen kann. Wenn mir die Sache zusagt, investiere ich vielleicht noch einmal. Zunächst geh ich aber vorsichtig ran, in Ordnung?“ „Alles klar.“, bestätigte Andrew den Wunsch seines Kunden und fragte weiter: „Welchen Härtegrad bevorzugen Sie?“ An Phillips Gesichtsausdruck konnte er dessen Unschlüssigkeit sehen und beschrieb: „Sagen wir auf einer Skala von eins bis zehn, wobei eins Erotikfilm und zehn Snuff ist, was kommt am ehesten in Frage? Mit Gewalt, ohne Gewalt, Fesseln, nicht Fesseln, was wünschen Sie konkret?“ Ganz offensichtlich hatte sich Kruger noch keine Gedanken dazu gemacht und antwortete eher verhalten: „Na ja, ich hatte mir ein Szenario vorgestellt, in welchem die Mädels gemeinsam Dinge tun und dann von einem Einbrecher überrascht werden. So ein bisschen Fesseln und so, das wäre schon anregend.“ Andrew machte sich weitere Notizen, sah ihn dann an und sprach: „Na da haben wir doch schon einen groben Plan. Wollen Sie bei den Dreharbeiten dabei sein?“ Schnell schüttelte Phillip den Kopf und erklärte: „Eigentlich will ich nicht einmal hier sein. Wenn jemand sieht, dass ich so ohne offiziellen Anlass mit Ihnen zu tun habe, können daraus ganz schnell schlimme Gerüchte entstehen. Ich lasse mich gerne überraschen.“ „In Ordnung.“, erwiderte Andrew nur, sah zurück auf den Zettel und rechnete ein wenig.

An den unteren Rand des Papierbogens schrieb er dann eine Zahl, schob ihn über den Tisch und sagte: „Das werden Sie meine Dienste kosten. Es ist alles enthalten, Honorar für die Schauspieler und Crew, Produktion etc. Und es wird nur eine einzige Ausführung des Endproduktes geben, das ich Ihnen aushändige, ein Unikat eben. Sämtliche anderen Materialien werden wir spurlos vernichten. Vertraulichkeit steht an oberster Stelle. Es ist Ihr Film und Sie entscheiden wer ihn sieht. Die Hälfte des Betrags ist im Voraus fällig, die andere Hälfte bei Übergabe, natürlich in bar. Sind Sie damit einverstanden?“ Phillip nickte zufrieden, stand auf und erwiderte: „Dass ich hier nichts unterschreibe, ist Ihnen hoffentlich klar. Ich kann auf Ihr Wort vertrauen?“ Andrew stand nun ebenfalls auf und streckte Phillip mit den Worten: „Keine schriftlichen Verträge, keine Rückverfolgbarkeit. Sie können auf mich zählen.“, die Hand entgegen. Kruger schlug ein, der Vertrag war gültig. Auf dem Weg hinaus sagte er noch: „Ich werde Ihnen das Geld so bald wie möglich zukommen lassen.“ Danach stieg er in seinen Wagen und fuhr davon.

Nachdenklich blieb Andrew am oberen Ende der Eingangstreppe stehen und sah dem Auto hinterher. Simon gesellte sich zu ihm und fragte: „Und? Was wollte er?“ „Er hat einen Film bestellt.“, antwortete Trevis ein wenig überrascht und ging ohne ein weiteres Wort wieder ins Haus.

Simon folgte ihm sogleich nach und hinterfragte die Angelegenheit: „Sind Sie sicher, dass das eine gute Idee ist? Kruger ist ein sehr einflussreicher Mann mit vielen Kontakten.“ Trevis blieb abrupt stehen, wand sich seinem Butler zu und konterte: „Das sind Richter Stevens und Polizeichef Winter ebenfalls und die nehmen noch ganz andere Dienste in Anspruch. Vielleicht hat Kruger ja Wind davon bekommen und möchte bald auch zu dem auserlesenen Kreis zählen. Für mich ist er im Moment nur ein wandelnder Sack voll Geld und ich mache mir keine Sorgen über verborgene Absichten. Wenn er die hätte, würde er versuchen mir anderweitig ein Bein zu stellen. Die Macht dazu hätte er.“

Skeptisch blieb Simon zurück als sein Chef in seinem Büro verschwand, widmete sich dann aber lieber wieder seinen normalen Aufgaben und versuchte nicht weiter darüber nachzudenken.

10

 

Am nächsten Nachmittag ließ sich überraschend ein Bote im Devil’s Mansion blicken. Simon empfing den unerwarteten Gast und nahm höflich den Aktenkoffer entgegen, den er mit sich führte. Als Andrew den Koffer öffnete, traute er seinen Augen kaum. Tatsächlich hatte Kruger so schnell die Anzahlung für den Film vorbeigeschickt. Das hieß also, er musste sich darum kümmern, dass die Dreharbeiten in die Gänge kamen und sich ein interessantes Drehbuch für den Kurzfilm ausdenken.

Unterdessen beschäftigten Daves Einwände Sheryl wesentlich stärker als sie zugeben mochte. Deshalb recherchierte sie ein wenig um eventuell doch mehr über ihren geheimnisvollen Verehrer herauszufinden. Offensichtlich gab es wirklich nur wenige Informationen, die sie auf Anhieb finden konnte. Vielleicht war er ja aber auch nur sehr auf Privatsphäre bedacht. Sollte er tatsächlich einmal Mitglied einer Sekte gewesen sein, hatte er eventuell sogar den Namen geändert um dieser zu entkommen. Das waren alles Dinge, die es noch herauszufinden galt.

Die Einladung zum Dinner ins Devil’s Mansion bereitete ihr trotzdem ein wenig Unbehagen. Das Anwesen lag recht abgeschieden und Dave hatte sie mit seiner Paranoia angesteckt. Was wenn dieser Typ nicht der war, der er vorgab zu sein?

Um nun herauszufinden wie ernst es Andrew mit ihr meinte, dachte sich Sheryl deshalb etwas aus und rief bei ihm an. „Hey Andrew!“, begrüßte sie ihn freundlich am Telefon und trug ihr Anliegen vor: „Wegen Samstag wird bei mir leider nichts. Ich bekomme am Sonntag Besuch von meiner Schwester und deren Kindern. Das hatte ich völlig vergessen.“ „Und warum wird das dann Samstag nichts, wenn du erst Sonntag Besuch kriegst?“, erwiderte er hinterfragend. Auch darauf wusste Sheryl eine überzeugende Antwort: „Na ja, wenn ich so an unsere letzten zwei Treffen denke, könnte es Samstag sehr spät werden. Und da dein Haus ja doch etwas abgelegen ist, habe ich die Befürchtung Sonntag nicht rechtzeitig wieder da zu sein.“ Irgendwie bekam er den Eindruck, dass diese Entschuldigung nicht ganz aufrichtig war und hielt ihr deshalb entgegen: „Na wenn das so ist, können wir unser Date ja auch zu dir verlegen. Da bist du dann auf jeden Fall rechtzeitig daheim und kannst mich rausschmeißen wann immer du willst.“ Er hatte den Test bestanden. Jetzt musste Sheryl diesen Kerl zwar in ihr Haus lassen, war sich aber sicher, dass ihm wirklich etwas an den Treffen lag.

Mit ihren Ermittlungen in dem Fall der entführten Frauen kamen sie derweilen leider nur schleppend voran. Täglich durchforstete Sheryl die Datenbank nach neuen passenden Einträgen und langsam wuchs die Zahl. Wenn sie sich sicher war, dass es sich um eine Entführte wie Christine handelte, forderte sie die kompletten Unterlagen bei ihren Kollegen der zuständigen Reviere an. Doch das brauchte alles seine Zeit. Für jedes Dokument musste sie einen Antrag stellen und so gingen einige Tage ins Land bis sie alles beisammen hatte.

Das Bild wurde allmählich komplett. Die Vorgehensweise der Täter wies ein Muster auf. Sie griffen sich ihre Opfer aus Bars und Diskotheken, wahrscheinlich indem sie ihnen etwas ins Getränk schütteten, nahmen sie mit an einen unbekannten Ort, wo sie gefesselt und wehrlos ein regelrechtes Martyrium über sich ergehen lassen mussten. Keine Aussage lieferte einen konkreten Hinweis, wo genau sich dieser Ort befand. Immer war die Rede von mehreren Männern, die sich nacheinander an ihnen vergingen. Der einzige Unterschied lag in der Art und Weise wie sie gefesselt, gefoltert und den Perversen regelrecht auf dem Silbertablett präsentiert wurden, ob nun auf einer Streckbank, einem gynäkologischen oder sogar einem elektrischen Stuhl. Sheryl mochte sich nicht ausmalen, wie man sich in solch einer Situation wohl fühlte. Inzwischen hatten sie auch die Namen der anderen Lokale herausgefunden, in denen die Frauen vor ihrer Entführung feiern waren und hatten die stille Hoffnung gehabt, dass wenigstens die gleiche Security- Firma für alle zuständig war. Doch leider gab es auch hier keinen gemeinsamen Nenner. Also blieb ihnen vorerst nur übrig die Wachmänner zu befragen, die am Tag von Christines Entführung im Club Coalition zugegen gewesen waren. Vielleicht hatte ja doch einer etwas Merkwürdiges gesehen und nur nicht gemeldet.

Sheryl erledigte die nötigen Telefonate und machte Treffen für die kommende Woche aus während Dave versuchte die Namen und Nummern der zuständigen Sicherheitsleute der anderen Clubs herauszufinden, mit denen sie dann telefonische Befragungstermine arrangierten. Eventuell hatte ja einer von denen etwas bemerkt.

Da sie noch immer völlig im Dunkeln tappten, waren sie gezwungen nach jedem Strohhalm zu greifen.

Freitagabend stand dann auf einmal ihr Vorgesetzter vor Sheryls Schreibtisch und sprach sie mit ernster Miene an: „Detective Chief Inspector Sneider, dürfte ich erfahren welche weiterführende Schritte Sie bezüglich der Entführungsfälle ergriffen haben? Ich bekam heute einen seltsamen Anruf meines Vorgesetzten. Er meinte, Sie würden sich in die Arbeit der anderen Reviere einmischen. Was genau soll das heißen?“ Sheryl lehnte sich zurück und antwortete: „Wow Baskin, so offiziell heute? Ich kann mich nicht entsinnen, dass es verboten ist mit anderen Dienststellen zusammenzuarbeiten. Vor allem habe ich für jedes ausgehändigte oder kopierte Dokument einen Antrag ausgefüllt. Ich weiß nicht wo das Problem sein soll.“ Ihr Chef zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Dave hatte den Auftritt natürlich mitbekommen und gesellte sich am Rande dazu. Dann sprach der Mann leiser weiter: „Ich weiß Sheryl und denke auch, dass gerade Sie jemand sind, der sich an die Spielregeln hält. Scheinbar gefällt dem Deputy Chief Constable nicht wie Sie Ihre Ermittlungen führen. Er will einen kompletten Bericht und ist der Meinung, dass eine andere Dienststelle wohl eher dafür zuständig oder besser geeignet wäre. Was haben Sie denn bis jetzt herausgefunden?“ „Eigentlich noch nicht viel.“, erwiderte Sheryl und erklärte: „Uns ist nur aufgefallen, dass es solche Fälle wie bei unserer Christine landesweit gibt und das schon seit Jahren. Anscheinend ist das bisher niemandem aufgefallen. Diese Entführungen werden akribisch geplant und die Spuren verdammt gut verwischt. Es gibt bisher keine Zusammenhänge zwischen den Opfern und nur ein Muster bezüglich des Tathergangs und des Zeitraums.“ „Des Zeitraums?“, funkte ihr Chef dazwischen. „Ja, die Entführungen finden immer im Frühjahr und im Herbst innerhalb weniger Tage statt. Deshalb vermuteten wir schon eine Sekte dahinter, stecken aber auch auf dieser Seite noch in einer Sackgasse. Und es handelt sich um eine steigende Anzahl an Entführungen. Wir haben uns durch die älteren Aufzeichnungen gewühlt und herausgefunden, dass es am Anfang scheinbar nur drei Opfer waren, jetzt sind wir schon bei sechs, wobei immer eine der Frauen auch getötet wird.“, erzählte sie weiter. Aufmerksam hörte ihr Chef zu, grübelte dann kurz nach und antwortete bedächtig: „Also, hier handelt es sich um ein landesweites Phänomen, das bisher keiner bemerkt hat, mit einer steigenden Anzahl an Opfern. Ich denke, Sie sind da einer großen Sache auf der Spur und möchte, dass Sie beide an dem Fall dran bleiben.“ „Was ist mit dem Constable?“, fragte Dave dazwischen. Sein Boss schaute ihn daraufhin prüfend an und erwiderte: „Den krieg ich schon in den Griff.“ Baskin klopfte zuversichtlich auf die Tischplatte und kehrte dann zurück in sein Büro.

Sofort nahm Dave den freien Platz ein und flüsterte: „Was läuft denn da?“ Sheryl schüttelte den Kopf und erwiderte ebenso leise: „Also kommt dir die Sache auch irgendwie komisch vor?“ Beide nickten sie bedeutungsvoll. Angespannt ließen sie die Gedanken kreisen. Kamen sie eventuell einer Sache auf den Grund, die bisher jemand zu verschleiern versucht hatte? Wenn dem wirklich so war, mussten sie ab sofort wesentlich vorsichtiger vorgehen.

Auf einmal grinste Dave seine Kollegin an und meinte: „Sag mal, triffst du dich eigentlich noch mit deinem Lover?“ Daraufhin raufte sich Sheryl durchs Haar und konterte peinlich berührt: „Das ist nicht mein Lover! Und ja, wir treffen uns morgen. Er kommt zu mir und ich werde versuchen ihm ein paar Details über seine Sektenerfahrung herauszulocken.“ „Ist das alles, was du herauslocken möchtest?“, stichelte Dave und wich blitzschnell ihrem Schlag aus. „Was hat er eigentlich gesagt, als du ihn mit dem Studio konfrontiert hast?“, bohrte er kurz darauf weiter. Sheryl atmete tief durch und erklärte verhalten: „Er hatte schon damit gerechnet, dass ich das herausfinden würde, und mir indirekt versichert, dass ich keine weiteren Leichen dieser Art in seinem Keller finden würde.“ „Oh, na dann, lass dich mal überraschen.“, stellte Dave überzogen fest, schlenderte lachend zu seinem Schreibtisch, krallte sich seine Jacke und sie verabschiedete sich fürs Wochenende.

Je näher der Samstagabend rückte, desto nervöser wurde Sheryl. War das wirklich eine gute Idee gewesen Andrew in ihr Haus einzuladen? Unsicher saß sie im vollkommen stillen Wohnzimmer auf dem Sofa, genoss ein Glas Wein zum Lockerwerden und wartete auf das Klingeln.

Ein Wagen fuhr plötzlich mit quietschenden Reifen vor und hielt an. Sie konnte die lautstark scheppernde, bösartige Musik hören als jemand aus dem Auto ausstieg. Und schon wenige Augenblicke später schrillte die Türklingel.

Sheryl trank ihr Glas mit einem Zug aus, atmete noch einmal tief durch und öffnete schließlich schwungvoll die Haustür. Überrascht musterte sie dann Andrew, der völlig leger in Jeans und Shirt am Türrahmen lehnte und gerade den letzten Stummel seiner Zigarette auf den Rasen schnipste. Sogar sein Haar trug er heute offen. „Ich hab dich fast nicht erkannt.“, gab Sheryl ihre Verwunderung zu und erntete ein breites Schmunzeln. „Worauf hast du Lust?“, erwiderte er dann freundlich. Sie zuckte mit den Schultern und antwortete unentschlossen: „Wenn ich dich so ansehe, hätte ich direkt Lust in eine Sportsbar zu gehen, Chickenwings zu knabbern und ein paar Bierchen zu trinken.“ „Okay!“, rief Andrew sofort aus, griff nach Sheryls Hand und legte fest: „Ich fahre.“ Sie konnte sich gerade noch den Schlüssel schnappen und die Tür hinter sich zuziehen. So schnell saßen sie schon im Wagen und er raste wie ein Irrer davon.

Nachdem Andrew das zweite Stoppschild einfach überfahren hatte, musste sich Sheryl doch einmal zu Wort melden: „Du weißt schon, dass ich Polizistin bin und dich eigentlich festnehmen müsste, wenn du weiter so rücksichtslos fährst. Außerdem bist du viel zu schnell unterwegs.“ Bei seinem riskanten Fahrstil wurde ihr Himmelangst. Sofort verlangsamte Andrew das Tempo und entschuldigte sich grinsend: „Tut mir leid, ich habe selten Passagiere. Da geht es manchmal etwas mit mir durch.“ „Wen interessieren schon Verkehrsregeln?“, bemerkte Sheryl daraufhin sarkastisch.

Sie hielten auf dem Parkplatz vor der Sportsbar an und gingen rein. Zwischen Bier, Snacks und ein paar amüsanten Runden Billard verging der Abend ziemlich schnell. Auf seine freche Art verstand es Andrew sehr gut für Unterhaltung zu sorgen. Er stänkerte und stichelte, kniff ihr sogar einmal in den Hintern um sie vom Spiel abzulenken und zu tricksen und brachte Sheryl damit immer wieder zum Lachen.

Als das eingewechselte Kleingeld langsam zur Neige ging, beschlossen sie den Teil des Abends zu beenden. Vor der Tür der Bar fragte Andrew seine Begleiterin: „Soll ich dich heim fahren?“ „Oh Gott nein!“, ereiferte sie sich gleich und erklärte beschwipst: „Du hast mehr Bier getrunken wie ich, du fährst heute nirgendwo mehr selbst hin, mein Freund.“ „In Ordnung. Ich ruf ein Taxi.“, lenkte Andrew lächelnd ein.

Das Taxi hielt vor Sheryls Haus. „Ich bring dich noch zur Tür.“, sagte Andrew sogleich und wollte aussteigen. Doch kurz hielt Sheryl ihn zurück und fragte: „Willst du vielleicht noch auf einen Kaffee mit reinkommen?“ „Meinst du Kaffee Kaffee oder was anderes?“, hakte er daraufhin nach. Sie lächelte aber nur und stieg aus. Andrew drückte dem Taxifahrer ein paar Geldscheine in die Hand und folgte ihr eilig nach.

Gemeinsam ließen sie sich im Wohnzimmer aufs Sofa fallen. Sheryl hatte ein zweites Glas geholt und schenkte den Rest aus ihrer angerissenen Weinflasche ein. Nachdem sie angestoßen hatten, wagte sich Andrew endlich einen Schritt vorwärts und fragte so beiläufig er konnte: „Sag mal, wie entwickelt sich eigentlich dein Fall mit den Entführungen?“ „Wie kommst du denn da jetzt drauf?“, antwortete sie überrascht. Achselzuckend gab er zu: „Ach keine Ahnung. Es kam mir eben in den Sinn.“ Sie lächelte ihn an und meinte: „Über laufende Ermittlungen darf ich nicht reden. Du weißt eh schon mehr als alle anderen. Also sag ich nur so viel, wir sind noch dabei diverse Leute zu befragen, Sicherheitsfirmen, Barbetreiber und so weiter. Es ist eben mühselige Kleinarbeit.“ Sie schwiegen kurz bevor nun auch Sheryl ihre Chance ergriff: „Da fällt mir ein, wolltest du nicht versuchen Kontakt zu alten Bekannten aufzunehmen?“ Andrew zischte Luft zwischen seinen Zähnen hindurch und erläuterte dann: „Ja, das war der Plan. Blöderweise sitzen die Bekannten, an die ich gedacht habe, mittlerweile alle im Knast. Da ist es mir doch ein wenig zu riskant mit denen in Kontakt zu treten. Immerhin sind da früher ein paar ziemlich hässliche Geschichten abgelaufen.“ „Willst du mir davon erzählen?“, hakte sie nach. Er schüttelte den Kopf und erklärte: „Nein, lieber nicht. Ich will dir keine Angst damit machen, was so hinter verschlossenen Türen abläuft.“ Nach diesen Worten stellte er sein Glas ab und schaute Sheryl mit einem hintergründigen Schmunzeln an. Sie verzog fragend das Gesicht, woraufhin er sich zu einem Kuss annäherte und nicht sogleich wieder damit aufhörte. Sie genoss es, auch wie er sich an sie schmiegte und ihr durchs Haar strich.

Als dann aber seine Hand weiter gen Süden wanderte, über ihren Oberschenkel streichelte und sich ganz langsam nach Innen vorarbeitete, musste sie ihm Einhalt gebieten. Schnell ergriff sie sein Handgelenk und hielt ihn davon zurück weiterzumachen. „Heute nicht.“, flüsterte sie ihm anschließend zu. Ohne Einwand kam er ihrer Bitte nach, gab ihr noch einen Kuss und fragte anschließend: „Willst du dass ich gehe?“ „Nein.“, hauchte Sheryl.

Ein wenig musste Andrew jetzt schon gegen seine Natur ankämpfen um ganz entspannt zu bleiben. Aber er wollte es sich mit Sheryl auch nicht verscherzen. Also lehnte er sich einfach nur zurück und zog sie an sich.

Als er wieder aufwachte, lag er quer auf dem Sofa, Sheryl halb auf ihm, den Kopf auf seiner Brust und ruhig atmend. Er war tatsächlich eingeschlafen und sie hatte ihn die ganze Nacht lang als Kopfkissen missbraucht.

Völlig verspannt versuchte er sich daraufhin zurechtzurücken, wodurch Sheryl aufwachte und sich räkelte. Sie brummte: „Oh man, wir sind eingeschlafen?“ „Ja.“, stellte Andrew nüchtern fest und ließ die Wirbel in seinem Genick knacken. „Das klingt echt ungesund.“, sagte sie jetzt, stand auf, streckte sich und fragte: „Willst du einen Kaffee?“ Nachdem er nun auch seine Rückenwirbel eingerenkt hatte, antwortete er lächelnd: „Oh ja, bitte!“

Beim Kaffee sagte er dann: „Ich fand das gestern Abend richtig lustig. Wann wiederholen wir das?“ Sheryl schaute ihn über den Rand ihrer Kaffeetasse hinweg an und antwortete: „Ich würde meinen, nächsten Samstag bei dir zum Dinner?“ „Dein Ernst?“, erwiderte er. Sie nickte lächelnd. Nach einem weiteren Schluck stellte er schon beinahe schüchtern fest: „Das ist aber noch ganz schön lange hin.“ „Wirklich?“, kam es ungläubig von ihr zurück und die Aussage: „Du wirst das schon aushalten. Ich habe diese Woche leider sehr viel zu tun. Okay?“ Andrew grinste sie an und erwiderte: „Geht in Ordnung. Ich reiß mich zusammen. Telefonieren werden wir aber vorher schon noch mal, oder?“ Sie nickte.

Nachdem sie sich verabschiedet hatten, setzte sich Andrew in ein Taxi, holte seinen Wagen vom Parkplatz der Sportsbar und machte sich auf den Weg ins Filmstudio. Da Kruger bereits die Anzahlung geleistet hatte, sollte er sich allmählich um die Vorbereitungen kümmern.

11

 

Im Studio wurde er freundlich von Thomas, seinem Sicherheitschef, empfangen.  Er war der Einzige hier, dem er wirklich vertraute oder eben vertrauen musste. Neben Simon wusste er mehr über die Dinge, die hinter den verschlossenen Türen von Devil’s Mansion oder in diesem Studio abgingen, als irgendwer anders. Er war der Mittelsmann, wählte die Sicherheitsleute aus und kümmerte sich um den reibungslosen Ablauf aller Events und Dreharbeiten. Andrew belohnte ihn großzügig für seine Dienste, hatte aber auch noch ein weiteres Druckmittel in der Hand, sollte sich Thomas einmal gegen ihn stellen wollen. Denn dieser Kerl war ein Mörder und Andrew hatte ihm vor ein paar Jahren dabei geholfen diese unschöne Geschichte gut zu vertuschen. Seitdem arbeitete der Mann für ihn.

Wenn er so darüber nachdachte, bestand sein Mitarbeiterstab generell aus sehr zwielichtigen Gestalten. Diese Leute konnte er mit Geld und Erpressung gut in Schach halten und sich damit ihrer Loyalität halbwegs sicher sein.

Drinnen fand er Paul dabei vor, wie er gerade die Kameratechnik wartete und ging mit den Worten: „Wir haben einen neuen Privatfilmauftrag.“, auf ihn zu. Paul erschrak sichtlich und begrüßte Andrew respektvoll: „Hallo Mister Trevis. Heute so leger? Ich hab gar nicht mit Ihnen gerechnet. Worum geht es denn?“ Andrew grinste ihn an und erklärte: „Nächsten Sonntag wird gedreht. Das Script kriegst du heute Nachmittag. An sich ist es keine große Sache, zwei Mädels, ein Typ, bisschen Action.“ „Geht klar.“, antwortete Paul fast schon unterwürfig. Sein Chef war ihm einfach unheimlich.

In seinem Büro angekommen, suchte Andrew nun nach den passenden Schauspielern für Krugers Film. Da der keine genauen Angaben gemacht hatte, stand es ihm also frei, wen er für diesen Streifen verheizen würde. Meistens machten die Frauen nur ein Mal bei so einer Sache mit und hatten danach die Schnauze voll. Er hatte bisher schon so einige Beträge als Schweigegeld oder Entschädigung locker machen müssen, damit sie ihn nicht anzeigten. Bisher hatte das immer recht gut funktioniert.

Er entschied sich daraufhin für zwei hübsche junge Mädels, die es erst neu in die Kartei geschafft hatten und damit nicht wussten, was auf sie zukommen würde. Den männlichen Part wollte er ursprünglich einen seiner alten Bekannten spielen lassen, doch irgendwie war der schon seit Tagen verschollen. Darauf konnte er sich also nicht verlassen und suchte sich deshalb einen anderen Kerl heraus, dem er eine ähnliche Rigorosität zutraute.

Kurz darauf waren das Script geschrieben, die Schauspieler engagiert und Rick als Regisseur eingewiesen. Paul, ein erfahrener Kameramann, würde ihm zur Seite stehen und bei der technischen Umsetzung helfen.

Für Sheryl begann die Woche weniger spannend. Sie hatte eine ganze Reihe an Interviews vor sich und hoffte, dass wenigstens einer der fünf Sicherheitsleute im Coalition etwas gesehen hatte. Dave kümmerte sich derweilen um die ersten telefonischen Befragungen der Security- Männer, die am Tag der letzten Entführungen in den entsprechenden Lokalen zugegen gewesen waren.

Mit den ersten zwei Typen hatte sie kein Glück. Die Männer waren nicht sehr gesprächig und auch Dave konnte nicht wirklich viel in Erfahrung bringen.

Beim Dritten entschied sie sich daher die Taktik ein wenig zu ändern. Sie traf sich mit ihm in einer Kneipe und begann ein lockeres Gespräch: „Waren sie an dem besagten Abend im Club unterwegs oder am Einlass beschäftigt?“ „Ich war unterwegs.“, sagte er freundlich und nippte an einem Bier. „Ist Ihnen etwas oder besser gesagt jemand bei einem Ihrer Rundgänge aufgefallen?“ Er schüttelte den Kopf und erwiderte: „Tut mir leid. Ich kann mir schon denken, worauf Sie hinaus wollen, aber ich habe wirklich nichts mitbekommen. Ich würde Ihnen gern mehr erzählen. In den Clubs ist an den Wochenenden nur immer dermaßen viel los. Die Leute kommen und gehen und wir sind damit beschäftigt einen geregelten Ablauf zu koordinieren, auf Betrunkene Acht zu geben und Streitigkeiten zu schlichten. Unter Alkoholeinfluss haben sich manche Leute einfach nicht mehr unter Kontrolle.“ „Und Ihnen ist zufällig auch keine stark alkoholisierte Frau aufgefallen, die sie eventuell raus bringen mussten?“, fiel Sheryl ihm ins Wort. Er dachte kurz nach und erwiderte dann: „An einen speziellen Fall kann ich mich nicht erinnern. Die meisten Leute sind ja auch nicht alleine feiern und die Begleiter kümmern sich dann wenn einer total abstürzt. Nur wenn die es nicht mehr schaffen, wenden sie sich an uns.“ Sheryl war in eine weitere Sackgasse geraten und sie wusste nicht recht, warum sie plötzlich die folgende Frage stellte: „Waren Sie schon mal für das Devil’s Studio eingeteilt?“ Ungläubig starrte der Mann sie daraufhin an und antwortete: „Nein, den Job kriegen nur ausgewählte Jungs.“ „Ach wirklich?“, erwiderte sie überrascht und ließ den Wachmann erklären: „Es sind immer die gleichen zwei, die bei den Partys dort für Ordnung sorgen dürfen. Ich hatte mich auch schon mal angeboten, weil der Einsatz wirklich verdammt gut bezahlt wird und man ein paar hübsche Frauen zu sehen bekommt, das wollte aber mein Chef nicht. Anscheinend ist der Sicherheitsbeauftragte da sehr streng und lässt nicht zu, dass fremde Leute hin kommen. Ich hab keine Ahnung was dort so Geheimnisvolles passieren soll, aber man muss diese Entscheidung wohl respektieren. Leider.“ „Würden Sie mir bitte die Namen der zwei geben, die für den Job engagiert werden?“, bat Sheryl daraufhin höflich.

Wenn sie schon nicht bei ihrem eigentlichen Fall vorwärts kam, so wollte sie doch wenigstens ein bisschen ihre Neugier bezüglich Andrews Zweitfirma befriedigen. Obwohl sie ihm nicht mehr ganz so skeptisch gegenüber stand wie noch vor ein paar Wochen, hatte sie dennoch das Gefühl er würde ihr etwas sehr Wichtiges verheimlichen. Sie mochte ihn mittlerweile wirklich, schämte sich fast schon etwas für ihre Schnüffelei und trotzdem konnte sie es nicht sein lassen.

Sie arrangierte daraufhin eine Befragung mit den zwei Kandidaten und biss dabei regelrecht auf Granit. Die Männer weigerten sich beharrlich Details preiszugeben, verwiesen immer wieder auf den Schutz der Interessen ihres Kunden und verrieten im Endeffekt gar nichts. Also fasste sie einen Entschluss und fuhr direkt zu dem Studio hin.

Sobald sie den Wagen auf dem Gelände abgestellt hatte und ausgestiegen war, eilte schon ein Mann auf sie zu. Höflich aber bestimmt sprach er sie an: „Wie kann ich Ihnen helfen?“ Sheryl zückte sogleich ihre Dienstmarke und bemerkte: „Ich habe nur ein paar Fragen.“ Er musterte sie aufmerksam und erwiderte: „Bezüglich was?“ „Wer sind Sie?“, entgegnete sie forsch und bekam zur Antwort: „Der Sicherheitschef und Sie haben keinen Termin.“ Scheinbar waren alle, die mit dieser Firma zu tun hatten extrem verschlossen. Was hatten die wohl zu verbergen?

Sheryl versuchte die Situation zu entschärfen und redete auf den Mann ein: „Also gut. Eigentlich geht es mir um Folgendes. Ich ermittle in einem Entführungsfall und zwei ihrer Security- Mitarbeiter könnten etwas darüber wissen.“ „Wie kommen Sie darauf? Wir haben hier keine eigenen Security- Leute. Wir engagieren die von externen Firmen. Und glauben Sie mir, wir haben ein strenges Auswahlverfahren. Die Leute sind sauber.“ „Ich sage ja auch nicht, dass sie etwas getan haben, sondern nur, dass sie etwas wissen könnten. Sind die denn zufällig vor Ort, damit ich sie befragen kann?“, flunkerte Sheryl weiter. Der Mann sah sie scharf an und antwortete: „Nein. Wie gesagt, wir engagieren die von externen Firmen, dann wenn wir sie brauchen.“ „Darf ich mich hier ein wenig umsehen?“, fragte Sheryl nun unverblümt auch wenn sie die Antwort bereits kannte. Der Sicherheitschef schüttelte den Kopf und ereiferte sich: „Nein, dürfen Sie nicht. Das hier ist ein Privatgrundstück und ich kann sie nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Geschäftsführers oder Durchsuchungsbefehl rein lassen. Wenn Sie das Gelände so interessiert, wenden Sie sich doch bitte direkt an Herrn Trevis und machen Sie einen Termin aus. Ich kann da keine Ausnahmen machen, auch wenn Sie von der Polizei sind. Guten Tag.“

An dieser Stelle kam sie wohl nicht weiter. Trotzdem verabschiedete sie sich freundlich, stieg wieder in den Wagen und fuhr davon.

Thomas wartete so lange bis er das Auto nicht mehr sehen konnte, ging dann ins Büro und hängte sich sofort ans Telefon. Simon stellte ihn direkt zu Andrew durch und der Sicherheitschef erklärte seinen unerwarteten Anruf: „Hier war vorhin ein ungebetener Gast auf dem Gelände, eine Polizistin.“ Andrew horchte sogleich auf und hakte nach: „Ach wirklich? Was wollte sie denn?“ „Sie wollte sich umsehen und hat komische Fragen über unsere Sicherheitsleute gestellt.“, antwortete Thomas. „Ich hoffe du hast sie schleunigst wieder abgewimmelt.“, wollte Andrew gleich wissen. „Natürlich!“, rief der Sicherheitschef daraufhin aus und redete weiter: „Ich wollte dich nur vorwarnen, falls die auf die Idee kommt bei dir vorbeizuschneien.“ „Oh, das wird sie.“, murmelte Andrew, sprach dann aber lauter: „Alles klar. Danke für die Warnung.“

Er war sich ziemlich sicher, dass es sich bei der besagten Polizistin um Sheryl handelte und wunderte sich schon ein wenig darüber. Aber im Moment blieb keine Zeit darüber nachzudenken, denn erneut klingelte das Telefon. Der Mann am anderen Ende der Leitung sagte nur: „Stevens will Sie sehen. Fünfzehn Uhr, altes Kabelwerk, kommen Sie allein.“ Andrew wurde unmittelbar ein wenig schlecht. Betreten legte er auf. Richter Christian Stevens war wohl einer seiner einflussreichsten Kunden. Er kannte die Schmutzwäsche aller anderen und nahm dadurch eine scheinbar unantastbare Machtposition ein. Andrew hatte großen Respekt vor ihm auch wenn er wusste, dass dieser Typ genau so ein Perverser war wie die restlichen Kerle.

Als er dann später alleine auf das verlassene Fabrikgelände fuhr, stand schon eine schwarze Limousine da. Er fühlte kurz unter seinem Sitz, zog die Pistole, die er generell im Wagen dabei hatte, steckte sie unter sein Shirt in den hinteren Hosenbund, kontrollierte danach die Griffbereitschaft seines Messers, das er immer im Stiefel trug, und stieg anschließend selbstbewusst aus. Die Limousine gab Lichthupe, er ging langsam hin, öffnete eine hintere Tür und setzte sich hinein.

Ohne Begrüßung begann Stevens gleich sein Anliegen zu äußern: „Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie sich neuerdings mit einer Polizistin vergnügen. Ist da was dran?“ Andrew nickte, woraufhin sich der Richter ein wenig vor beugte und bedrohlich flüsterte: „Mir gefällt das ganz und gar nicht. Welchen Zweck verfolgen Sie mit diesem gefährlichen Spiel?“ Äußerlich entspannt lehnte sich Andrew zurück und erklärte: „Sie ist die leitende Ermittlerin in einem Entführungsfall. Und zwar handelt es sich um eine der jungen Frauen, die Sie und Ihre Kumpels vor kurzem genossen haben. Ich habe mich also aus reiner Vorsicht mit dieser Polizistin eingelassen um auf dem Laufenden zu bleiben.“ „Sind Sie denn völlig irre?“, fuhr Stevens Andrew an und zischte: „Ich werde bewirken, dass ihr der Fall entzogen wird und Sie beenden diese hirnrissige Beziehung, bevor Sie noch alles versauen!“ „Ich glaube nicht, dass ich das tun sollte. Momentan kann ich sie dadurch ziemlich gut im Auge behalten und vielleicht macht es sie misstrauisch wenn ich mich jetzt so plötzlich von ihr distanziere.“, erwiderte Andrew aber gelassen. Innerlich war er dagegen komplett aufgewühlt. Mit Stevens durfte er es sich keinesfalls verscherzen. Er musst ihn irgendwie beruhigen und zeigen, dass er alles unter Kontrolle hatte. Der Richter war nicht erbaut und drohte: „Ich sage es Ihnen nur ein Mal. Wenn die Geschichte wegen Ihnen in die Luft fliegt, dann werde ich Sie zerstören.“ Andrew brachte nur ein unsicheres Lächeln zustande, stieg schnell aus der Limousine aus und sah zu wie sie davon fuhr.

Das Risiko war ihm vollkommen bewusst und dennoch reizte ihn das Katz und Maus Spiel mit Sheryl. Solange er noch nicht auf ihrer Verdächtigenliste stand, konnte er wenigstens beobachten und ihre Ermittlungen verfolgen. Dass Stevens ihr irgendwie den Fall wegnehmen würde, daran hegte er keinen Zweifel, nur wie schnell würde das geschehen und mit welcher Begründung?

12

 

Wieder daheim musste sich Andrew erst einmal einen Drink genehmigen. Nur langsam sackte Stevens Drohung. Dieser Mistkerl würde ihn wahrscheinlich auf die grausamste Art und Weise umbringen lassen, wenn die Geschichte ans Licht kam. Das galt es unbedingt zu vermeiden. Tief schaute er in sein leeres Glas, schenke sich Whisky nach und trank es mit einem Zug leer. Abrupt kam ihm jetzt auf einmal der Anruf von Thomas wieder in den Sinn. Sheryl war also tatsächlich auf dem Studiogelände gewesen? Warum? War sie nur neugierig oder hatte sie einen Hintergedanken dabei gehabt? Am liebsten hätte er sie sofort angerufen und zur Rede gestellt, doch es war sinnvoller sich das für Samstag aufzuheben. Dennoch griff er zum Telefon.

Sheryl war sich inzwischen ziemlich sicher, dass dieser Sicherheitschef Andrew Meldung über ihr Erscheinen auf dem Studiogelände machen würde. Bei dieser Eingebung wurde ihr ein wenig mulmig zumute. Wie würde Andrew reagieren, ob er sauer darüber war?

Das Telefon riss sie plötzlich aus ihren Gedanken. Aufgeschreckt sah sie auf die Nummer im Display und murmelte: „Jetzt reicht es schon an den Teufel zu denken.“ Mit geheuchelter Fröhlichkeit ging sie ran: „Na hallo! Ich habe gerade an dich gedacht.“ Andrew musste sich zusammenreißen um sich nicht zu verplappern und flirtete stattdessen: „Ich hoffe es waren gute Gedanken. Bleibt es bei Samstag?“ „Aber natürlich.“, bestätigte Sheryl weiterhin fröhlich. „Gut, dann lasse ich dich gegen achtzehn Uhr von der Limousine abholen und wir machen uns einen schönen Abend. Einverstanden?“, schlug Andrew also vor und wartete auf ihre Antwort. „Na dann bis Samstag. Ich freu mich drauf.“, säuselte Sheryl noch ins Telefon bevor sie sich verabschiedeten.

Es kribbelte zunehmend unter seinen Fingernägeln und am liebsten hätte er sie jetzt schon damit konfrontiert, doch wollte er das Treffen nicht gefährden. Also mäßigte er seine Ungeduld und versuchte gelassen zu bleiben.

Ihr war schlecht. Entweder wusste Andrew noch nichts von ihrem Besuch beim Studio oder er wollte sie am Samstag damit überfallen. Sie befürchtete, dass diese Angelegenheit ziemlich heikel werden könnte und musste sich deshalb nun dringend eine gute Ausrede überlegen.

Etwas betreten sinnierte sie über das bevorstehende Treffen nach. Devil’s Mansion war ein riesiges, recht abgelegenes Anwesen. Ohne ihr Auto würde sie nicht so schnell weg können, sollte die Situation eskalieren. War Andrew ein jähzorniger Typ? Zumindest erschien er ihr noch immer ein wenig undurchsichtig und sie hatte keine Ahnung wozu er wohl fähig war.

Dave bemerkte ihren finsteren Ausdruck und setzte sich zu ihr an den Tisch. „Ist irgendwas?“, fragte er einfühlsam. Sheryl starrte ihn daraufhin an und bemerkte: „Ich glaube, ich habe Mist gebaut.“ „Inwiefern?“, hakte ihr Kollege nach. „Ich war beim Filmstudio.“, offenbarte sie nun. Dave riss überrascht die Augen auf und prustete: „Ernsthaft? Wieso das denn?“ „Ich weiß auch nicht.“, erwiderte Sheryl und versuchte es zu erklären: „Ich hatte ein Gespräch mit den zwei Typen, die für die Partys dort als Sicherheitsleute engagiert werden. Und irgendwie sind alle im Zusammenhang mit diesem Studio extrem verschlossen. Also wollte ich mir die Bude mal ansehen, bin aber gleich von so einem selbsternannten Sicherheitschef ausgebremst worden.“ Sie machte eine kurze Pause bevor sie flüsternd weiter sprach: „Ich habe da ein ganz komisches Bauchgefühl. Das Gelände ist viel zu groß, als dass zwei Security reichen würden um eine Party abzusichern. Vielleicht sollten wir die anderen Firmen fragen, ob sie auch Leute dorthin abstellen. Was denkst du?“ Dave nickte zustimmend und fragte dann weiter: „Was genau macht dir denn jetzt eigentlich solche Sorgen? Du wirkst irgendwie ziemlich geknickt.“ Sie wusste nicht recht wie sie es erklären sollte und meinte: „Andrew hat mich gerade angerufen und gefragt ob am Samstag alles klar geht. Er hat kein Wort über meinen Besuch beim Studio verloren, obwohl ich mir zu einhundert Prozent sicher bin, dass dieser Sicherheitsfuzzi was gepfiffen hat. Und jetzt hab ich ein bisschen Schiss.“ „Wo trefft ihr euch?“, wollte Dave wissen. „Bei ihm. Ich werde abgeholt.“, antwortete Sheryl unsicher. Nachdenklich musterte Dave seine Kollegin und schlug ihr kurzerhand vor: „Lass uns folgendes ausmachen. Sagen wir, bis spätestens zwei Uhr nachts meldest du dich bei mir ob alles in Ordnung ist. Solltest du mir keine Nachricht schicken, komme ich persönlich dort hin und hol dich ab. Einverstanden?“ Dankbar lächelte Sheryl ihn daraufhin an, umarmte ihn und sagte leise: „Du bist ein guter Freund, Dave. Ich danke dir.“ „Eins frage ich mich aber noch.“, erwiderte er: „Wenn dir dieser Typ nicht ganz geheuer ist, warum triffst du dich weiter mit ihm? Und sag jetzt nicht wegen den Ermittlungen. Ich glaube nicht, dass uns Trevis irgendwie dabei weiterhelfen kann.“ Sheryl druckste herum und gab letztlich zu: „Ich finde ihn interessant. Er ist charmant, aufmerksam und hat einen guten Humor.“ Sofort legte Dave ein breites Grinsen auf und stellte fest: „Das klingt ja fast als hättest du dich verknallt.“ Ihm in den Arm boxend konterte sie schnell: „Erzähl nicht so einen Quatsch! Am Ende säst du noch dumme Gerüchte damit.“ „Weißt du, was du tun solltest?“, fuhr er gleich fort, stand auf und erklärte: „Du ziehst dir für euer nächstes Date einen richtig heißen Fummel an. Da verschlägt es ihm gleich die Sprache und er vergisst womöglich was er dir vorwerfen wollte.“

Schmunzelnd ging Dave nach diesem zweifelhaften Vorschlag zu seinem Schreibtisch zurück. Noch einmal wollte er die zuständigen Sicherheitsfirmen der anderen Lokale kontaktieren und herausfinden ob diese ebenfalls etwas mit dem ominösen Filmstudio zu tun hatten.Und tatsächlich stellte sich heraus, dass es insgesamt fünf Firmen gab, die regelmäßig ihre Angestellten an das Devil’s Studio vermieteten. Doch was genau hatte das zu bedeuten?

Am Freitag absolvierte Sheryl ihre letzten vereinbarten Befragungen mit den ausgewählten Wachleuten. Zusätzlich machten sie Termine für neue Interviews mit denen aus, die schon einmal im Filmstudio gewesen waren. Da sie jetzt auch alle Namen derer hatten, entschlossen sie sich spontan, diese doch einmal durch den Computer laufen zu lassen. Immerhin hatte der seltsame Sicherheitschef so darauf gepocht, dass die Leute sauber wären, dass ein kleiner Backgroundcheck wohl nicht schaden konnte. Und am besten war es wohl, ihn selbst gleich mit überprüfen zu lassen.

Kurz vor Feierabend stand dann auf einmal Baskin wieder auf der Matte und wollte sich dringend mit Sheryl und Dave unterhalten, nur dieses Mal in seinem Büro. Sobald die Tür hinter den Polizisten zugefallen war, legte er los: „Ich weiß nicht genau, wem ihr da auf den Schlips getreten seid, aber ich hatte schon wieder einen unangenehmen Anruf, nur dieses Mal von ganz oben. Es scheint als würdet ihr jemandem mit euren Ermittlungen gewaltig auf die Eier gehen und die versuchen euch nun den Fall wegzunehmen. Was habt ihr in Erfahrung bringen können? Mit wem habt ihr euch getroffen?“ „Die wollen was?“, ereiferte sich Sheryl während Dave fassungslos den Kopf schüttelte und bemerkte: „Irgendwas an der Sache stinkt doch gewaltig.“ Baskin wirkte nervös und sie überlegten angespannt, wen sie wohl verärgert haben könnten. Aber so richtig konnten sie sich gerade keinen Reim darauf machen.

Plötzlich sagte Sheryl: „Was wenn es Andrew ist?“ Dave schaute sie überrascht an, hielt es aber durchaus für möglich. Ihr Chef wollte dagegen wissen: „Welcher Andrew?“ Spätestens jetzt musste sie sich offenbaren und erklärte: „Andrew Trevis, der Eigentümer vom Devil’s Mansion. Wir haben die Sicherheitsfirmen überprüft, die für die Diskotheken und Bars zuständig waren als die Frauen entführt wurden. Und genau diese Firmen werden auch regelmäßig gebucht wenn Andrew Trevis Partys in seinem obskuren Filmstudio feiert. Vielleicht will er nicht, dass wir weiter in diese Richtung ermitteln. Wer weiß, was wirklich in diesem Studio abgeht?“ Perplex starrte Baskin sie an. Nachdem er diese Aussage für einen Moment hatte sacken lassen, fragte er vorsichtig: „Sie verdächtigen einen der wohlhabendsten Männer dieser Region, der sein Geld in viele gemeinnützige Projekte dieser Stadt investiert, etwas mit diesem Fall zu tun zu haben?“ „Gemeinnützige Projekte?“, rief Dave überrascht aus. Doch sein Chef ging nicht weiter darauf ein sondern sprach einfach weiter: „Es ist sehr gefährlich solche Leute ohne stichhaltige Beweise unter Verdacht zu stellen. Der kann sich nicht nur einen guten Anwalt leisten sondern gleich ein ganzes Team. Bevor Sie also weiter in diese Richtung gehen, sollten Sie sich wirklich sicher sein, dass an der Sache etwas dran ist.“ Sie belauerten sich eine Weile lang gegenseitig bevor Baskin zu dem Schluss kam: „Vielleicht wäre es besser, wenn Sie beide für den Moment die Nachforschungen einstellen, ein wenig Gras über die Sache wachsen lassen und später im Verborgenen wieder damit anfangen. Aber dann bitte diskret und mit äußerster Vorsicht. Keiner darf davon Wind bekommen. Wenn das wirklich bis in die Kreise von Andrew Trevis reicht, der Kontakte zu allen großen und wichtigen Leuten dieser Region unterhält, dann dürfen wir nichts überstürzen und sollten sehr sehr umsichtig vorgehen. Alles klar?“ Sheryl und Dave nickten überzeugt. Ihnen kam das alles sehr suspekt vor.

Da sie nicht im Büro weiter über diese Sache sprechen wollten, zogen sich Sheryl und Dave in die kleine Bar um die Ecke zurück. Bei einem Bier stellte Dave seine Kollegin zur Rede: „Warum hast du Trevis erwähnt?“ Sie zuckte mit den Schultern und gab zu: „Es schien mir logisch. Durch die Befragungen seiner Sicherheitsleute könnte er sein Studio in Gefahr wähnen. Selbst wenn er dort nichts zu verbergen hätte, wogegen die hohen Zäune und der Wachhund von Sicherheitschef sprechen, könnte er Angst um den Ruf seines Geschäfts haben.“ „Willst du ihn morgen darauf ansprechen?“, hakte Dave nun skeptisch nach. Sheryl schüttelte den Kopf und erwiderte unschlüssig: „Ich weiß nicht ob ich mich so weit aus dem Fenster lehnen sollte. Wenn nun wirklich etwas an der Sache dran ist? Wenn diese Entführungsfälle bis in die obersten Kreise unserer Gesellschaft reichen? Wie sollen wir dagegen vorgehen? Die finden Wege und Mittel uns mundtot zu machen. Scheinbar versucht das ja schon jemand, indem er uns den Fall entziehen möchte.“ Dave musterte sie aufmerksam und erwiderte: „Und du willst da morgen trotzdem hingehen?“ Nachdem sie tief durchgeatmet hatte, antwortete Sheryl entschlossen: „Ja, das will ich. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass Andrew persönlich etwas mit der Geschichte zu tun haben soll. Er macht auf mich nicht den Eindruck ein perverser Serienvergewaltiger und Mörder zu sein.“

Schweigend nippten sie weiter an ihren Bieren.

13

 

Am nächsten Morgen wachte Sheryl viel zu zeitig auf. Sie konnte ihre Nervosität nicht leugnen und rollte sich mit Herzklopfen aus dem Bett. Wieder zweifelte sie ob es eine gute Idee war zu Andrew nach Hause zu gehen. Doch sie wollte sich auch keine Blöße geben und durfte deshalb jetzt keinen Rückzieher machen.

Um sich abzulenken und der Situation die Anspannung zu nehmen, entschloss sie sich deshalb einkaufen zu gehen. Vielleicht hatte Dave ja recht und ein schickes Kleid würde Andrew verwirren. Irgendwie musste sie den Tag ja herumbringen.

Aber auch Andrew war für seine Verhältnisse merkwürdig aufgeregt. Zum wiederholten Male stand er neben Simon in der Küche und ging ihm auf die Nerven. „Hast du wirklich alles da? Fehlt noch was?“ Simon schnaufte und antwortete augenrollend: „Ja, es ist alles da. Hören Sie auf zu fragen. Der Abend wird perfekt.“ Jetzt drehte sich der Butler zu Andrew um, musterte ihn auf einmal mit einem hintergründigen Schmunzeln und bemerkte: „Sie haben sich ja richtig schick gemacht. Kann es sein, dass es Ihnen diese Polizistin ein wenig angetan hat?“ Andrew grinste und winkte ab: „Ach was!“ Danach zupfte er an seinem Hemd und meinte: „Wie findest du meine neue Klamotte?“ Lächelnd betrachtete sich Simon das dunkelrote Hemd mit den schwarzen pentagrammförmigen Knöpfen. Zusammen mit dem pechschwarzen Anzug ergab es eine gute Kombination und unterstrich dennoch den Exzentriker. „Sehr nett. Ich weiß nur nicht ob Miss Sneider das genauso sieht.“, antwortete Simon ehrlich und widmete sich dann wieder dem Essen. So hatte er seinen Chef lange nicht gesehen, denn normalerweise war Andrew ein abgebrühter Mistkerl, der wenig Wert auf die Meinung anderer legte. Simon bekam ein ungutes Gefühl. Er ahnte die Gefahr, die hinter einer engeren Beziehung mit einer Polizistin lauerte. Diese Sache konnte einfach nur schief gehen, es war nur eine Frage der Zeit.

Andrew schickte die Limousine los. Sheryl sah auf die Uhr und spülte ihre Nervosität mit einem Glas Wein hinunter. Kurz telefonierte sie noch mit Dave, der versprach auf ihre Nachricht zu warten, dann klingelte es auch schon an ihrer Tür.

Als die Limousine vor dem Haupteingang des Devil’s Mansion vorfuhr, wartete bereits Simon an der Treppe um Sheryl in Empfang zu nehmen. Andrew legte inzwischen noch etwas Rasierwasser auf und ging den zweien anschließend entgegen.

Angenehm überrascht blieb er im Flur stehen und musterte Sheryl von Kopf bis Fuß. Sie sah wahnsinnig gut aus, trug ein ungewohnt figurbetontes Kleid mit einem Dekolletee, von dem er kaum den Blick wenden konnte. Ihre roten Haare hatte sie kunstvoll zusammengesteckt. Nur ein paar lose Strähnen umrahmten ihr hübsches Gesicht und einzelne Locken fielen wild in ihren Nacken. Andrew streckte ihr die Hand entgegen, welche sie sogleich ergriff und sich von ihm einmal um die eigene Achse drehen ließ. „Du siehst fantastisch aus.“, sagte er danach leise, näherte sich an und küsste sie innig. Als er anschließend einen Schritt zurück trat, fragte er beinahe schüchtern: „Du hast dich  extra für mich so hübsch gemacht?“ Sheryl strahlte ihn an und erwiderte: „Danke, gleichfalls.“

Simon hatte sich dieses Schauspiel erspart und war unterdessen wieder in der Küche verschwunden. Jetzt führte Andrew Sheryl ins Wohnzimmer, wo bereits eine gut gekühlte Flasche Sekt auf sie wartete. Geübt öffnete er den Korken und schenkte zwei Gläser ein. Nachdem sie angestoßen und sich einen Schluck genehmigt hatten, bemerkte er freundlich: „Ich finde es sehr schön, dass das doch noch geklappt hat. Simon ist ein begnadeter Koch und wird uns ein ganz tolles Menü zaubern. Ich hoffe, du hast ein wenig Appetit mitgebracht.“ „Das ist schon etwas ungewohnt.“, erwiderte Sheryl, sah Andrews fragenden Blick und erklärte: „In ein Restaurant Essen gehen ist das eine, sich aber daheim bekochen zu lassen, das bekommt man nicht alle Tage geboten, zumindest wenn man keinen Butler hat.“ „Ist dir das unangenehm?“, hinterfragte Andrew ihre Aussage und beobachtete sie dabei wie sie sich aufmerksam im Wohnzimmer umsah. „Ein wenig protzig für meinen Geschmack.“, antwortete sie offenherzig, nippte an ihrem Glas und ließ weiter den Blick schweifen. Er musste lachen und erwiderte: „Deine Ehrlichkeit ist wirklich erfrischend.“ Danach ergriff er ihre Hand und schlug vor: „Was hältst du davon den Rest dieses Prunkbaus zu sehen? Eine kleine Führung gefällig?“ Sie nickte und schon machten sie sich auf den Weg.

In dem großen Haus gab es viel zu entdecken. Zu erst begaben sie sich in den Festsaal, zu welchem Andrew erklärte: „Da braucht man nie wieder einen Partyraum mieten.“ In der großzügigen, modern eingerichteten Küche war Simon fleißig am Werkeln und Sheryl fühlte sich ein wenig unwohl bei dem Gedanken, dass er extra für sie Kochen musste. Nachdem sie dann die untere Etage abgehakt hatten, führte Andrew sie über die weitläufige Treppe ins Obergeschoss. Hier befanden sich mehrere Gästezimmer mit eigenen Bädern und Andrews Schlafzimmer, das er ihr natürlich nicht vorenthalten wollte. Es hatte auch ein eigenes geräumiges Bad, allerdings mit Panoramafenster, einer Whirlpool- Badewanne und Regenwalddusche. Das alles ließ schon ein wenig Neid in Sheryl aufsteigen, brachte sie aber nur zu der schnippischen Bemerkung: „Na zum Glück musst du das nicht alles selber putzen.“ Andrew verstand die Stichelei, lächelte sie an und konterte: „Gegen ein erholsames Sprudelbad hättest du bei Gelegenheit sicher auch nichts einzuwenden. Da wäre es dir dann bestimmt egal, wer hier sauber machen muss.“ „Ist das eine Einladung?“, erwiderte sie schmunzelnd und stupste Andrew in den Oberarm. Mit einem Blick aufs Bett murmelte er daraufhin: „Ach, mir fällt da gleich noch eine andere Einladungen ein.“ Sheryl verdrehte die Augen und ging aus dem Zimmer. Andrew folgte ihr sogleich nach und gemeinsam begaben sie sich wieder ins Wohnzimmer, wo Simon inzwischen den Esstisch fein hergerichtet hatte.

Bei Wein und einer unbeschreiblich leckeren Vorspeise versuchte Sheryl dann ihrem Gastgeber noch ein wenig auf den Zahn zu fühlen. „Sag mal, wie viel kostet dich dieses Haus im Monat?“, fragte sie offen. Andrew schniefte lachend und antwortete ausweichend: „Zu viel. Wieso interessiert dich das?“ Sie versuchte es vorsichtig zu erklären: „Weil ich mir einfach nicht vorstellen kann, dass man mit dem, was du so tust, genug verdient um dieses Anwesen unterhalten und sich auch noch Butler und Chauffeur leisten zu können.“ „Meinst du wirklich, dass meine Finanzen ein geeignetes Thema für einen schönen Abend sind?“, bemerkte er daraufhin skeptisch und musterte Sheryl aufmerksam. „Entschuldige wenn ich zu neugierig bin. Das liegt an meinem Job.“, rechtfertigte sie sich schnell und nahm noch einen Bissen von ihrem Teller. „Warst du deshalb beim Filmstudio?“, warf Andrew trocken in den Raum.

Obwohl Sheryl früher oder später mit dieser Frage gerechnet hatte, blieb ihr das Essen gleich ein wenig im Halse stecken. Bevor sie aber antworten konnte, sprach er schon weiter: „Du hast dir sicher denken können, dass mein Sicherheitschef deinen Besuch melden wird. Was wolltest du dort? Reine Neugier oder steckt etwas anderes dahinter?“ Sie sah ihm in die Augen und antwortete zurückhaltend: „Hauptsächlich Neugier.“ „Hast du wenigstens eine Führung bekommen?“, fragte er weiter. Überrascht kam es von ihr: „Nein. Dein Wachhund hat mich dort ganz schön auflaufen lassen und mich rigoros abgewimmelt.“ „Wie unhöflich.“, erwiderte Andrew und bot an: „Wenn du magst, können wir mal gemeinsam hin fahren, dann zeige ich dir alles.“ Zweifelnd kniff Sheryl die Augen zusammen, nickte leicht und hauchte: „Okay.“. Sie war sich nicht sicher ob Andrew das aufrichtig meinte oder nur bluffte.

Unerbittlich bohrte er daraufhin weiter: „Wenn du hauptsächlich aus Neugier da warst, was war dein anderer Beweggrund?“ Sie starrte ihn an, denn scheinbar hörte er ganz genau zu und sie musste unbedingt mehr darauf achten wie sie etwas formulierte. Also entschied sie sich ihm einen Knochen hinzuwerfen und erläuterte: „Wir sind bei unseren Ermittlungen über einen merkwürdigen Zufall gestolpert. Scheinbar arbeiten die Wachleute, die an den Tagen der Entführungen in den jeweiligen Lokalen zugegen waren, ab und zu auch für dein Studio.“ „Und du meinst da besteht ein Zusammenhang? Sollte ich lieber die Firma wechseln?“, wollte Andrew nun wissen. Seine Bedenken klangen ehrlich, dennoch antwortete Sheryl offensiv: „Du meinst sicher Firmen. Ich weiß, dass deine Leute von mehreren, verschiedenen Agenturen gestellt werden. Warum?“ Sich zurücklehnend und nach einem Schluck Wein würgte Andrew ihre Frage ab: „Keine Ahnung, das musst du mit Thomas klären, er engagiert die Leute.“ Ein paar Minuten lang belauerten sie sich gegenseitig.

Zum Glück brachte Simon den Hauptgang und lockerte damit die leicht gespannte Stimmung. Aber Sheryl brannte eine weitere Frage unter den Nägeln, die sie nun unbedingt loswerden musste: „Versuchst du uns den Fall entziehen zu lassen?“

Ganz ruhig legte Andrew daraufhin sein Besteck auf dem Tellerrand ab, tupfte sich den Mund mit einer Serviette, atmete tief durch und fragte dann mit einem beleidigten Unterton: „Denkst du das wirklich von mir? Ich sabotiere deine Ermittlungen? Das würde heißen, ich hätte direkt etwas mit den Entführungen zu tun, oder? Was unterstellst du mir denn hier?“ Sofort lenkte Sheryl beschwichtigend ein: „Es tut mir leid. Nein, ich denke nicht, dass du etwas damit zu tun hast, sonst wäre ich heute nicht hier. Es war nur so ein Gedanke weil jemand versucht uns loszuwerden seitdem wir mit den Wachmännern in Kontakt getreten sind. Dein Studio ist bisher der einzige gemeinsame Nenner, was aber nichts bedeuten muss. Verzeih mir bitte, ich wollte dich nicht verdächtigen.“ Leicht säuerlich sagte er nun: „Mit einer einfachen Entschuldigung kommst du aus der Sache nicht raus. Da musst du dir schon was Besseres einfallen lassen.“

Für einen Moment hatte sie ihn wirklich geschockt. Dass sie die Wachleute in Zusammenhang mit den Entführungen brachte, missfiel Andrew sehr. Er durfte sich jetzt nichts anmerken lassen, denn so abwegig war ihre Idee nicht. Zum Glück galten Ahnungen und Einfälle noch lange nicht als Indiz und trotz all ihrer Bemühungen hielt sie rein gar nichts in der Hand. Beweise für ihre Vermutung würde sie niemals finden, das beruhigte ihn ungemein.

Sheryl lächelte und gab zu: „In Ordnung. Ich denke mir eine bessere Entschuldigung aus.“ Andrew betrachtete sie einen Augenblick lang eindringlich. „Hast du zufällig noch mehr Unterstellungen auf Lager?“, fragte er dann mit einem bösen Lächeln. Sheryl seufzte. Irgendwie musste sie den Abend jetzt retten und eine Geste des guten Willens zeigen. Nachdem er so beleidigt reagiert hatte, kam sie sich nun dumm vor. Also stand sie auf, ging um den Tisch herum zu seinem Platz, legte ihre Hände auf seine Schultern, beugte sich zu ihm hinunter und gab ihm einen dicken Kuss auf seine Wange. Sofort zeichnete sich ein breites Lachen auf seinem Gesicht ab. Dann flüsterte sie: „Auch wenn du gern den Unnahbaren mimst, weiß ich dass du ein wesentlich netterer Typ bist als du zugeben möchtest. Immerhin unterstützt du gemeinnützige Projekte, nicht wahr?“ Andrews Lächeln verschwand und wich einem skeptischen Blick. „Woher hast du das denn jetzt?“, wollte er umgehend wissen. „Ach, ich hab da so Gerüchte gehört.“, antwortete sie und richtete sich wieder auf. In diesem Moment kam Simon mit einer neuen Flasche Wein ins Zimmer. „Gerüchte? Über mich? Und auch noch positive? Das scheint mir doch sehr weit hergeholt.“, sagte Andrew laut und grinste. Sheryl setzte sich wieder hin und antwortete: „Stimmt das etwa nicht? Ich hatte gehofft du erzählst mir etwas mehr über diese gemeinnützigen Projekte. Das hätte mich jetzt echt interessiert.“ Simon räusperte sich amüsiert, füllte die Weingläser auf und stellte die Flasche auf den Tisch.

Unvermittelt sprach Sheryl den Butler direkt an: „Wie lange arbeiten Sie schon für diesen Kerl?“ Irritiert antwortete Simon: „Oh, das sind schon ein paar Jahre.“ „Und macht Sie das nicht verrückt, dass Sie ihm jede Antwort aus der Nase ziehen müssen?“, erwiderte sie schnippisch. Andrew grinste in sich hinein und beobachtete erheitert das Schauspiel. Aber Simon war nicht auf den Mund gefallen und spielte den Ball direkt an seinen Chef weiter: „Vielleicht sollte Ihnen Master Trevis erzählen wie wir uns kennenlernten, eine sehr heldenhafte Geschichte.“ Sogleich rief Andrew peinlich berührt: „Nein, bitte nicht!“ und vergrub sein Gesicht in den Händen. Sheryls Aufmerksamkeit richtete sich sofort wieder auf ihn und Simon nutzte eilig die Gelegenheit um sich aus dem Zimmer zu stehlen. „Erzähl schon!“, forderte sie mit fröhlicher Neugier. Sich überwindend begann Andrew leicht genervt die Geschichte: „Also gut. Kurz nachdem ich hergezogen war, fuhr ich über eine Landstraße, du kennst meinen Fahrstil, und sah als ich um eine Kurve bog wie ein anderes Auto gerade einen Abstecher eine Böschung hinunter in einen See machte. Der Wagen überschlug sich dabei, blieb auf dem Dach im Wasser liegen und ging langsam unter. Also bin ich angehalten, aus meinem Auto gesprungen und zum See gelaufen. Man konnte nicht sehen, ob noch wer in dem untergehenden Fahrzeug drin saß. Deshalb sprang ich ins Wasser, fand Simon bewusstlos vor, zog ihn raus, zerrte ihn ans Ufer und holte ihn zurück ins Leben. Er  meinte danach, er würde in meiner Schuld stehen und ich bot ihm an für mich zu arbeiten. So kam das alles zustande. Zufrieden?“ Sheryl starrte ihn an. „Wow, das war wirklich mutig von dir.“ Eine schweigsame Minute später fragte sie dann: „Wieso ist er in den See gefahren?“ Andrew erklärte: „Ein anderer Wagen war ihm auf seiner Spur entgegengekommen und er ist instinktiv ausgewichen. Es war halt blöd, dass es gerade an dieser Stelle so eine Böschung hinunter ging. Den Geisterfahrer hat man bis heute nicht erwischt. Der hat den Unfall wahrscheinlich gar nicht mitgekriegt.“ „Das ist ja furchtbar.“, stellte Sheryl resigniert fest, ergriff Andrews Hand und sprach weiter: „Das hast du wirklich klasse gemacht. Es wäre schön wenn es mehr Leute wie dich gäbe, die versuchen so selbstlos zu helfen.“

Nach den kleinen Stolpereien hatte sich die Lage wieder entspannt und fröhlich konnten sie sich dem restlichen Essen widmen. Simon war ein ausgezeichneter Koch.

Noch immer wusste Sheryl jedoch nicht ihr Gegenüber richtig einzuschätzen. Er schien sich wirklich für sie zu interessieren, war aufmerksam, hörte zu und manchmal auch etwas zu genau hin. Irgendwie schwammen sie auf einer Wellenlänge, was ihr fast schon etwas unheimlich erschien, da sie sich ja auf diese seltsame Weise kennengelernt hatten. Und da war er wieder, der leichte Zweifel ob es Andrew wirklich ernst meinte oder vielleicht doch nur verdammt gut schauspielerte.

14

 

Nach dem Dessert und netten Unterhaltungen über vielerlei Kleinigkeiten lud Andrew Sheryl noch zu einem Absacker ein. Sie begaben sich dafür ins Wohnzimmer und machten es sich auf der Couch gemütlich. Im Hintergrund spielte leise Musik während Andrew zwei Gläser mit rotem Martini füllte und Sheryl anschließend eines davon reichte. Sie war schon ein wenig beschwipst, angenehm gesättigt und etwas müde. Trotzdem fühlte sie sich irgendwie unbehaglich und zwang sich zu voller Aufmerksamkeit obwohl das wegen des Alkohols kaum noch möglich war.

Sie stießen mit den Gläsern an und nahmen jeder einen Schluck. Danach rückte Andrew ganz dicht an sie heran. Er konnte dem Drang sie zu küssen einfach nicht länger widerstehen. Sherly hatte zwar damit gerechnet, dass er versuchen würde ihr heute näher zu kommen, wusste aber rein gar nicht wie sie darauf reagieren sollte. Immerhin brodelten weiterhin Zweifel an seiner Aufrichtigkeit unterschwellig in ihrem Kopf. Bevor sie aber diesen Gedanken zu Ende führen konnte, sanken seine Lippen schon auf ihre. Ein erregendes Kribbeln zitterte schlagartig durch ihren Körper, seine Hand glitt in ihren Nacken und die Zeit schien einen Augenblick lang still zu stehen.

Als er ihr dann tief in die Augen sah, meinte er ehrlich: „Das war ein sehr schöner Abend. Du bist eine sehr angenehme Person.“ Sheryl lächelte verlegen und hatte keine Ahnung was sie darauf antworten sollte. Glücklicherweise unterbrach Simon die Situation, indem er vorsichtig das Wohnzimmer betrat und zurückhaltend forderte: „Master Trevis, ich muss Sie leider für einen Moment in die Küche bitten.“ Andrew nickte, stand auf und folgte seinem Butler. Sheryl lehnte sich nun mit dem Glas in der Hand auf der Couch zurück und grübelte darüber nach, wie weit sie heute wohl bereit war zu gehen.

Unterdessen begaben sich Andrew und Simon in die Küche. „Was haben Sie jetzt vor?“, fragte der Butler. Lächelnd antwortete Andrew: „Wie abgesprochen, erzähle ich ihr eine Geschichte und du kümmerst dich darum, dass das Gästezimmer vorbereitet wird.“ „Sie wissen, dass ich dieser Charade eher skeptisch gegenüber stehe?“, erwiderte Simon mit aufrichtigem Zweifel in der Stimme, doch Andrew ignorierte seine Bedenken und sagte nur: „Zur Kenntnis genommen. It’s Showtime!“

Während der Butler wenig begeistert zurück blieb, begab sich Andrew mit der schlechten Nachricht, die er sich ausgedacht hatte, zurück ins Wohnzimmer. Sheryl begrüßte ihn mit einem freundlichen Lächeln. Er setzte sich zu ihr, atmete tief durch und erklärte ein wenig verlegen: „Es gibt leider ein kleines Problem.“ Sie sah ihn nur fragend an, woraufhin er weiter sprach: „Der Chauffeur ist krank und kann dich nicht nach Hause fahren.“ „Ach wirklich? Was hat er denn?“, konterte Sheryl mit einem skeptischen Unterton, den sie nicht verbergen konnte. „Anscheinend ist er vorhin einfach umgekippt. Simon vermutet eine verschleppte Erkältung und wird ihn jetzt gleich ins Krankenhaus bringen. Hoffentlich ist es nichts Schlimmeres, der Mann ist immerhin auch nicht mehr der jüngste und hat schon einen Herzinfarkt hinter sich.“, antwortete Andrew scheinbar besorgt. Jetzt fühlte sich Sheryl schlecht. So schnell hatte sie ihm etwas unterstellt obwohl er doch auch einfach nur die Wahrheit sagen konnte.

Es klopfte, Simon steckte seinen Kopf zur Tür herein und verabschiedete sich: „Wenn es nichts Wichtigeres mehr gibt, fahre ich jetzt los. In Ordnung?“ „Natürlich! Wir kommen zurecht. Kümmere dich um Henry, er soll sich vorsichtshalber mal richtig durchchecken lassen, nicht dass er etwas ausbrütet.“, erwiderte Andrew freundlich und ließ ihn gehen.

Jetzt waren Sheryl und er alleine in diesem großen Haus. Ihr lief unmittelbar ein kalter Schauer über den Rücken. Nur die Musik dudelte unentwegt weiter im Hintergrund als er fragte: „Wie machen wir das jetzt? Soll ich dir dann ein Taxi holen oder bist du mutig genug im Gästezimmer zu übernachten?“ Natürlich hatte er sie durchschaut und wusste, dass sie ihm noch immer nicht vollständig über den Weg traute. Er konnte es ihr nicht einmal verübeln, in ihrer Situation würde er ebenso empfinden. Irgendwie musste er noch das letzte Eis brechen.

Sheryl war sich extrem unsicher, versuchte ihre Nervosität zu überspielen und nahm allen Mut zusammen als sie sagte: „Okay, dann bleibe ich hier. Aber keine Spielchen, mein Freund.“ „Ich doch nicht!“, rief er fröhlich aus und hielt ihr strahlend sein Glas entgegen. Kopfschüttelnd stieß sie noch einmal mit ihm an.

Nachdem sie dann beide genippt hatten, fragte er schelmisch: „Brauchst du nachher eigentlich einen Schlafanzug oder schläfst du lieber nackt?“ Sheryl wehrte seine Provokation gekonnt ab: „Vielleicht bleibe ich auch gleich in diesem Kleid? Wer weiß?“ Er biss sich verschmitzt auf die Unterlippe und genehmigte sich einen weiteren Schluck. Sie lächelte überlegen. „Ich könnte dir auch ein Hemd von mir geben oder eine langes T- Shirt, das wäre sicher bequemer.“, bot er daraufhin an. Sheryl wollte nicht zu abweisend wirken und nickte leicht. „In Ordnung.“ „Gut.“, kam es von ihm und ein verlegenes Schweigen machte sich im Raum breit.

Schließlich griff er nach der Weinflasche auf dem Tisch, schüttelte sie und nachdem er festgestellt hatte, dass sie leer war, fragte er auffordernd: „Soll ich noch eine holen?“ Sheryl warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr, es war beinahe Mitternacht und obwohl sie sonst noch ein Glas genommen hätte, entschloss sie sich bei halbwegs klarem Verstand zu bleiben und schob vor: „Ich denke, ich habe genug. Bist du böse, wenn ich mich jetzt hinlege? Es war ein langer Tag.“ Ein Hauch von Enttäuschung huschte über sein Gesicht, doch schnell hatte er sich wieder gefangen, stand auf, streckte ihr seine Hand entgegen und antwortete freundlich: „Komm, ich zeig dir dein Zimmer.“

Beim Aufstehen merkte Sheryl, dass sie doch schon etwas mehr betrunken war als erwartet und hielt sich schnell an Andrew fest damit sie nicht das Gleichgewicht verlor. Lachend hakte er sie bei sich ein und führte sie leicht schwankend die Treppe empor, obwohl er eigentlich noch gar nichts vom Alkohol spürte. Seine Leber hatte sich im Laufe der Jahre wahrscheinlich schon zu einem kleinen, schwarzen Betonklotz zusammengezogen, von dem jede Art von Fusel einfach so abrieselte. Wenn er sich richtig benebeln wollte, reichte Schnaps schon lange nicht mehr.

Er öffnete ihr die Tür zum Gästezimmer und ließ sie eintreten. Höflich ging er dann einen Schritt zurück und bemerkte: „Sieh dich um, mach es dir bequem, ich hole noch schnell ein Schlaf- Shirt für dich.“ Sie nickte lächelnd und sah sich aufmerksam um. Für ihren Geschmack war der Raum ein wenig überladen, vor allem die schweren Holzmöbel standen im völligen Kontrast zu dem eigentlich modern eingerichteten Haus. Mit leicht verschwommenem Blick betrachtete sie sich die kleinen seltsamen Figürchen auf einer Kommode und die eher altmodischen Bilder an der Wand. Stilmäßig passte es irgendwie zu dem Haus aber rein gar nicht zu Andrew. Dann nahm sie ihr Handy, tippte eine SMS an Dave um ihm zu sagen, dass alles in Ordnung sei, und schaltete es aus.

Plötzlich ploppte etwas hinter ihr. Erschrocken fuhr Sheryl herum und musterte Andrew irritiert wie er zwei Gläser mit Rotwein füllte. Sie hatte ihn überhaupt nicht hereinkommen hören. „Wolltest du mir nicht eigentlich ein Shirt holen?“, fragte sie misstrauisch als er ihr mit den Gläsern entgegen kam. Er sah kurz hinter sich auf die Kommode, wo tatsächlich neben der Weinflasche ein sorgsam gefaltetes T- Shirt lag. Dann überreichte er ihr ein Glas. „Ich wollte doch eigentlich nichts mehr trinken.“, sprach sie nun weiter. „Und ich will nicht, dass der Abend schon endet. Nur noch ein Gläschen Wein, okay?“, antwortete er leise. Sie nickte und trank einen Schluck. Anschließend nahm er ihr das Glas wieder ab und stellte es zusammen mit seinem auf den Nachtschrank neben das Bett. Sheryls Anspannung stieg. Sie ahnte was jetzt kommen würde und war sich nicht sicher ob sie überhaupt bereit dafür war. Entschlossen kam er wieder auf sie zu und unweigerlich wich sie zurück bis sie mit dem Rücken das kühle Holz des Schrankes berührte. Ganz dicht vor ihr blieb er dann stehen, sein warmer Atem fiel auf ihre Stirn, seine Hand wanderte wieder in ihren Nacken und zog sanft an ihren Haaren bis sie ihm in die wahnsinnig blauen Augen sehen musste. Der nun folgende, intensive Kuss ließ wieder das Kribbeln in ihr aufsteigen, das sie heute Abend schon einmal gespürt hatte. Fest drückte er sie an sich, seine Finger strichen dabei zärtlich über ihren Rücken und öffneten ganz langsam den Reißverschluss des Kleides. Sheryl zitterte ein wenig und als seine Hand plötzlich in ihr Kleid hinein rutschte und fest nach ihrem Po griff, rief sie: „Halt!“, und schob ihn ein Stück weit von sich weg. Sofort ließ Andrew von ihr ab, sah sie entschuldigend an und fragte vorsichtig: „Tut mir leid, geht dir das zu schnell?“ Sheryl atmete tief durch. Ihr war das irgendwie peinlich und sie musste zugeben: „Nein, ich war nur gerade nicht darauf vorbereitet. Es ist schon ein Weilchen her.“ Sie verständnisvoll anlächelnd, antwortete er leise: „Keine Sorge, ich bin ganz zärtlich und wenn dir etwas nicht gefällt, sag es einfach.“ Er schmiegte sich wieder an sie, küsste ihren Hals und flüsterte: „Lass dich einfach gehen.“ Doch eben das fiel Sheryl schwer.

Andrew wusste genau was er wollte und wie er es bekam. Gegen dieses Selbstbewusstsein konnte sie sich kaum erwehren. Er strich das Kleid von ihren Schultern, entfernte geübt ihren BH, drehte sich schwungvoll mit ihr herum und ließ sie sanft unter seinen Küssen auf das Bett sinken. Während er ihr vorsichtig den Slip auszog, schloss Sheryl die Augen und stöhnte überrascht auf als er sein Gesicht zwischen ihren Schenkeln vergrub. Er brachte sie zum Beben, ließ seine Zunge anschließend über ihren zarten Bauch gleiten und freute sich über die Gänsehaut, die er bei ihr verursachte.

Dann richtete er sich auf und zog sein Hemd aus. Voller Erwartungen sah Sheryl ihm dabei zu. Seine blasse Haut stand in starkem Kontrast zu seinen pechschwarzen Haaren. Seine gepiercten Brustwarzen zogen ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie unterstrichen sein exzentrisches Wesen und Sheryl fragte sich gleich ob er wohl noch andere Piercings trug, vielleicht an wesentlich delikateren Stellen. Andrew bemerkte ihre durchdringende Musterung und ließ amüsiert auch noch die restlichen Hüllen fallen. Er war in dieser Hinsicht noch nie schüchtern gewesen, beziehungsweise hatte er das sehr zeitig verlernt, verlernen müssen.

Vollkommen nackt stand er nun vor ihr und genoss ihre Blicke. Dann sagte Sheryl plötzlich: „Du hast was vergessen auszuziehen.“ Skeptisch zog er die Brauen zusammen und fragte: „Was meinst du?“ Sie löste die Spange aus ihrem Haar und warf sie vom Bett. Das war eine eindeutige Geste. Er grinste und griff nach seinem Haargummi.

Als er dann mit wilder, offener Mähne und diesem heißen und doch eiskalten Blick über sie kroch, wurde Sheryl erneut etwas mulmig zumute. Worauf hatte sie sich eingelassen? Was wenn er doch der gesuchte Mörder war? Schnell verjagte sie diesen finsteren Gedanken aus ihrem Kopf. Wie kam sie nur in diesem Moment auf solch absurde Ideen? Glücklicherweise konnte Andrew nicht hören was sie dachte.

Er war voll konzentriert und bemühte sich möglichst zärtlich vorzugehen, was ihm nicht gerade leicht fiel. Fast schon behutsam drang er in sie ein und beobachtete dabei fasziniert ihr Gesicht. Ihr schien es zu gefallen und allmählich erhöhte er den Druck. Sheryl stöhnte auf als er begann fester in sie zu stoßen und ahnte nicht, dass er mit sich zu kämpfen hatte nicht die Kontrolle zu verlieren. Andrew versuchte weiterhin konzentriert zu bleiben doch ihr warmer Leib unter seinem und die Macht, die er durch ihre Hingabe erlangte, vernebelten ihm zunehmend das Hirn. Und dann passierte es.

Seine Hand rutschte unvermittelt an ihre Kehle. Erschrocken keuchte Sheryl auf und krallte sogleich ihre Fingernägel in seinen Arm. Ein Hauch von Panik durchfuhr ihren Körper, ließ das Adrenalin in die Höhe schießen. Ihr Herz klopfte wild. Andrew riss die Augen auf und realisierte was hier gerade geschah. Nur einen Moment lang hatte er sich gehen lassen und jetzt musste er sich regelrecht zwingen seine Hand wieder von ihrem Hals zu lösen. So einfach wäre es gewesen sie zu töten, der Kick so verlockend. Aber er durfte das nicht zulassen, seinem Trieb nicht so leichtfertig die Führung übergeben.

Der merkwürdige Ausdruck in seinem Gesicht schürte Sheryls Angst. Diese wenigen Sekunden jener Situation dehnten sich hin wie Minuten und Stunden. Und schnell, als wäre er über sich selbst erschrocken, zog Andrew plötzlich seine Hand von ihrer Kehle zurück, stemmte sie lieber neben ihrem Kopf auf das Kissen um sie in den nächsten Augenblicken zur Ekstase zu bringen.

Irgendwie hatte der Adrenalinschub Sheryl beflügelt und ließ sie einen für sie außergewöhnlichen Höhepunkt erleben. Andrew konnte sie Pulsieren fühlen, genoss den Moment ihrer Verzückung und war gleichzeitig irgendwie froh darüber, dass er jetzt von ihr ablassen durfte, ohne größeren Schaden angerichtet zu haben.

Er rollte sich zur Seite und blieb regungslos auf dem Rücken liegen. Mit diesem kleinen Fehlgriff an ihren Hals hatte er womöglich alles kaputt gemacht. Er hasste sich dafür. Sheryl starrte derweilen völlig außer Atem an die Decke. Sie wusste nicht recht wie sie dieses Erlebnis einordnen sollte. Warum hatte Andrew das getan? Und vor allem, warum war er dabei über sich selbst erschrocken? Hatte sie einen kurzen Blick auf sein wahres Ich gehascht oder bildete sie sich das alles nur ein?

Krampfhaft überlegte Andrew wie er Schadensbegrenzung üben sollte, drehte sich dann auf die Seite, zog die zerwühlte Decke über Sheryl und sich und legte seinen Arm über sie. Kurz zuckte sie dabei zusammen, wagte es aber nicht etwas zu sagen oder ihn anzusehen. Es wurde warm und auch etwas wohlig. Sheryl konnte die Augen nicht länger offen halten und mit dem Gedanken, dass wenn er ihr hätte ernsthaft etwas tun wollen dies schon längst geschehen wäre, schlummerte sie langsam ein.

Andrew dagegen konnte nicht schlafen, er fühlte sich aufgewühlt und ärgerte sich noch immer über sich selbst und seinen kurzzeitigen Kontrollverlust. Er brauchte jetzt dringend etwas zum Abreagieren.

Wenige Minuten später war Sheryl tatsächlich eingeschlafen und atmete gleichmäßig, entspannt neben ihm. Er hauchte ihr noch einen Kuss auf die Wange und stahl sich danach leise aus dem Bett.

Sein erster Weg führte ihn in sein Schlafzimmer, wo er sich einen Bademantel über zog, dann ging er in den Kontrollraum. Alle Räume des Anwesens und jeder Winkel um das Haus herum, außer die oberste Etage, wurden kameraüberwacht. Was während der letzten Stunden im Gästezimmer geschehen war, hatte dennoch keinen zu interessieren, also löschte er die Aufnahme nachdem er noch einen kurzen Blick riskiert hatte. Leider war nur seine Kehrseite zu sehen und wie sich sein Hintern rhythmisch zwischen ihre Schenkel drängte. Er grinste und drückte den Knopf.

Auf dem Weg in sein kleines Privatkino schnappte er sich anschließend das Telefon und wählte Simons Handynummer. Der Butler war irgendwo außerhalb unterwegs, brachte ja angeblich Henry ins Krankenhaus, und durfte nun gern wieder zurückkommen. Doch vorher hatte Andrew noch einen Auftrag für ihn. „Hallo Simon.“, sagte er freundlich ins Telefon als sich sein Butler meldete und fuhr sogleich fort: „Bringst du mir bitte noch etwas zum Spielen aus der Stadt mit?“ Simon wusste sofort was sein Chef meinte, fragte aber dennoch nach: „Was genau haben Sie da im Sinn?“ „Überrasch mich.“, antwortete Andrew nur knapp und legte auf.

Wenige Minuten später saß er bequem in seinem Heimkino und sah dabei zu wie Frauen gefesselt und gefoltert wurden. Diese Filme waren die Spezialität seines Studios, Fesselspiele und Sadomasochismus in allen erdenklichen und verdrehten Varianten. Sie quälten sich mit Stromschlägen und heißem Wachs, führten sich gegenseitig die verschiedensten Dinge in diverse Körperöffnungen ein und schienen den Schmerz auch noch zu genießen. Dabei konnte er sich richtig gut entspannen. Mit einem bis oben hin gefüllten Glas Scotch in der Hand ließ er die teilweise verstörenden Bilder auf sich einrieseln und als Simon auch noch den Überraschungsbesuch brachte, sollte der Abend einen perfekten Ausgang bekommen.

Etwas irritiert betrachtete Andrew jedoch den jungen Mann, der plötzlich neben ihm stand. Auch im Halbdunkel konnte er das süffisante Grinsen seines Butlers erkennen und durchschaute sogleich das Spiel. Simon machte gern ebenfalls seine Experimente und da Andrew nicht explizit seine Wünsche geäußert hatte, versuchte er ihm so eins auszuwischen. Doch immer wieder überraschte er andere und auch sich selbst mit seiner Abgebrühtheit, so auch in diesem Fall. Denn er musterte den Stricher und fragte geradewegs heraus: „Hast du Herpes?“ Verwirrt antwortete der junge Mann: „Nein, hab ich nicht.“ „Ganz sicher?“, hakte Andrew noch einmal nach und vernahm ein beinahe beleidigtes Kopfschütteln. „Dann ohne Gummi und du schluckst.“, legte er daraufhin fest. Simon verzog etwas angewidert das Gesicht und verließ eilig den Raum. Das musste er sich nun wirklich nicht geben. „Das kostet dann aber mehr.“, erwiderte der Stricher. „Wie viel?“, wollte Andrew wissen. Bereitwillig gab der junge Mann Auskunft: „Französisch Fünfzig und Französisch total Achtzig.“ „Ich geb dir Hundert, wenn du jetzt aufhörst zu labern und loslegst.“, bot Andrew an und lehnte sich zurück. Er ließ es darauf ankommen. Wieso sollte ein Kerl das nicht genau so gut können wie eine Frau, zumal ein Kerl ja wusste, was einem Kerl gefällt.

Ohne ein weiteres Wort ging der junge Mann vor ihm auf die Knie und begann Andrew mit dem Mund zu verwöhnen. Kurz bevor er kam, wurde auf der Leinwand gerade eine Frau von drei Typen durchgenommen und er packte umgehend den Hinterkopf des Strichers um ihn fest in seinen Schoß zu drücken. Die leisen Würgelaute und das berauschende Gefühl, das ihn sogleich durchströmte, verschafften ihm die ersehnte Genugtuung.

Das war es also, was ihm vorhin mit Sheryl gefehlt hatte, eine gewisse Verruchtheit, ein bisschen Gewalt und Erniedrigung. Mit Blümchensex konnte er schon lang nichts mehr anfangen und es gab ihm einfach nicht den Kick, den er brauchte um auf den Höhepunkt zu gelangen. Sich von einem Stricher einen blasen zu lassen war zwar nun auch nicht der höchste Lustgewinn, reichte aber in Kombination mit dem Film aus um ihn ans Ziel zu bringen.

Zufrieden schickte er den jungen Mann weg. Simon kümmerte sich um die Bezahlung und ein Taxi während er sich genüsslich den letzten Schluck Schnaps in seine Kehle schüttete. Jetzt sollten sie sich wohl alle noch ein paar Stündchen Schlaf gönnen.

Nachdem er geduscht hatte, schlich Andrew zurück in das Gästezimmer und kroch zu Sheryl unter die Decke. Wahrscheinlich hatte sie seine Abwesenheit gar nicht bemerkt und schlummerte friedlich weiter, auch nachdem er sich an sie geschmiegt hatte.

 

Eine Weile lang dachte er noch darüber nach wann wohl die letzte Frau unversehrt in diesem Haus übernachtet hatte und was wohl das Schönste an diesem Abend gewesen war. Er konnte sich nicht recht entscheiden und schlief über diese Gedanken hinweg schließlich ein.

15

 

Zeitig am Morgen machte er dann langsam seine Augen wieder auf. Er fühlte sich außerordentlich entspannt und energiegeladen. Und Sheryl lag tatsächlich noch neben ihm. Er konnte sich wieder erinnern, dass die letzte Frau, die es bis früh mit ihm ausgehalten hatte eine Prostituierte gewesen war. Damals hatte er sich vollkommen zugedröhnt und sie die Chance ergriffen ihm gleich mehrere Stunden abzuzocken obwohl er nur neben und nicht mit ihr geschlafen hatte. Er lachte in sich hinein. An ihrer Stelle hätte er wohl das Gleiche getan.

Sheryl zwinkerte leicht und hob ein wenig ihren Kopf. Hatte sie es wirklich zugelassen, dass dieser Mistkerl sie verführte? Sein aufmerksamer Blick kreuzte ihren. „Gut geschlafen?“, flüsterte er freundlich und sie lächelte. Dann drückte er ihr einen Guten- Morgen- Kuss auf und rollte sich aus dem Bett. Sheryl versuchte die letzte Nacht zu rekapitulieren. Anscheinend hatte sie doch etwas mehr getrunken als gedacht. Ein leichtes Pochen hallte in ihrem Kopf und verriet den anklingenden Kater, den sie eigentlich gar nicht gebrauchen konnte. Andrew streckte sich nackt vor dem Bett, zog sich dann den Bademantel wieder über und schlug vor: „Was hältst du von einem ordentlichen Frühstück?“ Sheryl rieb sich die Stirn und antwortete leise: „Ich weiß nicht recht ob ich was runter kriege.“ „Simon mischt einen fantastischen Anti- Kater- Cocktail. Kann ich dich dafür begeistern?“, lud Andrew sie daraufhin ein und versprach: „Danach wirst du dich wie neu geboren fühlen.“ Sheryl nickte, stellte fest, dass das Shirt noch unberührt zusammengefaltet auf der Kommode lag und meinte: „Ich springe vorher nur kurz unter die Dusche. Einverstanden?“ „Na klar doch.“, säuselte Andrew und machte sich auf in Richtung Küche.

Unten roch es bereits nach frischem Kaffee. Simon war tatsächlich schon wach und ging seinem normalen Tagewerk nach als Andrew schwungvoll durch die Tür platzte. Erschrocken ließ der Butler einen Löffel fallen und rief aus: „Master Trevis! Ich habe jetzt noch gar nicht mit Ihnen gerechnet! Geht es ihnen gut?“ Andrew setzte sich an den Küchentisch, stand aber gleich wieder auf, tigerte in sein Büro und kam mit einer Flasche Whisky zurück. Simon stellte ihm eine Tasse Kaffee hin, die Andrew sofort halb leer trank und dann begann mit dem Schnaps aufzufüllen bis der Butler ihm die Flasche aus der Hand riss und ihn mahnte: „Es ist gerade erst sieben Uhr morgens, Sie sollten sich zügeln Master Trevis.“ Etwas säuerlich sah Andrew ihn an und erneut fragte Simon: „Geht es ihnen gut?“ „Mir geht es sogar ausgezeichnet.“, antwortete der. „Und der Polizistin?“, hakte der Butler nun vorsichtig nach. „Der auch!“, erwiderte Andrew mit vorwurfsvollem Unterton und rechtfertigte sich: „Was denkst du denn von mir? Das ich mich gar nicht unter Kontrolle habe?“ „Sie neigen zuweilen zu einer gewissen Unbeherrschtheit.“, antwortete Simon ruhig und stellte die Schnapsflasche weiter hinten in den Küchenschrank. Andrew grinste kurz, wurde dann aber wieder ernst. „Was sollte das letzte Nacht eigentlich werden? Du weißt was ich meine.“ Simon sah ihn völlig neutral an und antwortete: „Sie hatten um eine Überraschung gebeten.“ Ein böses Lächeln blitzte umgehend auf Andrews Gesicht auf. „Die ist dir gelungen. Denk aber immer dran, dass solche Experimente mit mir auch gut nach Hinten los gehen können.“ Der Butler nickte erleichtert, befürchtete er doch Konsequenzen wegen seines Handelns.

Glücklicherweise erschien Sheryl jetzt in der Tür und unterbrach die zunehmend peinlich werdende Situation. Sie trug nur das Shirt und ihre nassen Haare fielen in Strähnchen über ihre Schultern. „Guten Morgen, mir wurde ein Anti- Kater- Cocktail versprochen. Den habe ich gerade ziemlich nötig.“, sagte sie zurückhaltend. Andrew starrte sie fasziniert an während Simon freundlich nickte und begann die Vitaminbombe zu mischen. Verlegen setzte sich Sheryl ebenfalls an den Tisch und fragte schließlich: „Was guckst du denn so?“ Andrew fühlte sich ertappt und stammelte: „Tut mir leid. Ich wollte dich nicht anstarren. Du siehst nur so hübsch aus heute Morgen.“ Simon musste sich schnell auf die Lippe beißen um keine unangemessene, schnippische Bemerkung zu machen und Sheryl versank beinahe im Boden als er das sagte.

„Magst du einen Kaffee zu deinem Cocktail?“, bot Andrew dann höflich an als der Butler das bunte Fruchtgetränk vor ihr auf den Tisch stellte. Sie schüttelte den Kopf und wollte stattdessen wissen: „Was ist hier eigentlich alles drin?“ Simon zählte umgehend, pflichtbewusst auf: „Multivitaminsaft, ein Teelöffel einer Mischung verschiedener B- Vitamine, zwei aufgelöste Ibuprofenkapseln und ein guter Schuss stark mineralhaltiges Wasser. Alles was der Körper nach einer harten Nacht braucht.“ Sheryl musterte den Cocktail skeptisch und nippte vorsichtig daran. Es schmeckte wesentlich besser als erwartet, weshalb sie beschloss es zu versuchen.

Simon stellte auch etwas Toast und Marmelade auf den Tisch, Andrew griff beherzt zu und ließ sich sogar noch ein Rührei machen. Sheryl konnte das nicht verstehen und nagte nur vorsichtig an einer trockenen Toastscheibe.

„Wie geht es dem Chauffeur?“, fragte sie auf einmal in den Raum. Simon warf Andrew einen seltsamen Blick zu, lächelte dann und erklärte: „Ich bin letzte Nacht noch ein wenig bei ihm im Krankenhaus geblieben. Es war zumindest kein Herzinfarkt sondern wahrscheinlich nur ein Infekt. Er wird heute Morgen noch nach Hause gehen dürfen und sich dann ein paar Tage lang auskurieren müssen.“ „Da bin ich aber froh, dass es nichts Schlimmeres ist.“, gab Sheryl aufrichtig zu und trank noch einen Schluck von ihrem Cocktail. Andrew nickte seinem Butler bewundernd zu und war erstaunt wie der so dreist einer Polizistin mitten ins Gesicht lügen konnte.

Das Telefon klingelte, Simon nahm das Gespräch entgegen und forderte kurz darauf: „Master Trevis, Sie sollten da lieber ran gehen. Ich lege Ihnen das Telefonat in Ihr Büro.“ Leicht genervt trottete Andrew nach nebenan, schloss die Tür hinter sich und nahm den Hörer ab. Aufgeregt plapperte der Mann am anderen Ende der Leitung gleich los: „Wir haben hier ein großes Problem. Demon ist nicht zum Dreh erschienen.“ „Dann holt einen Ersatzmann!“, zischte Andrew ins Telefon. „Aber wen denn? Ich kenne sonst keinen, der so ein Script umsetzen würde.“, stammelte der Anrufer. Andrew dachte kurz nach und schlug vor: „Versuch es mit diesem tätowierten Kerl, ich glaube der heißt Mason oder so, hat sich erst letzte Woche vorgestellt und machte einen auf knallharter Typ. Der Bewerbungsbogen mit Telefonnummer müsste noch ganz oben auf meinem Schreibtisch liegen.“ „Alles klar!“, rief der Mann erleichtert ins Telefon und legte auf.

Frustriert kehrte Andrew in die Küche zurück. Sheryls fragender Blick nötigte ihn zu einer Erklärung. „Alles Trottel, können sich um nichts selber kümmern. Einer kommt nicht zur Arbeit und schon bricht bei denen alles zusammen.“ „Hast du dann trotzdem Zeit mich heim zu fahren oder soll ich mir lieber ein Taxi kommen lassen?“, fragte sie daraufhin verständnisvoll. „Du willst schon nach Hause?“, bemerkte Andrew und nötigte damit sie zu einer Rechtfertigung. „Ja, ich bin noch immer ziemlich kaputt und sollte mich wohl noch ein Stündchen hinlegen. Außerdem geht es morgen früh wieder zeitig raus. Bist du mir böse wenn ich jetzt heim möchte?“ Er schüttelte den Kopf und erwiderte: „Nein, das versteh ich doch. Wir ziehen uns fix um und dann fahr ich dich.“

Sheryl sprang daraufhin auf und begab sich nach oben. Bevor auch Andrew die Küche verließ, sagte er noch zu Simon: „Ich bin erstaunt wie eiskalt du vorhin gelogen hast. Ohne ein Fünkchen rot zu werden. Das habe ich gar nicht von dir erwartet.“ „Und ich kann es nicht leiden, wenn Sie mich immer wieder in solche Situationen bringen.“, konterte der Butler böse, widmete sich dann aber wieder dem Abwasch. Andrew schnaufte kurz und ging sich dann umziehen.

Wenige Augenblicke später saß er in seinem Wagen, Sheryl auf dem Beifahrersitz, und steuerte das Gefährt souverän über die kurvenreiche Strecke obwohl er schon eine gute Portion Whisky intus hatte. Sie kannte mittlerweile seinen rasanten Fahrstil und verkniff sich jegliche Bemerkung darüber. Außerdem hatte sie ein wenig damit zu kämpfen, dass sie sich während der Fahrt nicht übergeben musste.

Auf einmal erklang ein lautes, hektisches Klingeln. Andrews Handy vibrierte wild in der Ablage und blinkte passend zu den Geräuschen. Ohne darüber nachzudenken, nahm er das Gespräch entgegen. „Irgendwie funktioniert das hier nicht so richtig.“, sagte der Anrufer. „Inwiefern?“, erwiderte Andrew angesäuert. „Es tut mir wirklich leid aber die Mädels kriegen das einfach nicht hin, das wirkt total unecht. Die können halt nicht schauspielern. Und Mason ist zwar da, traut sich aber scheinbar nicht härter zuzupacken.“, erklärte der Mann. Sie hielten vor Sheryls Haus, Andrew versuchte in ihrer Gegenwart nicht zu bösartig ins Telefon zu wettern und würgte das Gespräch kurzerhand ab: „Wieso belästigst du mich mit deiner Unfähigkeit? Ich melde mich gleich noch mal, dann sprechen wir in Ruhe drüber!“

„Immer noch Probleme auf Arbeit?“, bohrte Sheryl skeptisch dreinblickend nach als er das Telefonat einfach abschaltete. Andrew atmete durch und gab zu: „Entschuldige, dass du das mit anhören musstest. Andauernd nerven die mich wegen jeder Kleinigkeit. Da kann man sich schon mal vergessen.“ „Kann es sein, dass du dich manchmal nicht ganz unter Kontrolle hast?“, fragte sie weiter. Sein Blick verfinsterte sich ein wenig und er erwiderte: „Worauf genau willst du hinaus?“ „Mir geht dieser eine Moment von letzter Nacht einfach nicht aus dem Kopf.“, gab sie ehrlich zu, woraufhin sich die Stimmung wieder leicht aufhellte und er sich aufrichtig entschuldigte: „Ja, ich gestehe, ich bin manchmal etwas aufbrausend und das von letzter Nacht tut mir wirklich leid. Ich weiß gar nicht, was da eigentlich in mich gefahren ist. Hoffentlich hast du jetzt kein schlechteres Bild von mir. Kannst du mir diesen Ausrutscher verzeihen?“ Sheryl rang sich ein Lächeln ab. Eigentlich hatte sie gehofft ihre Vorurteile mit dem vergangenen Abend zu überwinden aber stattdessen hatten sich diese nur noch vermehrt.

Sie überspielte die Zweifel und näherte sich zu einem Kuss an. Jedoch hielt sie kurz davor inne und fragte: „Hast du getrunken?“ Andrew würgte irritiert: „Ja, aber nur einen Schluck.“, hervor, woraufhin sie sich zurücklehnte, tief durchatmete und predigte: „Du trinkst und fährst dann Auto, noch dazu mit einer Polizistin auf dem Beifahrersitz. Eigentlich sollte ich dir sofort den Führerschein abnehmen. Du gefährdest damit nicht nur dein Leben sondern auch meins und das der anderen auf der Straße.“ „Entschuldigung.“, murmelte Andrew kleinlaut. Daraufhin sah sie ihm in die Augen und sprach: „Ich denke du hast ein Problem und ich weiß nicht ob ich richtig damit umgehen kann. Außerdem habe ich einen Ruf als Polizistin zu verlieren und seien wir ehrlich, schon womit du deine Brötchen verdienst strapaziert diesen ungemein.“ Andrew unterbrach sie: „Moment! Du meinst wohl eher, dass alleine der Umgang mit Mir deinen Ruf schon auf die Probe stellt. Ich weiß was viele Leute von mir halten, doch das ist mir egal.“ „Mir aber nicht.“, konterte sie und redete ruhig weiter: „Andrew, wenn das hier irgendwie funktionieren soll, musst du meine Bedenken ernst nehmen und an dir arbeiten. Ich kann es mir nicht erlauben mit jemandem zusammen zu sein, der ständig das Gesetz missachtet.“ „Ich missachte das Gesetz? Welches denn?“, hakte er dazwischen. Prompt antwortete Sheryl: „Trunkenheit und Telefonieren am Steuer, Missachtung von Vorfahrtsregeln, Übertretung der Geschwindigkeitsbegrenzungen, nur um deine Fehltritte im Straßenverkehr aufzuzählen. Und wenn ich anfangen würde zu graben, dürfte ich bestimmt über noch mehr Dinge stolpern, Drogenmissbrauch zum Beispiel und illegale Prostitution.“ Andrew verschlug es kurzzeitig die Sprache. Dann fragte er aber misstrauisch: „Hast du etwa meine Akte gecheckt?“ Ein verlegenes Lächeln huschte über Sheryls Gesicht und sie versuchte es zu erklären: „Ich muss doch wissen mit wem ich es zu tun habe.“ „Du weißt aber schon, dass diese Drogen- und anderen Delikte eine ganze Weile her sind, oder?“, kam es von ihm. „Oder du hast dich nur nicht mehr erwischen lassen.“, erwiderte sie schlagfertig. Wieder hatte sie ihn auflaufen lassen, allmählich wurde er sauer und warf ihr vor: „Wenn du so viele Vorurteile mir gegenüber hegst und auch nicht mit meinem Lebensstil einverstanden bist, warum triffst du dich dann überhaupt mit mir?“ Aber auch dafür hatte Sheryl eine passende Antwort parat: „Weil ich dich mag und festgestellt habe, dass sich hinter der Fassade ‚Andrew Trevis’ kein wirklich schlechter Mensch verbirgt. Den Teil von dir solltest du nur vielleicht öfters an die Oberfläche lassen.“

Mit diesen Worten stieg sie aus dem Wagen. Andrew rief ihr verwirrt hinterher: „Und nun? Treffen wir uns wieder?“ Sheryl sah ihn lächelnd an und meinte scheinbar wohlgesonnen: „Fürs erste wünsche ich dir noch einen angenehmen Tag, lass dich nicht zu sehr ärgern. Und für alles weitere, ruf mich einfach an und wir machen was aus.“ Dann schloss sie die Autotür, winkte noch einmal und lief schon zum Eingang des Hauses.

Bildete er sich das gerade nur ein oder war das eben ziemlich schief gegangen? Andrew befürchtete, dass er Sheryl letzte Nacht doch vergrault hatte, obwohl sie sich nicht viel davon anmerken ließ. Vielleicht sollte er ihr etwas Zeit geben um die Geschichte zu verarbeiten und außerdem hatte er gerade auch keine Ruhe und die Nerven sich tiefgründiger damit auseinanderzusetzen.

Entschlossen griff er nach seinem Telefon, wählte die Nummer seines Regisseurs und fuhr los. Wenn sie es nicht hinbekamen die Darsteller ausreichend zu motivieren, verloren sie einen ganzen Drehtag. Das wollte Andrew unbedingt vermeiden. Denn vor allem am Wochenende produzierten sie diese kleinen, schmutzigen Filme, die von den besser betuchten Kunden privat beauftragt und ordentlich bezahlt wurden. Wenn Rick das also nicht auf die Reihe kriegte, musste er sich eben persönlich darum kümmern.

 

16

 

Der Regisseur sprang sichtlich nervös von seinem Stuhl auf als Andrew geladen in das Set hinein platzte.

Zwei junge Frauen räkelten sich gemeinsam auf einem Bett. Andrew hielt kurz inne und beobachtete sie einen Augenblick lang wohlwollend dabei. Dann sah er plötzlich Rick an und befahl: „Mitkommen!“ Betreten schlurfte der Regisseur seinem Chef hinterher ins Büro. Andrew schloss die Tür, ging danach zu seinem Schreibtisch und forderte: „Zeig mir noch mal das Drehbuch.“ Zögernd händigte Rick die Zettel aus, in denen Andrew kurz blätterte. „Okay. Und wo bitte liegt jetzt das Problem?“, fragte er dann ungläubig. „Wie ich schon sagte.“, stammelte Rick nervös und versuchte es noch einmal zu erklären: „Demon ist nicht aufgetaucht, Mason zu unerfahren und die Mädels können nicht schauspielern.“ Andrew setzte sich auf die Tischkante, blätterte erneut die Seiten durch und fragte weiter: „Du weißt für wen der Film ist?“ Rick schluckte und würgte „Kruger“ hervor. Sofort stand Andrew wieder auf. Kruger war niemand, dem man ein billiges Schmutzfilmchen ablieferte. Der Mann erwartete Qualität.

Er ging nun langsam auf den Regisseur zu, drückte ihm das Script auf die Brust und stellte böse fest: „Wie kommst du eigentlich auf die unglaublich dumme Idee, dass sich jemand wie Kruger mit billigem Schauspiel abspeisen lässt? Der erwartet das echte Erlebnis!“ Rick stotterte nervös: „Ich weiß nicht was ich tun soll. Mason wird das nie machen. Dafür hat der nicht die Eier.“ „Er vielleicht nicht.“, meinte Andrew ernst und machte eine kurze dramatische Pause bevor er seinen eigentlichen Gedanken aussprach: „Ich aber schon.“

Sofort trat Rick einen Schritt zurück. Er hatte schon viele Gerüchte über seinen Boss gehört, über seine Brutalität und Skrupellosigkeit, das machte ihm eine Heidenangst und am liebsten hätte er die ganze Sache für heute abgeblasen. Also versuchte er zu beschwichtigen: „Ich weiß nicht ob das eine gute Idee ist. Die zwei Frauen sind ganz neu in der Branche, die kriegen einen Schock fürs Leben, und Sie wollen sich doch selbst nicht in Verruf bringen, oder?“ Andrew legte den Kopf schief und drohte: „Versuchst du mir das gerade auszureden? Du weißt schon, dass du damit nicht nur deinen Job gefährdest. Und glaub mir, mit mir willst du dich nicht anlegen.“

Misstrauisch beäugte Rick seinen Chef, der ihn durchdringend anstarrte. Er brachte keinen Ton hervor, auch nicht als Andrew wieder auf ihn zu trat und bedrohlich auf ihn einredete: „Du schickst jetzt alle nach Hause, die nicht unbedingt notwendig sind, inklusive diesem Mason. Außerdem brauch ich ein passendes Outfit, eine Sturmhaube, Handschuhe und farbige Kontaktlinsen. Niemand darf erfahren, dass ich es bin, der in diesem Film mitspielt. Haben wir uns verstanden?“ Der Regisseur nickte hektisch. Andrew packte ihn am Kragen und betonte noch einmal nachdrücklich: „Das bleibt unser kleines, schmutziges Geheimnis. Solltest du das jemals jemandem verraten, mach ich dich kalt. Klar?“ Er ließ Rick wieder los, der sich gleich eilig und verängstigt aus dem Raum stahl und die gewünschten Vorbereitungen traf.

Für die Mitwirkenden erfand er ein paar Ausreden um sie nach Hause zu schicken. Nur die zwei Frauen und der Kameramann blieben vor Ort. Angeblich wollte er mit ihnen zusammen noch ein paar Details ausarbeiten. Dann suchte er schnell die benötigten Kleidungsstücke zusammen. Eine dunkle Sturmhaube, eine schwarze Armeekombi, passende Stiefel und Lederhandschuhe würden die Identität seines Chefs sicher verbergen. Dazu fand er eine Packung braune Kontaktlinsen, die die Verschleierung komplettieren sollten.

Unterdessen fuhr Andrew seinen Wagen hinter das Gebäude. Keiner durfte wissen, dass er noch da war. Nur Thomas wusste Bescheid. Dann begab er sich über den Hintereingang wieder zurück ins Gebäude.

Die Geschichte des kurzen Filmstreifens war schnell erzählt. Der erste Teil spielte in einer Diskothek, wo die zwei jungen Frauen gemeinsam feierten. Jetzt sollten sie nach eben dieser Party heim kommen und leidenschaftlich übereinander herfallen. Und gerade wenn das heiße Liebesspiel seinen Höhepunkt erreichte, würde ein Einbrecher in das Zimmer stürmen und aus dem bislang eher harmlosen Geplänkel eine richtige Hardcore- Szenerie machen.

In Andrew stieg die Spannung während er sich für seinen großen Auftritt fertig machte. Kontaktlinsen war er nicht gewohnt und in der kompletten Montur wurde es schnell ziemlich warm. Doch das erschien ihm als ein geringer Preis für dieses einmalige Abenteuer.

Unterdessen hatte sich Rick seinen Kameramann zur Seite genommen und redete leise aber eindringlich auf ihn ein: „Pass auf Paul, hier wird gleich richtig die Post abgehen und ich erwarte von dir, dass du nicht darüber nachdenkst was passiert sondern einfach nur drauf hältst. Kapiert?“ Skeptisch musterte Paul den Regisseur und fragte vorsichtig: „Was genau meinst du mit ‚die Post abgehen’? Ist Demon jetzt doch noch erschienen?“ Rick schüttelte den Kopf und erklärte: „Nein, ich habe einen Ersatz und mit dem wird es richtig zur Sache gehen. Erschrick also nicht wenn der dann gleich die Tür eintritt.“ „Der wird die Tür eintreten?“, erwiderte Paul ungläubig und Rick sprach weiter: „Vielleicht. Den zwei Mädels sagen wir aber nichts davon, damit sie wirklich erschrecken und auch sonst greifen wir keinesfalls ins Geschehen ein. Das ist sehr wichtig. Hast du mich verstanden?“ Paul nickte, doch ihm war nicht ganz wohl bei der Sache. Und auch Rick hatte ein flaues Magengefühl. Er wusste von Andrews Unberechenbarkeit und befürchtete das Allerschlimmste. Wenn er jedoch seinen Kopf behalten wollte, musste er mitspielen.

Und dann kam das Startsignal. Andrew schickte per SMS nur das kleine Wörtchen „Go!“. Rick wurde es nun richtig schlecht, doch er durfte sich nichts anmerken lassen. Wie die zwei Frauen ins Zimmer gekommen waren, hatten sie bereits abgedreht, jetzt ging es noch ums Eingemachte.

Rick gab ein paar Anweisungen wie sie sich auf dem Bett gegenseitig verwöhnen sollten. Währenddessen schlich sich Andrew hinter die Kulisse und wartete einen Augenblick lang ab. Anscheinend hatten die zwei richtig Spaß miteinander und den galt es ihnen jetzt gehörig zu verderben. Also postierte er sich hinter der Tür, atmete noch einmal ruhig durch, holte aus und trat dann mit roher Gewalt gegen das Holz. Einzelne Splitter flogen quer durch den Raum, ein Teil des Schlosses klimperte auf den Boden und die zwei Frauen kreischten vor Entsetzen. Anscheinend hatte es Andrew mit der Wucht ein wenig übertrieben doch es gab keine zweiten Versuche.

Bevor alle überhaupt verstanden was hier gerade ab ging, hatte er sich schon wahllos eine der beiden Frauen geschnappt und schleuderte sie kraftvoll auf die andere Seite der Zimmerkulisse. Völlig überrumpelt konnte sie nichts dagegen tun, ging taumelnd zu Boden und krachte ungebremst in das aufgebaute Bücherregal, das sogleich in sich zusammenbrach. Die zweite wollte noch fliehen, kam aber nicht schnell genug an Andrew vorbei, der sie fest am Oberarm packte und sie mit vollem Körpereinsatz auf den Boden zwang.

Auf ihr kniend, sie rang währenddessen keuchend nach Atem, zurrte er ihr Hände und Füße mit Kabelbindern zusammen bis sie sich kaum noch regen konnte. Danach hatte er Zeit sich in aller Ruhe um diejenige kümmern, die gerade mühsam unter den Brocken des Bücherregals hervor kroch.

Als sie sah wie er auf sie zu schritt, wich sie auf allen Vieren so weit zurück wie sie nur konnte. Tränen glänzten bereits in ihren Augen und ein paar Tropfen Blut quollen aus den Blessuren, die sie bisher erlitten hatte. Angstvoll und irgendwie flehend starrte sie ihren Peiniger an, der nun bedrohlich dicht vor ihr stand und auf sie herab schaute.

Andrew griff plötzlich nach ihren Haaren, sie schrie auf, winselte erbärmlich als er sie an ihrem Schopf hinter sich her in Richtung Bett zerrte. Mit einem Mal packte er dann die zierliche junge Frau und warf sie anscheinend mühelos auf die Matratze. Auf dem Teppich davor versuchte sich die andere inzwischen verzweifelt aus ihren Fesseln zu befreien, blieb allerdings erfolglos.

Wie in Trance hatten sowohl Rick als auch Paul die ganze Zeit lang fassungslos das Geschehen beobachtet. Die Kamera zeichnete dabei stumm alles auf. Doch nachdem sich Andrew zu seinem Opfer auf das Bett gekniet und sie fest an der Kehle gepackt hatte, hielt er kurz inne, drehte sich zu den zwei Beobachtern um und winkte sie zu sich. Plötzlich von seiner Schockstarre erlöst, rempelte Rick den Kameramann an und befahl: „Los, mach deinen Job!“ Emotional überfordert ergriff Paul sein Aufnahmegerät und folgte den Anweisungen des Regisseurs.

Nach ein paar Nahaufnahmen von der Gefesselten widmete er sich dem Geschehen auf dem Bett. Andrew hielt sie noch immer am Hals gepackt und ihre deutlichen Würgelaute verrieten, dass er es ernst meinte. Dennoch versuchte sie nach ihm zu schlagen und sich strampelnd zu befreien, hatte jedoch keine Chance gegen ihren mindestens doppelt so schweren und gut trainierten Angreifer. Mit dem Würgegriff hielt Andrew sie unter Kontrolle während er ihr mit der freien Hand zwischen die Beine fasste, sie unsittlich berührte, mit den Fingern in sie eindrang und schließlich seine Hose öffnete um seine Geilheit an ihr auszulassen. Minutenlang verging er sich brutal an der jungen Frau, hielt dann aber plötzlich inne, drehte sie ruckartig auf den Bauch und fesselte sie ebenfalls mit mehreren Kabelbindern, die er aus der Seitentasche seiner Cargohose holte. Jetzt war erst einmal die andere dran.

Dafür hievte er nun die Gefesselte vom Boden auf das Bett und rückte sie sich an der Kante zurecht. Dann griff er nach dem Sexspielzeug, das er auf dem Nachttisch erspäht hatte. Unkommentiert hielt die Kamera hautnah fest wie der Vibrator tief in die junge Frau eindrang. Sie seufzte und stöhnte schmerzerfüllt als Andrew dies ebenfalls tat. Er konnte die Vibrationen des Gerätes in ihrem Körper spüren, es machte ihn wahnsinnig. Rücksichtslos verging er sich daraufhin auch mehrere Minuten lang an ihr ohne jedoch zum Höhepunkt zu gelangen, denn den hob er sich noch für das Finale auf.

Als er schließlich genug davon hatte, trat er einen Schritt weit vom Bett zurück als würde er überlegen was nun zu tun sei. Immerhin musste dem Zuschauer ja etwas geboten werden. Er konnte sie nicht von den Fesseln befreien, zu groß war die Gefahr, dass sie dann versuchen würden zu fliehen. Also musste er einen Weg finden um ihnen beiden gleichzeitig Gewalt anzutun. Genau das würde Kruger sicher gefallen.

Entschlossen schnappte er sich also sein letztes Opfer und drehte sie auf den Rücken. Sie lag jetzt wehrlos auf ihren gefesselten Händen und Füßen während das Sexspielzeug noch immer unaufhörlich in ihr vibrierte. Ihr von Tränen zerstörtes Make Up erinnerte Andrew an seinen letzten Mord. Ein erfrischender Adrenalinschwall schwappte umgehend durch seine Adern. Die andere Frau stapelte er nun genau seitenverkehrt auf sie, sodass sie Bauch an Bauch lagen, jeweils mit dem Gesicht zwischen den Beinen der anderen. Und sie konnten nichts dagegen tun, außer laut weinend zu protestieren.

Immer wieder warf Paul inzwischen dem Regisseur zweifelnde Blicke zu. Er hatte zwar schon viele schlimme Sachen gedreht aber diese Szenen entstanden ohne die Zustimmung der Akteurinnen. Er war Zeuge ernsthafter Misshandlungen und traute sich dennoch nicht einzugreifen. Rick sah man sein Unbehagen ebenfalls an, doch zu groß war seine Angst vor diesem unberechenbaren Irren als dass er es je gewagt hätte ihn aufzuhalten. Und Andrew genoss unterdessen seine Macht, die er hier hemmungslos an den zwei Frauen auslassen konnte. Beide würden sie nun seine Gewalt zu spüren bekommen, wenn er sie mit jedem Stoß fest aufeinander drückte.

Das durch seine Venen pumpende Adrenalin mobilisierte seine Kräfte und steigerte den Rausch in unermessliche Höhen. Mit sadistischer Rohheit gab er nun alles bis er nicht mehr konnte. Unter ihm drangen nur noch halb erstickte, verzweifelte Gluckslaute aus dem Menschenbündel, das er gerade bearbeitete und plötzlich entlud sich alles in einer schwindelnden Endorphinexplosion.

Von den Gefühlen übermannt taumelte er schließlich rücklings von seinen zwei Opfern weg, blieb kurz noch stehen um sich sein Werk einen Augenblick lang zu betrachten und verschwand dann völlig ohne Vorwarnung zur zerstörten Tür hinaus.

Rick und Paul blieben dagegen mit den Gepeinigten zurück und wagten es mehrere Sekunden lang nicht sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Wenn ihnen dieses Erlebnis schon beim Zusehen dermaßen in die Knochen fuhr, wie mussten sich erst die zwei Frauen fühlen.

Als sicher war, dass Andrew nicht zurück kehrte, überwand sich der Regisseur und eilte den Opfern endlich zur Hilfe. Auch Paul legte nun die Kamera beiseite und ging seinem Kollegen zur Hand.

Völlig benommen stolperte Andrew unterdessen in die Garderobe, packte seine Sachen eilig in eine Tüte, die er unter einer Bank fand, und rannte an die frische Luft. Er hatte ja schon viel getan und erlebt aber das war ein neues Highlight auf seiner Liste. Und dann war es auch noch gefilmt worden und später würde sich der Bankenchef daran ergötzen können ohne zu wissen wer sich da wirklich an den zwei Frauen verging.

Das Adrenalin kribbelte noch immer in seinen Fingerspitzen als er sich ans Steuer seines Wagens setzte und davon raste. Er wusste jetzt schon, dass diese Geschichte noch Probleme mit sich bringen würde und musste sich nun dringend um ein Alibi kümmern.

In einem nahe gelegenen Waldstück zog er sich schnell um, verstaute die anderen Sachen, inklusive der Kontaktlinsen, im Kofferraum seines Autos, wissend dass er später alles verbrennen würde, und fuhr wieder los.

Inzwischen hatten Rick und Paul die zwei Frauen von ihren Fesseln befreit, sie sorgsam in Decken gehüllt und versuchten sie nun zu trösten und Schadensbegrenzung zu üben. Nachdem sich die Beiden aber ein wenig erholt hatten, kochte die Situation plötzlich hoch. Sie drohten unentwegt damit die Polizei zu verständigen und nicht nur ihren Peiniger sondern auch Rick und Paul anzuzeigen. Während sie schon in die Garderobe liefen um sich endlich wieder etwas anzuziehen, schickte Rick den Kameramann hinterher um sie aufzuhalten. Er griff sich derweilen das Telefon und alarmierte Andrew.

Da der schon beinahe damit gerechnet hatte, wendete umgehend seinen Wagen und fuhr zurück zum Studio. Jetzt war er wieder offiziell zugegen und hoffte darauf, dass er die Lage beruhigen konnte.

Selbstbewusst und entschlossen betrat er das Studio, wo Rick sogleich auf ihn zueilte und ihm die Situation schilderte: „Die zwei sind gerade in der Garderobe und ziehen sich an. Paul ist bei ihnen und versucht sie weiterhin davon abzuhalten zur Polizei zu gehen. Die sind ziemlich aufgebracht und ich glaube nicht…“. „Ich kümmere mich drum.“, schnitt Andrew dem Regisseur das Wort ab und lief in Richtung Garderobe. Obwohl er hörte wie sich Paul drinnen mit den Frauen stritt, klopfte er höflich an bevor er eintrat. Sofort als sie ihn erblickten, wetterten die jungen Frauen haltlos auf ihn ein, sodass Andrew beschwichtigend die Hände hob und rief: „Moment, Moment! Ich verstehe kein Wort. Könnt ihr mir in Ruhe erzählen was genau eigentlich passiert ist?“ Sofort kehrte Ruhe ein und nur eine der beiden ergriff kurz darauf das Wort: „Dieser Kerl ist vorhin beim Dreh total ausgerastet. Er hat die Tür eingetreten, Susanne voll gegen das Bücherregal geschubst und uns beide mit Kabelbindern gefesselt.“ Sie zeigte ihm die tiefroten Striemen, die sie beide an Hand- und Fußgelenken zurückbehalten hatten. Dann sah die andere Rick und Paul böse an und meinte: „Und die beiden Pfeifen haben nicht einmal eingegriffen als uns der Typ brutal vergewaltigt hat. Die haben nur dagestanden, geglotzt und weiter gefilmt. Mieses Pack!“ Andrew wirkte geknickt, obwohl er das natürlich nur spielte, und überlegte wie er die Situation entschärfen konnte. Also sprach er: „Wenn ich das Drehbuch recht im Sinn habe, war das doch der eigentliche Inhalt der Geschichte. Der Einbrecher stürmt die Wohnung und vergeht sich an euch.“ „Aber doch nicht mit dieser Brutalität!“, keifte Melanie ihn an. Susanne nickte und rieb sich über die Schürfwunden, die das zusammengestürzte Regal an ihren Armen hinterlassen hatte. „Ja, da habt ihr wohl recht.“, lenke Andrew nachdenklich ein und bot schließlich an: „Ich zahl euch das Doppelte wenn ihr versprecht nicht zur Polizei zu gehen. Diesen Mistkerl, der euch das angetan hat, werde ich persönlich zur Rechenschaft ziehen.“

Melanie schüttelte verärgert den Kopf und legte fest: „Das ist nicht genug! Sie haben diesen Scheißkerl engagiert und sind damit genau so schuldig. Wir werden euch alle anzeigen!“ „Ladys.“, versuchte sich Andrew nun einzuschmeicheln und redete beruhigend weiter: „Ihr solltet hier nichts überstürzen. Wenn ihr zur Polizei geht, wird diese Sache nur unschön aufgeblasen. Wir alle haben einen Ruf zu verlieren. Euch wird keiner mehr buchen wenn es sich herumspricht, dass ihr eure Arbeitgeber anzeigt. Lasst mich einen Vorschlag zur Güte machen.“ Anscheinend bewirkte seine kleine Ansprache, dass die Frauen noch einmal darüber nachdachten, denn Susanne wollte auf einmal wissen: „Okay, was bieten Sie an?“ Andrew lächelte freundlich, bat sie sich zu ihm auf eine Bank zu setzen und schlug vor: „Also, ich gebe euch die doppelte Gage, einen Vertrag über drei Filme, für die ihr euch selbst die Partner heraussuchen könnt, und ihr seid als VIPs zur nächsten Studioparty eingeladen. Was haltet ihr davon?“ „Und was passiert mit dem Mistkerl?“, hakte Melanie nach. Andrew setzte eine ernste Miene auf und erklärte: „Keine Sorge, um den werde ich mich kümmern, sodass er seines Lebens nicht mehr froh wird.“ Nach einer kurzen, gespannten Pause fügte er an: „Also, keine Polizei?“ Die jungen Frauen standen auf, gingen zur Seite und tuschelten kurz. Dann stimmten sie beide zu.

Er hatte es also wieder einmal geschafft. Trotz all der Grausamkeiten würde er ohne große Probleme aus dieser Sache herausschlittern. Das bisschen Geld konnte er durchaus verkraften, solange Kruger den vollen Betrag zahlte und Andrew war sich bei diesem Material sicher, dass er das tun würde.

Jetzt galt es nur noch ein Alibi aufzutreiben für den unwahrscheinlichen Fall, dass die zwei ihr Versprechen brachen.

17

 

Sheryl hatte es sich daheim gemütlich gemacht. Auf dem Tisch neben dem Sofa stand eine dampfende Tasse Tee, die Füße hatte sie hochgelegt und den Laptop auf ihrem Schoß. So ließ es sich aushalten.

Etwas unschlüssig starrte sie auf das Suchfenster ihres Browsers. Gerne hätte sie noch ein wenig recherchiert, wusste aber im Moment nicht genau, wonach sie eigentlich suchen sollte. Plötzlich fiel ihr wieder ein, dass sie die Wachleute doch alle ins System eingegeben hatten um zu schauen ob die Datenbank etwas ausspuckte.

Schnell loggte sich Sheryl in das Behördensystem ein. Als sie den Ordner mit den Prüfergebnissen öffnete, konnte sie sich ein überraschtes „Wow!“ nicht verkneifen. Zu einigen der Personen gab es tatsächlich auch eine Akte. Als sie die Namen überflog, wurde sie ein wenig stutzig. Einer Eingebung folgend suchte sie daher die Liste derer heraus, die schon einmal für das Devil’s Studio gearbeitet hatten. Jeder Einzelne tauchte in der Datenbank auf plus ein paar weitere. Diese schaute sie sich als erstes an und musste feststellen, dass es sich durchweg um eher kleinere Delikte handelte, meist im Bereich Verkehr oder Äußerungen gegenüber Dritten.

Interessanter wurde es da schon bei den anderen, vor allem der selbsternannte Sicherheitschef schien doch etwas mehr Dreck am Stecken zu haben als er zugeben wollte. Irgendwie waren diese Leute alle schon einmal unangenehm durch Drogen-, Gewalt- und Freiheitsdelikte aufgefallen. Die Palette reichte von Hausfriedensbruch über Nötigung und Bedrohung bis hin zur schweren Körperverletzung. Da hatte sich dieser Thomas mit seiner Behauptung, dass seine engagierten Leute sauber seien, sehr weit aus dem Fenster gelehnt und er selbst war wohl der schlimmste von ihnen. Sheryl überflog seine Akte und schüttelte dabei nur noch den Kopf. Dieser Kerl hatte ja wirklich schon alles getan und sie wunderte sich ernsthaft, warum der überhaupt noch frei herumlaufen durfte. Das Einzige was noch fehlte war eigentlich Mord. Mit dieser Erkenntnis bohrte sie sich tiefer in die Materie hinein und stolperte plötzlich über einen ungewöhnlichen Zusammenhang.

Ehe sie diesem jedoch näher auf den Grund gehen konnte, riss sie auf einmal die Türklingel aus den Gedanken. Nachdem Sheryl den kurzen Schreck überwunden hatte und es erneut klingelte, eilte sie zur Haustür. Dave stand draußen und wirkte sichtlich nervös. Als Sheryl nun die Tür öffnete, war ihm die Erleichterung regelrecht anzusehen. „Ich hab dich bestimmt tausendmal angerufen und immer nur die Mailbox dran gehabt! Ich hab echt schon angefangen mir Sorgen zu machen.“, erzählte er aufgeregt. „Ach, mein Telefon ist wohl noch ausgeschaltet.“, bemerkte Sheryl daraufhin, ging zum Kleiderständer und kramte es aus ihrer Handtasche. „Man ey! Ich dachte schon der Typ hat dir was angetan!“, beschwerte sich Dave, trat in den kleinen Hausflur und schloss die Tür hinter sich. Lächelnd sah Sheryl ihn an und sprach beruhigend: „Alles gut, Dave. Er war ein ausgesprochener Gentleman.“ „Ach wirklich?“, erwiderte der eher skeptisch.

Sie gingen ins Wohnzimmer, wo sie ihm einen Platz anbot und dann weiter erzählte: „Ja, Andrew hat sich benommen. Zwischendurch wurde die Situation zwar etwas angespannter als die Sache mit meinem heimlichen Besuch beim Filmstudio aufkam. Aber das haben wir ganz erwachsen geklärt.“ Dave beäugte sie aufmerksam und fragte schließlich: „Und? Bist du auch über Nacht geblieben?“ Sheryl wich seiner Frage aus: „Willst du vielleicht auch eine Tasse Tee?“, stand auf und ging in Richtung Küche. Sofort folgte Dave ihr nach und stichelte weiter: „Ah! Hab ich es doch gewusst! Von wegen Gentleman.“ Abrupt blieb Sheryl daraufhin stehen, drehte sich zu ihm um und sagte ernst: „Nicht dass dich das etwas angehen würde, aber er war wirklich sehr aufmerksam und zuvorkommend. Deinen Spott hat er also nicht unbedingt verdient.“ „Entschuldigung.“, lenkte Dave sofort ein, konnte sich aber eine weitere Frage nicht verkneifen: „Seid ihr jetzt etwa zusammen?“ Sie atmete tief durch, setzte einen nachdenklichen Blick auf und antwortete: „Ich weiß nicht recht. Andrew hat ein paar ernsthafte Probleme, die ich nicht ignorieren kann. Das mit uns würde also nur etwas Richtiges werden, wenn er sich entschließt daran zu arbeiten. Irgendwie glaube ich aber nicht, dass er dazu in der Lage ist.“ „Okay.“, stellte Dave ohne jegliche Wertung fest und äußerte anschließend: „Dann werdet ihr euch also nach wie vor ganz zwanglos ab und zu treffen und in Ruhe sehen was daraus wird?“ „Genau so ist es.“, bestätigte Sheryl seine Annahme. „Dann möchte ich dir jetzt eine Sache nicht vorenthalten.“, sagte er daraufhin und ging zurück in den Flur und dann zu seinem Auto. Sheryl folgte ihm bis zur Haustüre nach und beobachtete fragend wie er einen Beutel aus seinem Wagen holte.

Zurück im Wohnzimmer legte Dave mehrere DVDs aus der Tasche auf den Couchtisch. Dazu erklärte er: „Als du dich gestern mit diesem Typ getroffen hast, war ich in der Stadt unterwegs. Wie du unschwer erkennen kannst in einschlägigen Läden. Ich weiß nicht wie ich das erklären soll, aber irgendwie hatte ich die Eingebung, ich sollte mir doch wenigstens mal einen Film ansehen, den das Devil’s Studio produziert hat.“ Sheryl musterte die Hüllen, auf denen irgendwie bizarre Bilder gedruckt waren und las sich die Beschreibungen durch. Anscheinend ging es ausschließlich um eine Kombination aus Erniedrigung, Sex und Gewalt. Insgeheim hatte sie darauf gehofft es wären nur normale Pornos, zumindest das, was sie als normal empfand, musste sich aber eingestehen, dass sie auch davon nicht sonderlich überrascht war.

Dann schaute sie ihren Kollegen fragend an. „Du warst also gleich in mehreren Sexshops um diese DVDs zu kaufen?“ „Ja.“, gab Dave zu und redete weiter: „Im ersten Geschäft meinte man, dass man diese Filme nicht führen würde, im zweiten bekam ich dann wenigstens einen und den Hinweis zum Pier zu gehen, wenn ich mehr davon wollte. Also bin ich zum Hafen gefahren und hatte in einem dortigen Geschäft eine sehr seltsame Begegnung.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Der Verkäufer beobachtete mich die ganze Zeit und wie ich zwei Hüllen aus dem Regal nahm, stand er plötzlich neben mir und fragte ob ich mich denn besonders für die Devil’s Studio Filme interessiere. Ich bestätigte seine Vermutung und er meinte auf einmal, dass er da noch was ganz Besonderes auf Lager hätte, nur für echte Fans.“ Wieder wartete er kurz. „Ich gab mich also als Fan aus und folgte ihm zur Theke, wo er aus einem verschlossenen Schrank diese DVD holte.“ Dave legte eine weitere Hülle auf den Tisch. Sie war anders, komplett schwarz, ohne Aufschrift, ohne Bilder. Er sprach weiter: „Dazu erklärte dieser seltsame Kerl regelrecht stolz, dass das die erste der Reihe wäre und man in Episode sechs sogar dem Meister persönlich bei der Arbeit zusehen könnte. Ich tat so als wüsste ich wovon er redete und machte einen auf total erstaunt und begeistert. Also hat er mir den Film verkauft.“

„Hast du dir was davon angesehen?“, fragte Sheryl auf einmal dazwischen. „Alle bis auf diesen.“, antwortete Dave und tippte mit dem Finger auf die schwarze Hülle. Verwundert musterte sie ihn, woraufhin er sprach: „Das ist ziemlich heftiger Scheiß, den dein Freund da produziert. Ich konnte mir die anderen Filme schon nur teilweise anschauen, weil mir das einfach zu krass war, und habe mich dann ehrlich gesagt an diesen nicht mehr heran getraut.“

Gebannt starrte Sheryl auf die besondere DVD und flüsterte plötzlich: „Vielleicht sollten wir einen Blick riskieren.“ „Bist du dir sicher?“, hinterfragte Dave ihre Absichten. Entschlossen sah sie ihn daraufhin an, antwortete: „Mich interessiert wen er mit ‚Meister’ gemeint hat.“, griff nach der Hülle und holte die Disc heraus. Auch diese war komplett schwarz, sogar die gebrannte Seite. Kurz hielt Sheryl inne, fast als müsse sie sich überwinden die DVD einzulegen. Dennoch schob sie sie dann in den Player und drückte auf Start.

Gleich nach dem Laden prangte auf einmal ein großes Teufelskopf- Logo mitten auf dem Bildschirm. Sheryl erkannte es sofort, es war das gleiche Siegel wie auf Andrews Krawattennadel und der Türklingel von Devil’s Manison. Darunter stand in roten Lettern: „Devil’s Studio proudly presents an AT production.“ Dann verschwamm das erste Bild und der Titel der DVD kam zum Vorschein: „In the Halls of Sickness Vol. I“.

Erschrocken zuckten sie beide zusammen als plötzlich ohne Vorwarnung lautstarke, bösartige Musik, die man fast nur noch als Geräusch bezeichnen konnte, aus den Boxen quoll. Schnell drehte Sheryl den Ton leiser und widmete sich den verstörenden Bildern die nun über ihren Fernseher flimmerten. Dave hatte nicht übertrieben. Eine gefesselte Frau musste eine ganze Reihe an Torturen über sich ergehen lassen, die Sheryl ernsthaft daran zweifeln ließen ob wirklich jemand Spaß daran haben konnte, die Gefolterte eindeutig nicht. Spätestens als man begann der armen Frau Nadeln durch die Brustwarzen und andere delikate Körperstellen zu stechen und ihr dabei die Tränen in Strömen über das Gesicht liefen, konnte man davon ausgehen, dass sie das nicht gewollt hatte.

Sheryl schaltete ab und atmete tief durch. Wenn das nur der Auftakt war, wie würde sich das noch steigern? Fast graute sie es davor wieder auf Play zu drücken, überwand sich aber und sprang zur nächsten Episode vor. Auch die ließ sie nur wenige Minuten lang laufen bevor sie auf Pause schaltete. Auf dem Standbild sah man wie dem Opfer gerade ein glühendes Brandeisen in die Haut gedrückt wurde. „Meinst du das ist alles echt?“, fragte Sheryl leise in den Raum. Dave wagte nicht den Blick vom Fernseher zu lösen und flüsterte: „Ich denke schon und habe ein sehr ungutes Gefühl bei der Sache.“ Sie vermuteten allmählich, dass nicht alle Akteure wirklich freiwillig bei diesen Szenen mitmachten und der Film nur deshalb unter der Ladentheke verkauft werden durfte.

Ein paar Sekunden später schaltete Sheryl weiter zur sechsten Episode. Sie wollte dem Meister bei der Arbeit zusehen.

Sofort fiel auf, dass diese Aufnahme anders war. Es gab kein Set, nur einen kahlen Raum, dessen Boden komplett mit weißen Tüchern bedeckt war. In der Mitte lag eine junge Frau mit verbundenen Augen, nackt, an Händen und Füßen gefesselt. Mehrere Scheinwerfer strahlten aus allen Richtungen auf sie.

Plötzlich bewegte sich die Kamera auf sie zu und die Zuschauer realisierten schnell, dass hier aus der Ich- Perspektive gefilmt wurde. Anscheinend trug diese Person eine Art hochauflösende Kopfkamera, die all das zeigte was sie sich betrachtete. Fasziniert sank Sheryl aufs Sofa. Damit hatte sie nicht gerechnet. Dave setzte sich auf den Boden.

Beide starrten sie weiterhin wie gebannt auf die Mattscheibe. Die Kamera bewegte sich um die gefesselte Frau herum und begutachtete sie eingehend von allen Seiten, dann fiel ihr Blick nach unten. Offensichtlich handelte es sich um einen nackten Mann, der diese Szenen filmte.

Einen Augenblick später ging er dann zu einer an der Wand lehnenden Holzkonstruktion, schleppte diese mittig in den Raum und postierte sie direkt neben der Gefangenen. Das große X war auf jedem Arm mit einem Riemen versehen und sie ahnten schon, dass er sein Opfer nun darauf festschnallen würde. Er packte sie und legte sie auf das Holzkreuz. Bei jeder seiner Berührungen zuckte die Frau sichtbar zusammen und weinte. Dann löste er eine Fessel nach der anderen und band ihre Arme und Beine stattdessen an den dicken Brettern fest. Doch das war noch nicht alles. Auf der anderen Seite des Raumes stand ein kleiner Tisch, auf diesem lagen unter anderem vier Zimmermannsnägel und ein entsprechender Hammer. Sheryl und Dave hielten den Atem an als der Fremde danach griff, zurück zu seinem Opfer ging und den ersten Nagel auf ihr Handgelenk setzte. Mit drei kräftigen Schlägen trieb er den Metallstift durch den Arm der vor Schmerz und Panik schreienden Frau. Sheryl konnte fast nicht mehr zusehen wie er so auch ihr zweites Handgelenk und ihre Füße auf den Brettern fixierte. Ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken als er einen Moment lang verweilte und sich das grausige Bild betrachtete. Dann sah er an sich hinunter und präsentierte den Zuschauern seine Erregung.

An den Fußenden des Holzkreuzes waren massive Ösen angebracht, in die er nun Ketten einhakte, die er über einen Flaschenzug von der Decke herab gelassen hatte. Wenige Augenblicke später hing das X nun mitsamt der Gefangen kopfüber mitten im Raum. Sheryl war es schlecht. Eigentlich wollte sie sich das gar nicht weiter ansehen, konnte aber auch nicht die Stopp- Taste drücken. Als nächstes hockte er sich vor seinem Opfer hin und legte ihr eine Mundsperre an, wie man sie vom Zahnarzt her kannte. Man konnte ihr verzweifeltes Flehen hören bis er fertig war und sie nicht mehr in der Lage zu sprechen. Anschließend ging er zurück zum Tisch, nahm den letzten Gegenstand in die Hand und präsentierte ihn der Kamera. Es handelte sich um eine Art Stilett, ein spitz zulaufender, vierseitiger Dolch. Um zu zeigen, dass die Klingen auch scharf waren, drückte er sie sich selbst in den Arm bis es blutete. Dann postierte er sich vor seinem Opfer. Dave schaute nur noch durch seine vorgehaltene Hand zu und in Sheryl krampfte sich alles zusammen als dieser Perverse der Gefangenen seinen erigierten Penis in den Mund zwang und anschließend langsam die vierschneidige Klinge in ihre Scheide gleiten ließ. Erstickte Schreie und ein starkes Zittern verrieten ihre Pein.

Sheryl drückte auf Stopp. Sie konnte sich das nicht mehr länger ansehen, stand auf und ging in die Küche.

Ein paar Sekunden später folgte ihr Dave nach. Sie lehnte an der Spüle und kämpfte mit sich selbst. Dann sah sie ihren Kollegen an und hauchte fassungslos: „Wer macht so was? Und wer schaut gerne dabei zu? Wie krank muss man sein?“ Dave atmete tief durch und antwortete nur: „Lass uns wenigstens noch sehen wie es ausgeht. In Ordnung?“ Sheryl nickte, versuchte sich zusammenzureißen und kehrte mit ihm zurück ins Wohnzimmer. Diese Bilder würden sie wohl auf ewig verfolgen.

Im Schnellvorlauf sahen sie sich den Rest der Episode an, da sie die Echtzeitversion einfach nicht mehr ertrugen. Nachdem der Peiniger den Dolch aus ihr herausgezogen und anschließend genüsslich Blut aus ihr geleckt hatte, ließ er das Kreuz wieder auf den Boden herab. Dann entfernte er die Fesseln von ihren Fußgelenken, zog den Nagel aus einem ihrer Füße um ihn, nachdem er ihr Bein angewinkelt hatte, wieder hindurch ins Holz zu treiben. Mit dem anderen tat er das Gleiche.

Sein Opfer war kaum noch in der Lage zu schreien und weinte bitterlich. Unter ihrem Gesäß sog sich das weiße Tuch bereits mit den ersten roten Tropfen voll. Nun berührte er sie mit seinen Händen und zeichnete mit ihrem eigenen Blut verschiedene Symbole auf ihre nackte Haut. Danach verging er sich minutenlang an seinem wehrlosen Opfer, würgte sie und zeigte seinen Zuschauern immer wieder hautnah wie er in sie eindrang bis er scheinbar kurz vor seinem Höhepunkt stand.

Unter ihr hatte sich allmählich eine Blutlache gebildet, die durch den weißen Stoff noch wesentlich dramatischer wirkte. Für das eigentliche Finale wollte er seine Gefangene dann scheinbar noch ihr eigenes Blut schmecken lassen. Erneut zwang er sich ihr oral auf bis es schließlich vollbracht war.

Das Bild wurde schlagartig dunkel und die Zuschauer verblieben in Unwissenheit über das Schicksal der Gepeinigten. Ob er sie im Anschluss an all die Schinderei wohl getötet hatte?

Sheryl schaltete den Player aus, hielt sich die Augen zu und sank rücklings ins Sofa. Diese Bilder musste sie erst einmal verkraften. Sie hatten zwar schon viele grausame Dinge gesehen aber meistens war da schon alles zu spät gewesen und sie nicht gezwungen live dabei zuzusehen wie die Opfer gequält oder getötet wurden.

Erst schweigsame Minuten später öffnete sie ihre Augen wieder und stellte fest: „Ich muss mit dem Verkäufer sprechen.“ „Deshalb habe ich mir seine Karte geben lassen.“, sagte Dave leise und holte diese hervor. Auf dem Visitenkärtchen stand immerhin ein Name, den sie in den Computer eingeben konnten um die Anschrift des Mannes herauszufinden. Dann fuhren sie los.

Inzwischen überlegte Andrew angestrengt was er als Alibi benutzen konnte und hatte schließlich auch eine zündende Idee. Dass ihm sein Lippenpiercing herausgerissen worden war, störte ihn noch immer und schon länger spielte er mit dem Gedanken sich ein neues stechen zu lassen. Also schaute er in seine Kartei, telefonierte mit dem Mann, der ihm auch die Brustwarzen gepierct hatte und bestellte ihn umgehend zu sich nach Hause. Da er ihm ein hübsches Sümmchen bot, machte sich der auch gleich auf den Weg.

Schon eine halbe Stunde später klingelte der über und über tätowierte Kerl an der Tür, Simon öffnete und bat ihn höflich herein. Fast schon freundschaftlich begrüßte Andrew ihn dann und sie ließen sich gemeinsam am Küchentisch nieder.

„Was hast du dir denn vorgestellt?“, eröffnete der Mann dann das Verkaufsgespräch, stellte einen Koffer auf den Tisch und klappte ihn auf um Andrew eine Auswahl zu zeigen. Interessiert nahm dieser die Schmuckstücke unter die Lupe während Simon einen frisch duftenden Kaffee aufbrühte und jedem eine dampfende Tasse hin stellte. Er entschied sich für ein Steckermodell mit austauschbarer Spitze. So hatte er die Möglichkeit immer mal zwischen verschiedenen Endstücken zu wechseln und ein Stecker war auch schlechter zu fassen als ein Ring, sodass die Gefahr eines erneuten Herausreißens gemindert wurde. Nachdem sie den Kaffee getrunken hatten, schritten sie auch schon zur Tat. Der Piercer zog sich Handschuhe an, desinfizierte das gewählte Stäbchen gründlich mit Alkohol, packte die sterile Kanüle aus und widmete sich dann Andrews Unterlippe. Zweifelnd stellte er jedoch fest: „Du hattest hier schon mal ein Piercing, richtig?“ „Ja.“, antwortete Andrew knapp. „Hast du es nicht vertragen oder woher stammt die Narbe?“, fragte der Mann weiter. Aber Andrew winkte nur ab und erklärte: „Das Teil wurde mir leider gewaltsam entfernt. Stich einfach durch die Narbe durch. Das passt schon.“ „Ungern.“, erwiderte der Piercer, setzte aber dennoch die Kanüle an. Andrew hielt ihn noch kurz zurück und verlangte: „Bitte ganz langsam machen, ich will es genießen.“ Kurz verzog der Mann daraufhin eine Augenbraue, kam dem Wunsch seines Kunden jedoch anstandslos nach.

Andrew konnte spüren wie sich das Metall ganz langsam durch seine Haut bohrte. Der Piercer arbeitete beinahe in Zeitlupe und dennoch war es schon nach wenigen Augenblicken vorbei. Für den Anfang schraubte er dann eine konische Metallspitze auf das Gewinde des Stäbchens, klopfte Andrew anschließend auf die Schulter und meinte: „Alles klar, schon vorbei. Willst du dir gleich noch ein paar andere Spitzen raussuchen?“ Mit den Fingerkuppen fühlte Andrew über sein neues Schmuckstück, sah danach noch einmal in den Koffer und entschied sich für zwei weitere Enden, einen Stachel und eine etwas dezentere Pyramide.

Nachdem der Piercer dann alles zusammengepackt hatte, offenbarte Andrew noch sein weiteres Anliegen: „Ich habe noch eine Bitte. Sollte dich jemand fragen wann du hier warst, sagst du zwischen zehn und zwölf. Geht das für dich in Ordnung?“ Der Mann schaute auf die Uhr, es war kurz nach drei. Andrew schob derweilen mehrere Fünfziger über den Tisch, die den Piercer kurz stutzen ließen. Als er aber nachgezählt hatte, reichte er seinem Kunden die Hand und meinte: „Geht klar, Chef. Zwischen zehn und zwölf war ich hier.“ Ohne Fragen zu stellen verabschiedete er sich dann und fuhr wieder los. Zufrieden betrachtete sich Andrew sein neues Piercing dann noch einmal im Spiegel, gönnte sich anschließend einen Drink und sinnierte noch ein wenig über die vergangenen Stunden nach. Dieser Tag war bisher einfach nur schräg gewesen.

Sheryl und Dave erreichten unterdessen die Wohnung des Verkäufers und klopften an. Missmutig öffnete der Mann einen Spalt weit die Tür, erkannte Dave, grinste und sagte: „Es gibt kein Geld zurück.“ „Das will ich auch nicht.“, antwortete Dave, zog seine Polizeimarke aus der Tasche und hielt sie dem seltsamen Kerl unter die Nase. Dessen Anflug von guter Laune war schlagartig verschwunden und er fragte gereizt: „Was soll das jetzt? Was wollt ihr?“ Sheryl versuchte zu beschwichtigen und erklärte: „Wir haben uns den Film angesehen und da Sie sich scheinbar mit der Materie auskennen, bräuchten wir ein paar Hintergrundinformationen. Wäre das möglich?“ Einen Moment lang sah er sie misstrauisch an, löste dann aber dennoch die Türkette und ließ die zwei Polizisten herein. Die unordentliche Wohnung war randvoll mit Videokassetten und DVDs gespickt. Sie wollten gar nicht wissen, was man auf diesen wohl zu sehen bekam und fragten auch nicht danach.

Nachdem sie sich gesetzt hatten, begann Dave mit der Befragung: „Wolsey, woher haben Sie diesen Film? So etwas kann man doch nicht einfach kaufen, oder?“ „Sie haben den einfach gekauft, warum sollte ich das nicht auch können?“, konterte der Mann schlagfertig. Sie wussten jetzt schon, dass er seine Beziehungen nicht verraten würde und bohrten auch nicht weiter in diese Richtung. Vielmehr interessierten sie sich für die Authentizität des Streifens. „Können Sie uns etwas mehr zu diesem Film erzählen? Wie viele Versionen es zum Beispiel gibt?“, fragte nun Sheryl. Bereitwillig gab der Mann Auskunft: „Ihrem Kollegen habe ich ja Teil Eins verkauft, es gibt insgesamt aber neun, wobei wir den letzten in Fachkreisen auch gern Volume 666 nennen, wenn Sie verstehen was ich meine.“ „Klären Sie mich auf.“, forderte Sheryl jedoch. Kurz druckste Wolsey ein wenig herum, suchte nach den passenden Worten und erklärte dann: „Na ja, wie Sie gesehen haben, geht es in den Episoden ganz schön zur Sache und im letzten Teil treibt man das Ganze eben auf die Spitze.“ „Haben Sie alle Teile da?“, wollte Dave nun wissen. Der Mann schüttelte den Kopf und gab zu: „Nein, die Dinger kommen mir nicht mehr ins Haus. Ich bin froh, dass ich den letzten endlich verkaufen konnte.“ „Denken Sie, dass Sie uns alle Teile beschaffen könnten?“, fragte Sheryl, doch Wolsey schüttelte den Kopf und antwortete: „Eventuell bis Teil acht, die Neun aber garantiert nicht. Warum wollen Sie das?“ „Weil wir davon ausgehen müssen, dass einige der Szenen ohne das Einverständnis der Darsteller gedreht wurden. Daraus ergibt sich eine mögliche Vielzahl an Straftaten, denen wir nachgehen sollten.“, gab Sheryl zu denken. Ohne eine Reaktion abzuwarten, hakte Dave nun dazwischen: „Wieso ist Teil neun nicht beschaffbar?“ Wolsey wirkte ein wenig nervös und antwortete: „Der ist höchstwahrscheinlich in irgendeiner Privatsammlung verschollen.“ „Gibt es keine Kopien?“, hinterfragte Sheryl und bekam zu hören: „Von dem nicht.“ „Woher wissen Sie das so genau? Den kann doch jemand auch einfach kopiert haben, oder?“, stellte Dave zweifelnd fest. Wolsey sah aus als wolle er ihnen etwas erzählen, konnte sich aber noch nicht dazu durchringen es zu tun. Also wechselten sie das Thema.

„Wer ist der Meister?“, fragte Dave. Ungläubig sah der Mann ihn an und erwiderte: „Sie kennen den Meister nicht? Dann sind Sie aber auch noch nicht weit in die Abgründe der Szene vorgedrungen.“ „Also, wer ist das?“, bedrängte Sheryl ihn nun. Nervös kratzte sich Wolsey auf dem Handrücken herum, kämpfte scheinbar mit seinen Gedanken und antwortete schließlich: „Meistens lässt er seinen Dämon die Filme umsetzen. Der Typ ist auch nicht ganz richtig im Kopf, brutal, eiskalt, niemand mit dem man privat etwas zu tun haben möchte. Manchmal aber, das ist in allen acht Teilen immer Episode Nummer sechs, tritt der Teufel persönlich auf. Er ist der Kopf hinter allen Filmen, behält sich aber vor nur in ausgewählten mitzuspielen und man sieht nie sein Gesicht.“ Sheryl würgte einen riesigen Kloß ihren Hals hinunter während Dave fragte: „Was ist mit Teil neun?“ „Dreimal dürfen Sie raten.“, antwortete Wolsey kühl. „Der Teufel spielt in jeder Episode, deshalb Volume 666.“, quetschte Sheryl hervor und bekam ein lautes aber befangenes „Bingo!“ zu hören. Dave schnaufte kurz und fasste zusammen: „Okay, Sie haben anscheinend alle Filme gesehen, sogar den verschollenen neunten Teil. Sie wissen außerdem wer das alles inszeniert hat und kennen den Kopf hinter der Sache. Verraten Sie mir jetzt noch eins. Sind die Akteure freiwillig bei diesen Drehs dabei gewesen?“ Wolsey rang offensichtlich mit sich selbst, entschied sich dann aber doch für die Wahrheit und antwortete betreten: „Nein, also zumindest die Opfer nicht. Alle anderen waren eingeweiht.“ „Woher wissen Sie das alles?“, drängte Sheryl ihn weiterzusprechen. Wolseys Hände zitterten und seine Augen begannen zu glänzen als er offenbarte: „Ich stand bei fast allen Episoden hinter der Kamera und ich habe nichts getan um den Leuten zu helfen. Ich war so verblendet von dem Geld und der Macht. Aber als ich dann den Schnitt für den neunten Teil machte, erkannte ich endlich das Monster, das wir geschaffen hatten. Ich stellte ihn zur Rede und forderte, dass damit Schluss sei, aber er hat mich nur ausgelacht und bedroht. Er wusste, dass ich mich selbst ans Messer liefern würde wenn ich etwas erzählte.“

Sie schwiegen mehrere Minuten lang, dann sagte Sheryl: „Wären Sie bereit Ihre Aussage vor Gericht zu wiederholen?“ „Oh Gott, nein!“, ereiferte sich Wolsey sogleich und rechtfertigte sich: „Das hat mir jetzt so lange auf der Seele gebrannt und ich bin wirklich froh es endlich mal jemandem erzählt zu haben, aber ich werde nicht gegen ihn aussagen. Und sollte ich in irgendeiner Weise noch einmal damit konfrontiert werden, werde ich alles leugnen. Darauf können Sie Gift nehmen.“ „Sie wissen, dass wir Sie jetzt einfach wegen mehrfacher Unterlassung und Beihilfe festnehmen könnten, oder?“, erläuterte Dave den Ernst der Lage. „Dann tun Sie es doch und er wird wissen, dass Sie ihm auf der Spur sind. Glauben Sie mir, dieses Feuer wollen Sie nicht entfachen.“, erwiderte Wolsey sicher. Und er hatte Recht.

Die zwei Polizisten verließen die Wohnung, jedoch mit der Warnung: „Wenn das hier irgendwann vorbei ist, werden Sie sich für Ihre Taten rechtfertigen müssen.“

Eine Weile lang saßen sie danach stumm im Auto ohne auch nur einen Meter zu fahren bis Sheryl endlich das Schweigen brach: „Wir müssen Andrew damit konfrontieren.“ „Ja.“, bestätigte Dave, mahnte aber: „Das sollten wir nur nicht gleich heute tun. Lassen wir das alles erst etwas sacken und dann einen offiziellen Termin machen. Wenn wir mit der Tür gleich ins Haus fallen, so aufgeladen wie wir gerade sind, könnten wir alles vermasseln.“ Sheryl nickte und bemerkte: „Mir ist so schlecht. Ich hab mich von dem anfassen lassen. Ich glaube, ich brauch erstmal einen Schnaps und ein heißes Bad.“

18

 

Für ihr inneres Seelenheil hatte sich Sheryl am Abend gründlich desinfiziert, so heiß wie nie zuvor gebadet und mehrere Gläser Hochprozentiger mussten beim Einschlafen helfen.

Am nächsten Morgen traf sie sich mit Dave auf der Arbeit um die weiteren Schritte zu besprechen. Sie beschlossen Andrew wegen eines Treffens anzurufen und bemühten sich dabei um einen möglichst freundlichen Tonfall. Sheryl flunkerte ihm vor, dass sie noch einmal seine Hilfe bei der Analyse eines Falls in Anspruch nehmen wollten und wimmelte seine Einladung für eine intime Zweisamkeit vorsichtig ab. Er durfte keinen Verdacht schöpfen. Also verabredeten sie sich ganz dienstlich für den nächsten Nachmittag, auch wenn ihm die Enttäuschung anzuhören war.

Zunächst mussten sie jedoch noch Baskin ihre Pläne schonend beibringen und sollten auch an dieser Front nichts überstürzen. Dafür fassten sie alle akribisch gesammelten Details in einem inoffiziellen Bericht zusammen. Bevor sie diesen nun aber Baskin aushändigen konnten, tauchten zwei unerwartete Besucher in der Wache auf, Melanie und Susanne.

Die Frauen hatten sich trotz anderweitiger Absprache doch dazu entschlossen Anzeige gegen ihren Peiniger und seine Mitwisser zu erheben. Sofort als der Name Devil’s Studio fiel, wurden Sheryl und Dave herangezogen. Unter den Kollegen hatte sich bereits herumgesprochen, mit wem sie in letzter Zeit häufiger in Kontakt standen.

Sie suchten sich also ein ruhiges Zimmer, in welchem sie sich mit den Frauen ungestört unterhalten konnten, boten Kaffee an und erwarteten eine umfassende Aussage. Die blauroten Striemen an den Handgelenken der Mädchen verrieten schon vorher, dass ihnen wohl Gewalt angetan worden war und bereitwillig erzählten sie ihre Geschichte. „So ein großer, kräftiger Kerl hat einfach die Tür zum Set eingetreten. Dann hat er Susanne voll ins Gesicht geschlagen, mich zu Boden geworfen, sich auf mich drauf gekniet und gefesselt.“, begann Melanie und deutete mit einer Hand die Körpergröße des Angreifers an. Susanne sprach nun weiter: „Ich bin gegen ein Regal gestürzt, das über mir zusammenbrach und als ich wieder bei Sinnen war, kam er schon auf mich zu, packte mich an den Haaren und zerrte mich aufs Bett.“ Bei den Gedanken, was im Anschluss passiert war, sahen beide betreten auf den Tisch aber sie mussten es erzählen.

Mit aufrichtiger Bestürzung hörten sich Sheryl und Dave alles an. „Und diese zwei Typen, also Rick und Paul, haben einfach nur zugesehen, sogar ihren Job weiter gemacht als wäre das völlig normal!“, ereiferte sich Melanie am Ende ihrer Ausführungen. Susanne ergänzte verhalten: „Sie haben uns nicht geholfen, obwohl sie das hätten beenden können.“ Dave notierte sich die Namen des Regisseurs und Kameramanns. Diese zwei Männer würden sich genau so verantworten müssen wie der Täter selbst, über den sie jetzt noch mehr erfahren mussten.

 „Und Sie wissen nichts weiter über den Kerl, der Ihnen das angetan hat? Können Sie ihn vielleicht wenigstens näher beschreiben?“, fragte Sheryl. Melanie antwortete: „Leider nicht. Der war komplett vermummt, trug eine schwarze Armeekombi, eine Sturmhaube und sogar Handschuhe.“ „Haben Sie wenigstens seine Augen gesehen?“, erkundigte sie sich weiter. Melanie nickte und sprach: „Die waren so bräunlich würde ich sagen und wirkten irgendwie irre. Trevis kann Ihnen sicher auch einen Namen sagen, der hat diesen Mistkerl schließlich engagiert.“ Die Polizisten warfen sich einen vielsagenden Blick zu, dann wollte Dave wissen: „Wie ist es danach weitergegangen?“ Jetzt redete Susanne: „Nachdem der Typ weg war und Rick und Paul uns befreit hatten, gerieten wir mit denen in Streit. Wir drohten zur Polizei zu gehen, sie wollten uns umstimmen. Schließlich holte Rick den Big Boss ran, der alles schlichten sollte.“ „Trevis kam also dazu?“, hinterfragte Sheryl überrascht. „Ja, der hat uns bestochen damit wir den Mund halten und meinte, er würde das mit dem Angreifer selbst regeln. Ich glaub ihm das aber nicht, weshalb wir heute trotzdem hier sind. Da ist mir das Geld echt egal. Solange dieser Typ draußen rum läuft, kann man sich ja nicht sicher fühlen.“, erklärte Melanie und Susanne nickte zustimmend.

Vor Sheryl taten sich Abgründe auf. Wie hatte sie nur so blind sein können? Andrew hatte sie auf ganzer Linie getäuscht. Sie kam sich so dumm vor.

Akribisch hielten sie alles fest, was die Frauen noch zu erzählen hatten. Ganz langsam zog sich die Schlinge um Andrews Hals enger. Anscheinend liefen diese abgekarteten Filmdrehs auch nach Wolseys Ausscheiden weiter. Sheryl vermutete, dass sich sogar eine noch größere Geschichte dahinter verbarg, hatte sie Dave doch noch gar nichts von ihrer verblüffenden Erkenntnis bezüglich der Wachleute erzählt. Jetzt mussten sie Baskin einweihen. Sie brauchten die Unterstützung ihres Chefs bei der Sache, damit der ihnen den Rücken frei halten konnte.

Nachdem sie die zwei Frauen verabschiedet hatten, begaben sie sich umgehend zu dem überaus ernsten Gespräch in Baskins Büro. Dave händigte ihm den inoffiziellen Bericht aus und schloss die Tür. Beide setzten sie sich dann und warteten auf eine Reaktion. Aufmerksam las sich ihr Chef die Zeilen durch, legte dann seine Brille auf den Schreibtisch und fragte: „Wer weiß noch davon?“ „Niemand.“, antwortete Dave. „Gut.“, sagte Baskin und steckte den Bericht in den Schredder. Irritiert starrten ihn die zwei Polizisten an, woraufhin er erklärte: „Außer uns darf hiervon auch keiner etwas wissen. Das ist ein sehr gefährliches Spiel, auf das wir uns einlassen. Ich vermute langsam, dass da richtig hohe Tiere mit involviert sind. Diese Drecksfilme, von denen ihr redet, haben schon einmal für Aufruhr gesorgt. Das ist ein paar Jahre her und die Sache wurde sehr gründlich unter den Teppich gekehrt.“ „Und das Studio produziert sie munter weiter.“, warf Dave in den Raum. „Wie kommen Sie darauf?“, hinerfragte Baskin seine Aussage und Sheryl antwortete: „Die zwei Frauen, die eben dagewesen sind, haben es selbst erst gestern erlebt. Nichts von dem was ihnen angetan wurde, war mit ihnen abgesprochen gewesen und trotzdem hat die Crew nichts unternommen, war also eingeweiht. Wir dürfen die Sache jetzt nicht locker lassen, egal wer da mit drin hängt. Wenn diese Filme nicht für den öffentlichen Markt sind, muss es ja trotzdem jemanden geben, der sie beauftragt und bezahlt.“ Nachdenklich spielte Baskin mit dem Kugelschreiber auf seinem Tisch und antwortete schließlich: „Ich weiß. Aber ich muss euch darauf hinweisen, dass ihr keinem erzählen dürft, was ihr herausfindet. Wenn die falschen Ohren mitbekommen, dass ihr weiter an der Sache dran seid, wird es richtig Ärger geben. Immerhin sollte ich euch schon einmal auf richterlichen Beschluss hin den Fall entziehen.“ Jetzt horchte Sheryl auf und sprach: „Sogar auf richterlichen Beschluss hin? Aber nicht zufällig durch Richter Christian Stevens, oder?“ „Doch.“, antwortete Baskin überrascht und fragte: „Wie kommen Sie auf den?“ „Weil mir etwas Merkwürdiges bei der Überprüfung der Wachleute aufgefallen ist. Nicht nur dass sich ausschließlich Kriminelle als Wachen getarnt auf dem Devil’s Studio Gelände tummeln, auch wurden alle von denen, die wirklich Dreck am Stecken haben, wobei wir von schwerer Körperverletzung, Drogenhandel, Nötigung, Bedrohung und dergleichen reden, von Richter Stevens abgeurteilt und das größtenteils ziemlich lasch.“ „Sie denken, der hat da seine Finger mit drin?“, hinterfragte Baskin sogleich. Sheryl zuckte mit den Schultern und meinte: „Ein wenig verdächtig kommt mir das schon vor. Vielleicht ist es aber auch nur ein sehr seltsamer Zufall.“

Ihnen allen blieb ein flaues Gefühl im Magen zurück als sie das Gespräch vorerst beendeten. Immerhin hatten Sheryl und Dave den Segen ihres Chefs in dem Fall weiter zu forschen, so lange sie das möglichst unauffällig anstellten und keinen Papierkram produzierten.

„Was denkst du, krallen wir uns Andrew gleich? Immerhin liegt eine Anzeige vor.“, fragte Dave seine Kollegin auf dem Weg zurück zu ihren Plätzen. Doch Sheryl schüttelte den Kopf. „Viel lieber würde ich mich erst einmal mit diesem Rick und Paul unterhalten. Andrew soll sich ruhig erst noch ein bisschen in Sicherheit wiegen, umso schlimmer wird dann sein Zusammenprall mit der Realität.“

Doch wie kamen sie an die Typen ran ohne groß Aufmerksamkeit zu erregen? Dave hatte eine Idee. Wenn Paul ein professioneller Kameramann war, hatte er sicher eine Webseite um sein Können zu propagieren. Und tatsächlich gab es im Umkreis nur einen Filmemacher und Fotografen, der diesen Namen trug. Sie notierten sich seine Adresse und fuhren los.

Eigentlich erwarteten sie nicht sofort jemanden anzutreffen, wollten sich aber wenigstens schon einmal in Ruhe umsehen. Tatsächlich war Paul aber zu Hause und öffnete nichtsahnend die Tür als die zwei klingelten.

„Ich kaufe nichts.“, warf er ihnen direkt ins Gesicht, nachdem er sie kurz gemustert hatte. „Das trifft sich gut, wir haben auch nichts zu verkaufen.“, antwortete Dave und hielt seine Dienstmarke hoch. An Pauls leichtem Zusammenzucken merkten sie sofort, dass er vollkommen unvorbereitet war und stellten ohne Umschweife die erste Frage: „Wo waren Sie gestern zwischen zehn und zwölf Uhr?“ „Was, wie, warum?“, stammelte der Mann überfordert und starrte sie nervös an. „Sie arbeiten doch als Kameramann im Devil’s Studio, nicht wahr?“, schob Sheryl gleich nach. „Ja, aber, das ist doch…“, stotterte er. Dave schnitt ihm das Wort ab: „Waren Sie gestern auf Arbeit?“ „Was? Nein. Ich?“, ging das Gestammel weiter. „Wir fragen nur, weil eine Anzeige gegen Sie vorliegt.“, knallte Sheryl ihm entgegen, woraufhin Paul schlagartig kalter Schweiß auf die Stirn trat und das Wörtchen „Scheiße!“ entfleuchte. „Also wissen Sie, wovon wir reden.“, stellte Dave sachlich fest. Paul kratzte sich verlegen am Hinterkopf, sah sich dann vorsichtig in beide Richtungen der Straße um und flüsterte schließlich: „Nicht hier draußen.“

Sie folgten ihm ins Haus, blieben aber im Flur stehen, wo er fragte: „Wer hat mich denn angezeigt und weshalb?“ „Die zwei Frauen, die gestern im Studio schwer misshandelt wurden, und zwar wegen unterlassener Hilfeleistung. Möchten Sie sich dazu äußern?“, antwortete Dave. Paul atmete tief durch. Er fühlte sich sichtlich unwohl und schien irgendwie verängstigt zu sein. Sheryl schlug ihm deshalb vor: „Wenn Sie uns sachdienliche Hinweise geben können und vor Gericht gegen den Täter aussagen, bemühen wir uns um Strafmilderung.“ „Welche Hinweise meinen Sie denn?“, erwiderte Paul zurückhaltend. „Na zum Beispiel die Identität des Gewalttäters.“, bemerkte Dave. Doch Paul schüttelte ängstlich den Kopf und sagte: „Den hab ich nicht erkannt und mir hat auch keiner gesagt wer das ist. Der war komplett vermummt und war nach dem Dreh auch sehr schnell wieder weg.“ „Haben Sie vielleicht wenigstens eine Vermutung?“, bohrte Sheryl nun weiter. Scheinbar ratterte es ernsthaft in Pauls Kopf was er ihnen verraten konnte, ohne sich selbst in noch größere Schwierigkeiten zu bringen. Dann erzählte er: „Na ja, da taucht schon ab und zu so ein Kerl auf, dem ich das zutrauen würde. Der hat glaube ich nicht alle Tassen im Schrank. Ich kenn ihn nur unter dem Spitznamen Demon. Wie er richtig heißt weiß ich nicht.“ Dave sah Sheryl mit großen Augen an und flüsterte: „Der Dämon.“ Sie nickte und richtete sich wieder an Paul: „Können Sie uns noch etwas zu Rick sagen, seine Adresse zum Beispiel?“ „Ich glaube der wohnt mitten in der Stadt auf der North Road.“, berichtete er betreten und wirkte unbehaglich dabei etwas über seinen Kollegen zu verraten. „Damit haben Sie uns doch schon geholfen.“, stellte Dave aufmunternd fest, forderte aber gleich noch: „Sie sollten in nächster Zeit keine größeren Reisen unternehmen oder das Land verlassen. Dazu sind Sie verpflichtet sich für weitere Befragungen bereit zu halten und auf Verlangen bei der Polizei vorzusprechen. Ich rate Ihnen sich schon jetzt um einen Anwalt zu kümmern, sollte die Anzeige zur Verhandlung kommen. Halten Sie sich aber vorläufig bedeckt um den Fortgang der Ermittlungen nicht zu gefährden oder zu behindern.“ Paul nickte hektisch und wirkte irgendwie erleichtert. Wahrscheinlich hatte er schon befürchtet gleich festgenommen zu werden und sie hofften er würde genügend Angst davor haben um keinen Blödsinn zu machen. Jetzt mussten sie nur noch Rick zwischen die Finger kriegen.

Dem Hinweis des Kameramanns folgend, suchten sie also auf der North Road nach der Wohnung des Regisseurs und wurden auch fündig. Leider war der Mann scheinbar nicht zu Hause, weshalb sie es gleich sehr zeitig am nächsten Morgen noch einmal probierten.

Völlig verschlafen rief Rick von Innen durch die geschlossene Tür: „Wer zum Henker stört mich zu dieser unchristlichen Zeit?“ „Polizei!“, rief Dave mit fester Stimme. Kurz war es drinnen ganz still. Da er ja aber auf das Klopfen und Klingeln reagiert hatte, wussten sie dass er da war. „Wir haben nur ein paar Fragen!“, sagte Dave nun laut und hoffte ihn damit doch noch zum Öffnen zu bewegen. Auf einmal klackte das Schloss und Rick schaute zu einem kleinen Türspalt heraus. „Wie kann ich helfen?“, fragte er. „Indem Sie sich einen Moment lang mit uns über das Devil’s Studio und das unterhalten, was da am Sonntag passiert ist.“, erklärte Sheryl. Doch er antwortete: „Am Sonntag ist dort etwas passiert?“ „Sie brauchen sich gar nicht dumm zu stellen, wir wissen, dass sie dabei waren als die zwei Frauen misshandelt wurden. Also, lassen Sie uns kurz rein und wir klären ein paar offene Fragen, die wir zu dem Vorfall haben.“, konterte Dave bestimmt. Sie hörten Rick schnaufen, dann ließ er sie rein.

Nur in Shorts und Bademantel ging er vor ihnen her ins Wohnzimmer und zündete sich eine Zigarette an. „Gegen Sie liegt eine Anzeige vor.“, offenbarte Sheryl. Überrascht hustete er aus: „Ich hab doch gar nichts getan.“ „Eben deshalb. Unterlassene Hilfeleistung.“, führte sie weiter aus. Rick schniefte erneut und bot an: „Wollen Sie auch einen Kaffee? Ich brauch erstmal einen.“ Beide lehnten sie höflich ab, woraufhin er mit den Schultern zuckte, allein in die Küche schlurfte und die Maschine anstellte. Er erschien ihnen viel zu gelassen. Wahrscheinlich hatte Paul ihn vorgewarnt. Während der Kaffe nun durchlief, sich die zwei Beamten ein wenig im Wohnzimmer umgesehen hatten und Rick ihnen wieder Gesellschaft leistete, fuhren sie die Unterhaltung fort. „Wie kommen Sie eigentlich auf unterlassene Hilfeleistung?“, wollte er von den Polizisten wissen. „Na bei dem, was sich da abgespielt hat, ist das doch offensichtlich.“, erwiderte Dave überrascht. „Haben Sie das Drehbuch gelesen?“, konterte Rick. „Nein.“, antwortete Sheryl. „Dann können Sie auch nicht wissen, dass das alles eigentlich im Rahmen der Handlung geschah. Ich weiß nicht, warum sich die zwei jetzt im Nachhinein so anstellen. Wahrscheinlich wollen die einfach nur noch mehr Kohle sehen, dabei hat Trevis denen ja schon ein echt unschlagbares Angebot gemacht.“, erzählte Rick und zog entspannt an seiner Zigarette.

Am liebsten hätte Sheryl ihm ins Gesicht geschlagen, zügelte aber ihre Wut und sprach stattdessen: „Hm, die zwei Frauen haben das etwas anders erzählt. Anscheinend hatten sie nicht damit gerechnet, dass man ihnen so viel Gewalt antun würde.“ „Was erwarten die denn, wenn ein Einbrecher in den Raum stürmen und sich an ihnen vergreifen soll? Dass er ihnen vorher Blumen schenkt und nach Erlaubnis fragt?“, machte sich Rick lustig und schlenderte in die Küche um sich eine Tasse Kaffee zu holen. In Sheryl kocht es bereits. Dieser Typ ging ihr mit seiner arroganten Art extrem auf die Nerven.

Dave versuchte das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken: „Ob diese Anzeige nun gerechtfertigt ist oder nicht, sei erst einmal dahin gestellt. Dennoch müssen wir der Sache nachgehen und alle Beteiligten befragen. Können Sie uns also Auskunft zu demjenigen geben, der den Einbrecher gespielt hat?“ Rick sank mit dem Kaffeebecher in der einen und einer neuen Fluppe in der anderen Hand in einen Sessel und erwiderte: „Nee. Der kam maskiert und ging maskiert. Keine Ahnung wer das war.“ Ungläubig hinterfragte Sheryl: „Sie wollen uns also weis machen, dass Sie keine Ahnung haben, wer auf Ihrem Set ein und aus geht? Sie haben sich doch sicherlich vor Dreh mit allen besprochen oder auch mal geprobt.“ Rick nahm gelassen einen Schluck Kaffee und antwortete dann: „Na mal kurz den groben Ablauf besprochen, haben wir schon. Da war der Typ aber bereits in voller Montur. Wenn Sie mehr über den wissen wollen, sollten Sie Trevis persönlich fragen. Der weiß doch immer, woher er seine Freaks kriegt. Mir ist das egal, solange alle Rollen besetzt sind und jeder in etwa weiß was er zu tun hat.“ „Haben Sie eine Vermutung wer es gewesen sein könnte? Vielleicht jemand, der schon öfter dabei war, Demon zum Beispiel?“ Rick runzelte die Stirn, konnte er doch nicht recht einordnen, woher sie diesen Namen kannten, antwortete aber bloß: „Demon? Schon möglich, aber festlegen würde ich mich da jetzt nicht. Fragen Sie da echt lieber den Meister.“ „Den Meister?“, wiederholte Sheryl und Rick sagte leicht genervt: „Na Sie wissen schon, den Big Boss, Trevis halt.“ „Ach so. Eine Bitte hätte ich noch.“, sprach sie weiter. „Wir brauchen den Film als Beweismaterial.“ Rick lachte auf und meinte: „Das ist absolut unmöglich.“ „Warum?“, bohrte Dave. Sie merkten, dass der Regisseur allmählich keine Lust mehr hatte und versuchten ihn mit ihrer ständigen Fragerei mürbe zu machen. „Das sind Unikate und wenn die einmal beim Kunden liegen, kommen Sie da nicht mehr ran. Sobald der Film fertig geschnitten und gebrannt ist, vernichten wir das gesamte Rohmaterial. So ist der Deal.“, erklärte er. „Also haben Sie schon viele solche Filme gedreht?“, stocherte Dave unermüdlich weiter, woraufhin Rick etwas ungehalten wurde und blaffte: „Stellen Sie immer so viele dumme Fragen? Ich arbeite als Regisseur in einem Pornofilmstudio. Natürlich habe ich schon viele solche Filme gemacht.“ „Ich meinte speziell diese Unikate auf Kundenwunsch.“, verfeinerte Dave seine Frage. Rick sah ihn gereizt an und erwiderte: „Ja, auch solche. Da kommen immer wieder Anfragen von den kleinen und großen Perversen, die einen Film nur für sich allein haben wollen um ihre dreckigen Fantasien einmal auf den Bildschirm gebannt zu sehen. Da ist nichts dabei, außer dass diese Typen nicht Manns genug sind um sich selbst drum zu kümmern.“ Er stand auf und fragte: „War’s das jetzt endlich?“

Eigentlich reichte ihnen das alles noch gar nicht, um aber Ricks Bereitwilligkeit zu Reden nicht überzustrapazieren, entschieden sie sich zu gehen. Sicherlich wusste der Regisseur wesentlich mehr als er zugeben mochte, aber das konnte er dann auch noch vor Gericht erzählen. Wieder klärte Dave darüber auf, dass der Angezeigte nicht das Land verlassen durfte und sich für Rückfragen zur Verfügung stellen musste. Aber Rick schien das alles nicht zu interessieren und schob die Polizisten stattdessen einfach aus seiner Wohnung.

Es lief also doch einzig und allein auf Andrew hinaus. 

19

 

Dieser Kerl hatte beiden gehörig den Morgen verdorben. Missmutig saßen sie kurz darauf im Auto und rekapitulierten die dürftigen Aussagen, die sie Rick allesamt aus der Nase hatten ziehen müssen. Dave schlug schließlich vor: „Lass uns nen Happen essen gehen, dann haben wir wieder bessere Laune. Und anschließend konfrontieren wir Trevis mit diesem Haufen an Bockmist, den er da verzapft hat.“ „Rick wird Andrew bestimmt anrufen und sagen, dass wir da waren und Fragen gestellt haben.“, dachte Sheryl laut nach. „Er wird aber nicht damit rechnen, dass wir ihm diese DVD vor den Latz knallen.“, freute sich Dave und wedelte mit der schwarzen Hülle.

Andrew hatte darauf gedrängt, dass Krugers Film gleich noch am Sonntag fertig geschnitten und gebrannt wurde und sich Montagmorgen persönlich darum gekümmert, dass er auch beim Kunden ankam. Bereits Montagabend hatte Kruger ihn dann angerufen und seine Begeisterung ausgedrückt. Per Kurier erreichte ihn nun schon an diesem Vormittag die zweite Hälfte der Bezahlung. Angenehm überrascht hatte Andrew das Bargeld entgegen genommen, es fein säuberlich in seinem Büro auf seinem Schreibtisch zu kleinen Bündeln geschichtet und drehte sich nun äußerst selbstzufrieden einen Joint zur Belohnung. Ihn anschließend genüsslich paffend streckte er die Füße auf den Tisch und betrachtete sich das kleine Vermögen.

Plötzlich klingelte das Telefon. Entspannt nahm er ab, Simon kündigte Rick an und legte auf. „Was gibt es denn Neues bei meinem Lieblingsregisseur?“, rief Andrew freudig ins Telefon ohne Erwartung schlechter Nachrichten. Doch Rick verdarb nun auch ihm die Stimmung. „Die Polizei war hier und hat blöde Fragen wegen Sonntag gestellt.“ Hustend setzte sich Andrew ordentlich hin. „Wegen Sonntag? Etwa der Sache im Studio?“, fragte er dann. Rick bestätigte: „Genau. Anscheinend haben die Bitches doch nicht den Mund gehalten.“ „Verdammt! Ich hatte schon fast die Befürchtung, dachte aber nicht, dass sie so schnell ihr Wort brechen. Was hast du den Bullen erzählt?“, ereiferte sich Andrew. „Natürlich nix.“, antwortete Rick eilig, führte dann aber weiter aus: „Nur dass die Anzeige völliger Blödsinn ist, da wir uns ans Drehbuch gehalten haben und sie einfach nur überreagieren.“ „Welche Anzeige?“, wollte Andrew wissen. „Ach ja, ich hab eine wegen Unterlassung am Hals. Mal sehen was daraus wird. Vielleicht können Sie ja die Wogen glätten?“ „Haben die sich zu meiner Wenigkeit geäußert?“, fragte er weiter doch Rick verneinte und wies noch auf seine Loyalität hin: „Ich habe beharrlich verleugnet, dass ich weiß wer den Einbrecher gespielt hat. Ich denke, die haben mir das abgekauft.“ „Sehr gut.“, lobte Andrew seinen Angestellten und fragte dann: „Gab es sonst noch ungewöhnliche Fragen, auf die wir unsere Aussagen abstimmen sollten?“ „Sie wollten den Film haben. Ich sagte aber, dass das unmöglich sei, weil der schon beim Kunden wäre und wir alle Rohdaten vernichten, sobald ein Unikat fertig ist.“, berichtete Rick. Auch dafür bekam er ein Lob vom Chef. Wenn er nicht als Kanonenfutter enden wollte, musste er sich mit seinem Boss gut stellen und hoffte mit seinen Aussagen Pluspunkte gesammelt zu haben. Immerhin rankten sich die wildesten Gerüchte um Trevis und dessen Kaltblütigkeit, vor allem wenn es darum ging unliebsame Leute aus dem Weg zu schaffen. Ganz wohl war ihm trotzdem nicht bei all der Lügerei. Doch was blieb ihm anderes übrig?

Andrew konnte ihn dennoch beruhigen, versprach sich um alles zu kümmern und verabschiedete sich freundlich. Er fand es sehr gut, dass Rick dicht gehalten hatte. Um Paul machte er sich weniger Sorgen, da der eh nicht eingeweiht gewesen war. Also hielt er selbst alle Fäden in der Hand um sich und seine Jungs aus dieser dummen Geschichte herauszuspinnen.

Ganz einfach würde das jedoch nicht werden. Immerhin brauchten sie einen Sündenbock für die Rolle des Einbrechers. Er selbst war auf der sicheren Seite, niemand hatte ihn erkannt, Rick zu viel Schiss um ihn zu verraten und ein Alibi hatte er auch. Außerdem war alles, was den Einbrecher anbelangte, längst durch den Schornstein gegangen.

Intensiv dachte er nun darüber nach, wen er wohl für sich und seine Geschäfte opfern konnte und eigentlich fiel ihm nur einer dafür ein, Demon. Sie ähnelten sich in Größe und Statur. Und da der Kerl schon seit Wochen verschwunden war, dürfte die Polizei wohl einige Zeit brauchen um ihn ausfindig zu machen, was Andrew geradewegs in die Karten spielte. Sollte es also hart auf hart kommen, würde er diesen Mann für sich über die Klinge springen lassen. Zunächst musste er sich aber auf das Gespräch mit den Beamten vorbereiten.

Ihn beunruhigte etwas, dass Sheryl einen offiziellen Termin mit ihm ausgemacht und ihn wahrscheinlich über die Gründe belogen hatte. Doch warum ließen sie sich so viel Zeit obwohl sie offensichtlich von den Vorfällen im Studio wussten? Galt das Treffen vielleicht doch einem anderen Thema? Stand er überhaupt auf der Abschussliste? Je länger Andrew darüber nachdachte desto nervöser wurde er und die Ankunft der Polizisten rückte unaufhaltsam immer näher. Wieso hatte er sich für einen Zeitpunkt am Nachmittag entschieden?

Ruhelos versuchte er seine aufkeimende Nervosität mit einem großen Schluck Scotch zu bekämpfen. Sein kleines Alkoholproblem hatte sich über die Jahre verselbstständigt, doch damit konnte er gut leben. Immerhin wusste er auch noch mit zwei Promille im Blut genau was er tat. So lange der Drang sich gleich früh morgens nach dem Aufstehen ein Glas zu genehmigen nicht schlimmer wurde, machte er sich keine Sorgen darüber. In seinen Kreisen oder besser seinen Kundenkreisen gehörte es anscheinend sogar zum guten Ton öfters mal zu tief in die Flasche zu schauen, falls man nicht völlig die Kontrolle verlor.

Und jetzt half der Schnaps ungemein bei der Beruhigung der Nerven. Er musste schließlich locker erscheinen und möglichst überzeugend den Ahnungslosen mimen. Sein Stand der Dinge war ja eigentlich noch das Telefonat vom Vortag, in welchem Sheryl und Dave um seine Meinung zu einem Fall gebeten hatten. Das konnte natürlich alles bedeuten.

Er war nicht in der Lage sich auf etwas anderes zu konzentrieren, spielte immer wieder alle Möglichkeiten wie die Begegnung enden würde im Geiste durch und starrte dabei unentwegt auf die Uhr. Der Sekundenzeiger bewegte sich unermüdlich fort, während er sich hier sinnlos das Hirn zermarterte. An diesem Punkt musste er sich unbedingt selbst zur Entspannung zwingen, keinesfalls durfte er sich dann im Gespräch vor Aufregung verplappern.  

Plötzlich klingelte es an der Tür. Erschrocken fuhr Andrew hoch. Hatte er die ganzen letzten Stunden tatsächlich mit ergebnisloser Grübelei verbracht? Er musste es jetzt einfach geschehen lassen. Denn der Moment der Wahrheit, oder eher des Lügens, war gekommen. Je nachdem, wie er das für sich interpretieren wollte.

Simon führte die zwei Beamten in Andrews Büro, wo dieser an seinem wuchtigen Schreibtisch saß und so tat, als hätte er viel zu tun. Er stand auf und kam lächelnd auf die Polizisten zu. Dave begrüßte er mit einem kräftigen Händedruck. Als er aber Sheryl einen Kuss geben wollte, drehte diese den Kopf zur Seite und er erwischte nur ihre Wange. Dass sie ihm die kalte Schulter zeigte beunruhigte ihn nur noch mehr. „Nun gut.“, hob er daraufhin etwas irritiert an: „Was führt euch beide denn zu mir?“ „Wollen wir einfach mal die ganzen Höflichkeiten beiseite lassen und gleich zur Sache kommen. Wo warst du am Sonntag zwischen zehn und zwölf Uhr morgens?“, fragte die Polizistin kühl. Andrew setzte sich wieder an seinen Schreibtisch, sah sie scharf an und antwortete: „Wenn ich mich recht entsinne, war ich hier. Wieso?“ „Kann das jemand bezeugen?“, fragte sie weiter. Andrew lehnte sich zurück und meinte entspannt: „Simon sicherlich. Spielst du auf das an, was in meinem Studio passiert ist?“ „Simon zählt nicht, der würde alles bestätigen.“, würgte sie seine Frage ab. Andrew fuhr sich nachdenklich mit der Hand über den Mund und spielte kurz mit seinem neuen Piercing. Dann schreckte er regelrecht hoch und rief: „Hey, na klar! Seht ihr das? Dieses Piercing habe ich mir am Sonntag erst stechen lassen. Und der Typ dürfte so zwischen zehn und zwölf hier gewesen sein.“ „Hast du einen Namen und eine Telefonnummer für uns?“, mischte sich Dave nun ein. Andrew nickte und wühlte in einer Schreibtischschublade eine Visitenkarte hervor. Sheryl nahm ihm die Karte ab und bemerkte: „Das werden wir überprüfen.“ „Natürlich.“, konterte Andrew verständnisvoll. Diese Distanz und Angespanntheit löste ein gewisses Unbehagen in ihm aus, welches er aber mit einem freundlichen Lächeln zu übertünchen versuchte. Einen Moment lang starrten sie sich schweigend an.

„Und jetzt erzählen Sie uns bitte, was am Sonntag in Ihrem Studio abgelaufen ist. Sie waren ja später dort, nicht wahr?“, führte Dave das Gespräch endlich weiter. Bereitwillig gab Andrew Auskunft: „Ja, Rick hatte mich angerufen und völlig wirres Zeug erzählt. Er sagte es gäbe Probleme und die zwei Mädels wollen zur Polizei gehen. Daraufhin bin ich gleich ins Auto gesprungen und hin gefahren. Als ich ankam stritt sich Paul mit den Frauen in der Garderobe und ich versuchte den Streit zu schlichten.“ „Du hast versucht sie mit Geld zum Schweigen zu bringen.“, warf Sheryl dazwischen. Andrew sah sie ein wenig böse an und konterte: „Ja, natürlich habe ich das. Immerhin haben wir alle einen Ruf zu verlieren. Wenn es zu einem Prozess kommen sollte, kann ich den Laden gleich dicht machen.“ „Also findest du nicht, dass dieser Mann bestraft werden sollte?“, stocherte sie weiter. Andrew atmete tief durch und erklärte: „Na ja, im Grunde hat er ja nur seinen Job gemacht. Sie waren nicht gut genug darauf vorbereitet, weshalb sie das alles wohl etwas überforderte. In dieser Branche gehen wir alle nicht gerade zimperlich miteinander um und es ist durchaus üblich solche Streitigkeiten untereinander zu klären.“ „Du wolltest die Sache also unter den Teppich kehren?“, hinterfragte Sheryl nun schon ziemlich aufgeladen. „Was soll das, Sheryl? Was willst du jetzt von mir hören? Ich weiß, dass du es vielleicht anders machen würdest, aber in solchen Fällen ist das für uns bisher immer die beste Lösung gewesen.“, antwortete Andrew bestimmt. „Also gab es das schon öfters?“, fragte Dave nun dazwischen während sich Andrew und Sheryl gegenseitig belauerten. Ohne die Polizistin aus den Augen zu lassen erwiderte er: „Worauf wollt ihr eigentlich hinaus?“ Dave schob die schwarze DVD- Hülle über den Tisch und sagte dazu: „Das ist ein Film aus Ihrem Studio. Wenn sich unsere Annahmen bestätigen, wird es noch Klagen gegen Sie hageln.“ Skeptisch musterte Andrew daraufhin erst ihn und nachdem er die Hülle an sich genommen hatte auch diese. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken während er äußerlich völlig ruhig wirkte. Woher hatten sie diesen Film und was wussten sie darüber? Sich dumm stellend sagte er aber nur: „Da ist weder ein Logo noch eine Beschreibung drauf. Woher wollt ihr wissen, dass das aus meinem Studio kommt?“ „Weil gleich das erste was man zu sehen kriegt dein Siegel ist und dazu steht, dass das Devil’s Studio stolz eine AT Produktion präsentiert. Ja, wir haben uns diesen kranken Scheiß angesehen.“, antwortete Sheryl harsch. „Höre ich da etwa eine Wertung?“, konterte Andrew ruhig. Jetzt musste Sheryl tief durchatmen um nicht zu explodieren. Dave schaltete sich schnell dazwischen: „Wir wollen gerne wissen, was Sie uns zu diesem Film sagen können. Es sind immerhin unzählige Gewalttaten darin aufgezeichnet und wir erfuhren aus sicherer Quelle, dass sich nicht alle freiwillig diese Dinge haben antun lassen. Also? Irgendwelche Informationen für uns?“ Jetzt war sich Andrew sicher, dass die zwei Polizisten rein gar nichts gegen ihn in der Hand hielten. All ihre Verdächtigungen basierten auf reinen Annahmen. Selbstsicher antwortete er deshalb: „Ja, ich gebe zu, das ist ein Film aus meinem Studio und wie ihr sicher wisst, auch nicht der einzige dieser Art. Allerdings habe ich keine Ahnung, wer euch solchen Mist darüber erzählt hat. Alle Mitwirkenden haben Arbeitsverträge unterschrieben und waren deshalb durchaus freiwillig dabei. Wir sind ja keine Monster.“ „Diese Verträge würden wir gerne einmal sehen wollen.“, ließ Sheryl ihn auflaufen doch Andrew reagierte völlig unerwartet: „Die sind alle im Studio archiviert. Da müssten wir eben mal hin fahren.“ Beide Polizisten musterten ihn skeptisch. Für jemanden, der etwas zu verbergen hatte, war er ziemlich kooperativ. Andrew stand auf und zeigte in Richtung Tür. „Wollen wir gleich?“, fragte er dann fordernd. Dave und Sheryl sahen sich etwas überrumpelt an und nickten schließlich. Sie hatten nichts dabei zu verlieren.

Auf dem Weg nach draußen hielt Andrew Sheryl jedoch kurz am Arm zurück und wollte wissen: „Was ist eigentlich los mit dir? Habe ich dir etwas getan?“ Sie dachte kurz nach, hielt ihm dann die DVD vor die Nase und meinte überzeugt: „Ich gehe davon aus, dass du alle Episoden dieses Machwerks kennst und irgendwie habe ich das ungute Gefühl, dass du der Unbekannte aus Nummer sechs bist. Und so lange ich mir nicht sicher sein kann, dass hier alles mit rechten Dingen zu geht und du der Kleinen nicht diese Gewalt angetan hast, werde ich mich hüten, dich noch einmal in meine Nähe zu lassen.“ Andrew wirkte äußerlich ein wenig beleidigt, wunderte sich innerlich aber sehr über ihre Vermutung. Man konnte den Täter im Film nicht erkennen, woher hatte sie also diese Idee?

Sheryl machte auf dem Absatz kehrt und ging los, irritiert folgte Andrew ihr nach, rief vor dem Verlassen des Hauses aber noch laut durch den Eingangsbereich: „Simon! Ich bin dann mal kurz weg! Wir fahren zum Studio!“

Entschlossen stiegen sie dann in das Dienstfahrzeug und fuhren zum Filmstudio. Das Gitter vor der Einfahrt war verschlossen also hielten sie an und stiegen aus. Andrew ging zum Schloss und tippte eine Zahlenkombination ein. Nichts tat sich. Er versuchte es noch einmal und erschien anschließend etwas ratlos. Also betätigte er die Klingel. Die Stimme seines Sicherheitschefs erklang: „Entschuldige Boss, ich habe den Code geändert.“ „Ah okay! Lass uns rein.“, rief Andrew daraufhin. „Haben deine Begleiter einen Durchsuchungsbescheid?“, erwiderte Thomas. „Spinnst du jetzt rum?“, fuhr Andrew ihn an, woraufhin der sprach: „Meine Aufgabe ist es sowohl die Firma als auch die Mitarbeiter zu beschützen. Also entscheide ich, dass diese zwei Beamten ohne entsprechende Genehmigung nicht auf das Gelände dürfen. Tut mir leid Boss, in diesem Fall reicht mir auch nicht dein Wort.“ Verwirrt und ein wenig verlegen drehte sich Andrew zu den Polizisten um und zuckte mit den Schultern. Sheryl ging ihn daraufhin an: „Ist das dein Ernst? Du lässt dich von deinem eigenen Mitarbeiter einfach so aussperren?“ Andrew druckste kurz herum und antwortete dann: „Eigentlich macht er das genau so, wie ich es vor Jahren mit ihm abgesprochen hatte. Er darf mich oder jeden anderen Mitarbeiter in Begleitung von Polizei nur hinein lassen wenn ein Durchsuchungsbescheid vorliegt. Thomas nimmt solche Sachen ziemlich ernst. Immerhin müssen wir die Identität unserer Mitarbeiter und vor allem Kunden so gut wie möglich schützen.“

Sheryl verdrehte die Augen. Hier kamen sie also nicht weiter. Sie durften nicht riskieren, dass andere zu viel von ihren Ermittlungen erfuhren. Wenn sie jetzt versuchen würden die Dokumente zu bekommen, würden sie wahrscheinlich Richter Stevens auf den Plan rufen. Es musste eine andere Möglichkeit geben an weitere Informationen zu kommen.

Sheryl ging nun auf Andrew zu, der sie aufmerksam betrachtete. Dann legte sie überraschend eine Hand auf seine Schulter und sprach: „Andrew, wenn du willst, dass ich dir je wieder vertraue, musst du mir jetzt helfen.“ Sein offener wurde zu einem skeptischen Blick. Sie redete weiter: „Ich will, dass du uns sagst, wer am Sonntag den Einbrecher gespielt hat und wir brauchen den Film als Beweismittel.“ „Unmöglich.“, erwiderte er leise aber überzeugt. Sie sah ihn durchdringend an und forderte: „Ich muss leider darauf bestehen. Wer hat die Frauen angegriffen und wo finden wir den Film?“ Er schien mit sich selbst zu ringen und sagte schließlich: „Okay. Demon war der Einbrecher. Aber alles was ich von dem habe, ist eine Handynummer.“ „Dann ruf ihn an!“, forderte sie. Etwas widerwillig wählte Andrew die Nummer auf seinem Telefon. Er ging nicht davon aus, dass Demon antwortete, immerhin hatte er seit Wochen nichts von dem Kerl gehört und schon mehrfach versucht ihn zu kontaktieren. Doch tatsächlich nahm jemand ab. Jetzt musste er schnell denken und sagte: „Hey Demon! Es tut mir sehr leid, dass ich dich in deinem Urlaub störe. Wo bist du gerade? Schon ganz im Norden?“ Sofort wusste der andere, dass etwas nicht stimmte und spielte mit. Andrew redete weiter: „Also pass auf. Ich weiß das ist viel verlangt aber würdest du die Strapazen auf dich nehmen und versuchen morgen Nachmittag wieder hier zu sein? Es ist wirklich wichtig. Ich habe einen mega Job für dich!“ Demon willigte ein und Andrew sagte: „Okay, super Kumpel. Morgen Nachmittag bei mir, wann immer du da bist.“ Er legte auf. Sheryl starrte ihn fassungslos an und stellte fest: „Du hast den Kerl gerade für uns belogen?“ „Der würde sich nie freiwillig mit der Polizei treffen.“, erwiderte Andrew und fuhr fort: „Ich sage euch Bescheid sobald der morgen bei mir auftaucht. Dann könnt ihr vorbei kommen und mit ihm reden. In Ordnung?“ Sheryl nickte beeindruckt.

„Jetzt fehlt nur noch der Film.“, bemerkte Dave von der Seite und fing sich einen genervten Blick von Andrew ein. „Ja, wo kriegen wir den her?“, wollte Sheryl nun wissen. Andrew schniefte gestresst und bot dann an: „Ich kann euch unmöglich den Namen meines Kunden verraten. Das würde mein ganzes Geschäftsmodell zum Einsturz bringen. Aber, ich werde versuchen den Film persönlich zu beschaffen. Ich kann allerdings nichts versprechen und es wird ein paar Tage dauern. Seid ihr einverstanden?“ Dave und Sheryl gingen ein paar Schritte zur Seite um den Vorschlag zu diskutieren, anschließend bestätigte sie: „In Ordnung. Wir werden uns gedulden und ich hoffe, du verarschst uns hier nicht gerade.“ Andrew hob sogleich beschwichtigend die Hände und meinte: „Das würde ich doch nie tun!“

Einen Moment lang schwiegen sie sich noch an, dann sagte Dave: „Sollen wir Sie jetzt wieder heim fahren?“ Doch Andrew lehnte ab und erklärte: „Nein, ich denke, ich sollte mal ein ernstes Wörtchen mit meinem Sicherheitschef reden. Aber so lange ihr hier seid, wird er mich nicht rein lassen. Also sorry, ihr müsst jetzt wohl gehen.“ Die Polizisten setzten sich daraufhin zurück in ihren Wagen und fuhren los. Auch wenn sie scheinbar Fortschritte machten, verblieb bei Sheryl ein seltsamer Beigeschmack. Sie hatten sich auf einen Deal mit ungewissem Ausgang eingelassen. Andrew wirkte kooperativ, das glaubte sie ihm aber nicht so recht. Sie vermutete eher, dass er sie gewaltig an der Nase herum führte und am Ende ihre Ermittlungen wohl vollkommen ins Leere laufen würden, weil das hier ein riesiges abgekartetes Spiel mit unzähligen Hintertürchen war. Im Moment blieb ihnen aber nichts anderes übrig als abzuwarten und mitzuspielen, schon alleine um die Geschichte nicht aufzubauschen und unliebsame Personen hellhörig werden zu lassen.

Andrew stand nun wieder vor dem Tor und tippte den Code ein. Die Tür öffnete sich problemlos. Absichtlich hatte er in Gegenwart der Beamten die letzte Zahl jeweils falsch eingegeben. Thomas hatte die Fehlversuche bemerkt und extrem fantastisch reagiert. Die Absprache dass niemand in Begleitung von Bullen auf das Gelände durfte, gab es tatsächlich und er war richtig froh, dass sich sein Wachmann sofort daran erinnert hatte. Drinnen trafen sie sich dann in Andrews Büro. Thomas empfing seinen Chef grinsend mit einem Becher Kaffee in der Hand und meinte: „Was für eine Aktion war das denn?“ Andrew lachte nun ebenfalls, klopfte ihm auf die Schulter und sprach: „Man, ich bin absolut begeistert wie du reagiert hast. Das war richtig klasse.“ „Danke. Simon hatte angerufen und gesagt, dass ihr auf dem Weg seid. Deshalb habe ich das Tor zu gemacht. Und die zwei haben das tatsächlich geschluckt?“, fragte Thomas ungläubig. „Das ist seltsam, nicht wahr?“, bemerkte Andrew, dachte kurz darüber nach und mutmaßte dann: „Ich habe so ein bisschen das Gefühl, dass diese zwei Bullen nicht offiziell ermitteln. Die wollen nicht, dass das jemand mitkriegt, sonst hätten sie sich den Bescheid gleich besorgt. Irgendwas ist an der Sache faul.“ Thomas nickte zustimmend.

Andrew unterbrach aber plötzlich die nachdenkliche Stimmung: „So, ich habe jetzt noch ein paar Dinge zu erledigen, also raus hier!“ Sein Angestellter gehorchte ohne Widerwort und verließ das Büro während Andrew schon nach seinem Telefon griff. Er musste unbedingt noch einmal mit Demon sprechen und auf Nummer Sicher gehen, dass der auch am nächsten Tag auftauchen würde. Die anstehende unliebsame Begegnung mit der Polizei verschwieg er ihm natürlich.

Und dann musste er sich noch überlegen wie er an Krugers Film herankommen sollte. Das würde sicherlich eine echt harte Nuss werden und ihn eine Menge Nerven kosten.

20

 

Sheryl war sich nicht sicher ob der Plan funktionieren würde, doch sie konnte sich gut vorstellen, dass Andrew diesen Demon auslieferte, nur um seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Die Weiterexistenz seines Studios war ihm sicherlich wichtiger als dieser ominöse, gewalttätige Kerl. Ob er es jedoch schaffen würde den Film oder wenigstens eine Kopie davon zu bekommen, war noch nicht vorherzusehen. Das hing wohl stark davon ab, wer der Kunde eigentlich war und wie leicht der sich überreden ließ. Wahrscheinlich würde Andrew auch dem irgendeine Geschichte auftischen und hoffen, dass er sie glaubte. Wenn er es denn überhaupt versuchte. Immer wieder überraschte es Sheryl, wie leicht es diesem Mistkerl fiel anderen Leuten dreist ins Gesicht zu lügen. Wer weiß, was er ihr noch alles verheimlichte?

Auch Andrew grübelte vor sich hin. Er musste sich einen guten Schlachtplan ausdenken. Demon hatte er noch einmal erreicht und ihn dazu überredet sich wirklich mit ihm zu treffen. Irgendwie musste er ihn überzeugen, dass er bei der Sache mitspielte und den Kopf für ihn hin hielt. Doch wie konnte er ihm die unschöne Aussicht auf schlammige Gerichtsverfahren und eine eventuelle Strafe schmackhaft machen?

Ins Devil’s Mansion lockte er ihn mit dem Angebot eines profitablen Jobs. Es war nicht abzusehen wie Demon reagierte, wenn er die wahren Hintergründe des Treffens erfuhr.

Völlig in Schwarz gekleidet und mit einer dunklen Sonnenbrille versehen betrat der SM- Darsteller Andrews Büro. Demon liebte seine Rolle und wusste sein bedrohliches Image zu wahren. Andrew reichte ihm zur Begrüßung die Hand, bot einen Drink an und sie setzten sich. Nachdem sie schon öfters miteinander zu tun gehabt hatten, brauchte er sich nicht zu verstellen und begann gleich geschäftlich zu werden: „Also gut Demon. Ich habe dich her gebeten, weil ich dir ein äußerst lukratives Geschäft vorschlagen möchte. Allerdings muss ich gestehen, dass es sich dabei nicht wie angekündigt um einen Film handelt.“ Verwundert fragte Demon: „Was genau soll das heißen, Trevis? Du weißt, dass ich keine anderen Jobs für dich erledige. Kein Film, kein Deal, du kennst meine Prinzipien.“ Andrew zögerte. Er war sich nicht ganz sicher, wie er diesem Mann das Ganze verkaufen sollte.

Leicht nervös mit den Fingern an seinem Unterlippenpiercing herumspielend meinte er schließlich: „Rein hypothetisch, ich bräuchte jemanden, der mich in einer Sache vertritt. Wie hoch wäre dein Preis?“ Doch Demon ließ sich nicht so einfach ködern, sondern hakte nach: „Versuchst du mich hier in eine deiner linken Nummern mit reinzuziehen?“ Andrew kam so nicht weiter, atmete tief durch und entschloss sich die Karten offen auf den Tisch zu legen.

„Ich will ehrlich zu dir sein.“, begann er bedeutungsvoll und erklärte ausführlich: „Da gibt es so einen Film, bei dem alles ein wenig außer Kontrolle geraten ist, Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Nötigung et cetera. Ich erspar dir zunächst die Einzelheiten und komme gleich auf den Punkt. Die Bullen haben mich deswegen auf dem Kieker und um meinen Kunden nicht in Schwierigkeiten zu bringen, habe ich ihnen eine Notlüge aufgetischt. Du weißt, dass es unter meinen Geschäftspartnern ein paar sehr einflussreiche Leute gibt, die man nur ungern verärgern möchte. Kurzum: Ich habe der Polizei erzählt, dass du der Hauptakteur in dem Film warst und jetzt wollen sie, dass ich dich ausliefere.“

Andrew konnte genau sehen, wie sich Demons Miene schlagartig verfinsterte und er in Angriffsstellung ging. Schnell versuchte er deshalb die Situation zu entschärfen: „Bevor du jetzt ausrastest, ich biete dir eine Unmenge Kohle an, wenn du mich in der Sache unterstützt.“

Demon war inzwischen aufgestanden, nahm nun ganz langsam seine Sonnenbrille ab und sagte bedrohlich: „Du willst, dass ich für dich den Kopf hinhalte? Ist das dein Ernst?“ Andrew starrte ihn mit seinen eisigen blauen Augen an, nickte vorsichtig und versuchte ihn zu überzeugen: „Das ist gewiss keine leichte Entscheidung, aber ich werde dich reichlich dafür entlohnen. Ich weiß, dass du käuflich bist, sonst würdest du nicht in dieser Branche arbeiten. Du musst mir nur deinen Preis nennen.“ Demon schüttelte den Kopf und entgegnete: „Meine Kariere wäre damit zu Ende. Du erwartest also ernsthaft von mir, dass ich alles aufgebe, wofür ich lebe?“ „Doch nur vorübergehend. Wenn das alles vorbei ist, kannst du bei mir immer wieder einen Job bekommen.“, beruhigte Andrew. Absolut nicht begeistert erwiderte Demon nachdrücklich: „Nein Trevis, da mache ich nicht mit. Am Ende gehe ich für dich noch in den Knast und komme nie wieder raus. Was hätte ich dann von dem Geld?“

Andrew wirkte schon leicht genervt, blieb jedoch ruhig und beschwichtigte den Mann: „Hier geht es nur um Körperverletzung, nichts wofür man lebenslang in den Knast geht. Es ist sogar gut möglich, dass es nicht einmal zu einer Verhandlung oder Verurteilung kommt und selbst wenn, bei guter Führung wärst du nach spätestens zwei bis drei Jahren wieder raus. Ich kümmere mich auch um einen guten Anwalt für dich. Also, was sagst du?“

Demon schüttelte weiterhin beharrlich den Kopf und drehte sich um. Auf solch undurchsichtige, linke Geschichten mochte er sich gar nicht erst einlassen, geschweige denn mehr darüber hören. Ohne ein weiteres Wort ging er in Richtung Tür, doch Andrew sprintete hinter seinem Schreibtisch hervor, schnitt ihm den Weg ab und verschloss das Büro.

Sich vor Demon aufbauend sagte er scharf: „Ich bin kein Mann, den man betteln lässt!“ Demon wich daraufhin einen Schritt zurück, er war sich zwar seiner eigenen Stärke bewusst, aber nicht ganz sicher, ob er gegen diesen Irren ankommen würde. „Trevis, ich weiß dein Angebot wirklich zu schätzen.“, versuchte er ihn zu besänftigen: „Aber ich kann das nicht tun. Egal wie viel du mir bietest. Das ist einfach nichts für mich. Aus solchen Sachen halte ich mich lieber raus.“ Andrew machte einen Schritt auf ihn zu und drohte: „Bis jetzt war ich ja noch sehr liberal mit dir und habe ein Angebot gemacht, das du eigentlich nicht ablehnen kannst. Willst du mich provozieren? Ich lasse es gern darauf ankommen. Ich weiß ein paar Sachen über dich, die die Polizei sicher auch interessieren würden. Denkst du die glauben dir, dass du das in dem Film nicht bist, wenn sie wissen, dass du es gern mit kleinen Mädchen und Jungen treibst?“ Demon atmete tief ein und zischte bösartig: „Das würdest du nicht wagen.“ „Die Bullen freuen sich bestimmt, wenn sie neben einem sadistischen Mistkerl gleichzeitig noch einen Kinderschänder zwischen die Finger bekommen.“, verlieh Andrew seiner Drohung Nachdruck.

Damit hatte er Demon in der Falle. Ihm blieb keine andere Wahl als das Angebot anzunehmen, wenn Andrew sein dunkelstes Geheimnis weiterhin bewahren sollte. So fies in die Ecke gedrängt musste er klein beigeben und lenkte ein: „Ist ja gut, Trevis. Ich mach’s.“ Gleichzeitig forderte er jedoch: „Aber du versprichst mir gefälligst, dass du unter allen Umständen deine Schnauze über die andere Sache hältst. Und ich will eine ordentliche Abfindung. Ist das klar?“ Andrew grinste breit und antwortete voller Genugtuung: „Die bekommst du. Aber jetzt erzähle ich dir erst einmal, worum es genau geht, damit du weißt was dich erwartet und was du beim Verhör antworten musst.“

Sie setzten sich wieder. Demon lauschte aufmerksam der Geschichte und war ein wenig überrascht, wie sehr sich Trevis und er in solchen Dingen glichen. Beide hatten sie offensichtlich einen starken Hang zum Sadismus. Nur hatte er sich anscheinend besser unter Kontrolle, was seine Annahme, dass Trevis nicht ganz richtig rund lief, deutlich bestärkte.

Als Andrew dann mit seinen Ausführungen fertig war, stellte Demon bewundernd fest: „Wahnsinn, dass du genau so ein fieses Schwein sein kannst wie ich, hatte ich nicht erwartet.“ Dann dachte er kurz nach und kam zu dem Schluss: „Da es hier um Einiges geht, wird dich mein Kopf aber schon etwas mehr kosten. Denn sollte es wirklich zu einer Verurteilung kommen, gehe ich sicher für einige Jahre hinter Gitter. Ich will eine halbe Million.“ „Wie viel?“, rief Andrew fassungslos aus und fügte etwas ruhiger hinzu: „Ich könnte dich auch für lau an die Bullen ausliefern!“ „Du vergisst aber, dass du gerade versuchst mich zu erpressen und ich jetzt alles über die Geschichte weiß. Ich könnte dich also genau so gut auch einfach auffliegen lassen.“, konterte Demon provozierend.

Nach kurzem angespannten Schweigen grinste Andrew wieder und machte ein Gegenangebot: „Du bekommst eine viertel Million, nicht mehr und nicht weniger.“ Demon kitzelte es in den Fingern. Am liebsten hätte er Andrew eine rein gehauen, schon alleine dafür, dass er ihn in diese unmögliche Situation brachte. Dennoch nahm er widerwillig das Angebot an, ein besseres würde er sicher nicht bekommen. Und für ihn war es wenigstens ein hübsches Startkapital für die Zeit nach seinem womöglichen Knastaufenthalt. Sie besiegelten ihre Absprache mit einem Handschlag und genehmigten sich einen Whisky.

Andrew hatte Teil eins abgewickelt. Demon würde sich für ihn opfern und er musste ihn nur noch ausliefern. Also rief er auf der Polizeiwache an, verlangte Sheryl und flüsterte geheimnisvoll ins Telefon: „Demon ist tatsächlich gerade hier angekommen. Ich weiß nicht, wie lange ich ihn festhalten kann, also beeilt euch.“ Im Hintergrund sprach sein Komplize nun laut: „Also Trevis, hier bin ich. Was wolltest du mit mir besprechen?“ Dann krachte er die Tür zu, Andrew legte schnell auf und beide begannen sie zu lachen. Diese ganze Charade würde ihnen eine Meisterleistung an Schauspielkunst abverlangen, doch das war es durchaus wert.

Während sie auf das Eintreffen der Polizei warteten, genehmigten sie sich ein paar Drinks und probten ihre Reaktionen auf eine eventuelle Festnahme Demons. Es war noch nicht sicher, dass sie ihn überhaupt mitnehmen würden, weshalb sie eine Masche brauchten um das Ganze zu provozieren und so endgültig von Andrew abzulenken.

Überraschenderweise kamen Sheryl und Dave nicht alleine. Sie ahnten, dass die Situation leicht aus dem Ruder laufen konnte, sollte Demon doch ein gewalttätiger Verbrecher sein und sich nicht so einfach festnehmen lassen wollen.

Mehrere Beamte betraten das Gebäude. Aus dem Büro drangen Kampfgeräusche, was sie in Alarmbereitschaft versetzte. Vor der Tür rief dann einer der Beamten laut: „Hier ist die Polizei. Wir kommen jetzt rein. Heben Sie die Hände über den Kopf und bleiben Sie ruhig!“ Dave stieß die Tür auf und anscheinend kamen sie gerade rechtzeitig. Denn Demon hatte Andrew zu Boden gerissen und war dabei ihn brutal zu würgen. Flüsternd forderte Trevis noch: „Verpass mir eine, dann wirkt es realistischer.“ Darauf hatte Demon eigentlich nur gewartet und schlug dem unter ihm liegenden mit der geballten Faust kräftig ins Gesicht. Eilig zerrten ihn daraufhin mehrere Polizisten von Andrew runter, rangen ihn nieder und fesselten seine Hände hinter dem Rücken. Die Show war geglückt.

Während sie Demon aus dem Büro entfernten, setzte sich Andrew auf und hielt sich das Gesicht. Sein Komplize hatte wesentlich härter zugeschlagen als erwartet und Blut rann umgehend aus seiner Nase. Das war wohl die Rache für die viertel Million gewesen, die er ihm nicht geben wollte.

Sheryl hockte sich neben Andrew hin, reichte ihm ein Taschentuch und gab ehrlich zu: „Hätte nicht gedacht, dass du uns den Kerl so schnell auslieferst. Aber es war die richtige Entscheidung. Warum hat er dich angegriffen?“ Andrew kniff sich die Nasenflügel zusammen und offenbarte: „Ich bin selbst daran schuld. Er ist immerhin ein alter Bekannter und ich wollte ihn wenigstens etwas darauf vorbereiten, dass ihr kommt und ihn eventuell fest nehmt. Er hat das wohl in den falschen Hals gekriegt.“ „Das war sehr leichtsinnig von dir. Sei froh, dass wir so schnell da waren. Es hätte auch dümmer ausgehen können.“, munterte sie ihn auf und strich mit der Hand über seinen Arm.

Auch wenn Andrew ihr im Moment ein wenig leid tat, durfte sie das Ziel nicht aus den Augen verlieren und erinnerte ihn: „Jetzt fehlt nur noch der Film, dann ist der Deal perfekt.“ Er lächelte angestrengt obwohl es ihn innerlich fast vor Lachen zerriss. Er konnte nicht fassen, dass sie ihm das alles einfach so abkauften. Im Grunde hatte er einen Oskar für diese Leistung verdient.

Die Polizei führte Demon ab. Dave gesellte sich kurz zu Sheryl, klopfte Andrew auf die Schulter und lobte: „Gute Arbeit. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach für Sie war einen alten Bekannten auszuliefern. Ich hoffe, dass unsere Zusammenarbeit so erfolgreich bleibt und wir bald von Ihnen wegen des Films hören.“ Sheryl stand auf, lächelte Andrew noch einmal an und ohne weitere Worte verließen anschließend alle sein Büro.

Nachdem das Bluten nachgelassen hatte, stand er etwas mühsam auf und ging zum Spiegel an der Wand um sich den Schaden zu betrachten. Trotz der Wucht des Schlages war kaum etwas zu sehen und schon morgen würde wahrscheinlich nur ein kleiner blauer Fleck daran erinnern.

Nun musste er den schwierigeren Teil zwei in Angriff nehmen, die Beschaffung des Films. Erst damit würde er sämtliche Zweifel gegen sich ausräumen können und Sheryl wieder versöhnlich stimmen. Keinesfalls durfte sich ihr Verdacht gegen ihn erhärten auch wenn er immer noch nicht wusste, wie sie auf die Idee kam, dass er in der schwarzen DVD mitspielte. Und das gelang am besten, wenn er brav kooperierte, sie damit ablenkte und nicht weiter darüber nachdenken ließ.

Unschlüssig darüber ob es eine gute Idee sein würde Kruger einfach anzurufen, entschloss sich Andrew erst einmal ein ernstes Wörtchen mit Rick und Paul zu reden. Er durfte bei der Beschaffung des Filmes nichts überstürzen und sich keine Fehler erlauben. Die Geschichte, die er dem Bankenchef später weis machen würde, sollte unbedingt wasserdicht sein. Kruger musste ihm weiterhin bedingungslos vertrauen können. Dafür brauchte er aber erst einmal einen klaren Kopf und die Sicherheit, dass sein Ablenkungsplan mit Demon funktionierte.

Es war Dienstagnachmittag, weshalb er seine zwei Mitarbeiter am ehesten im Studio antreffen würde. Entschlossen machte er sich also auf den Weg. Dort angekommen öffnete er vorsichtig die Tür zu dem Raum, in welchem gerade gedreht wurde und schob sich durch einen Spalt hinein.

Ein Weilchen lang beobachtete er Rick und Paul bei der Arbeit. Es gefiel ihm recht gut, was sie taten und wusste ihr Engagement durchaus zu schätzen. Unter der Woche produzierten sie den meist sehr normalen Stoff für den Durchschnittsverbraucher. Es gab Girl on Girl Action, oder mal einen Dreier, aber immer lief es auf ganz gewöhnliches Gevögel hinaus. Nach ein paar Minuten wurde er dann entdeckt und machte dem Regisseur mit ein paar Handzeichen klar, dass er gerne mit ihm sprechen möchte. Rick legte daraufhin eine kurze Pause für alle fest und kam argwöhnisch blickend auf seinen Chef zu, der sogleich forderte: „Ich hätte auch gern Paul mit dabei.“ Der Regisseur rief laut: „Paul, wir brauchen dich hier mal schnell!“

Zusammen zogen sich die drei Männer in einen Nebenraum zurück. Rick hatte ein ungutes Gefühl in der Magengegend und Paul war es sogar richtig schlecht, was seine unnatürliche Blässe verriet. Andrew zog drei Stühle in die Mitte des Raumes und forderte sie auf sich zu setzen. „So, wir müssen uns jetzt einmal ein wenig darüber unterhalten, was da am Sonntag eigentlich passiert ist.“ Paul war sich nicht ganz sicher, worauf das hier hinaus laufen würde und machte sich schon bereit die Flucht zu ergreifen, sollte es zu brenzlig werden. Andrew bemerkte, wie der Kameramann immer wieder zur Tür hin schielte, sah ihn provozierend an und sprach: „Du willst am liebsten weg rennen, nicht wahr?“ Paul zuckte ertappt zusammen, doch Andrew redete entspannt weiter: „Kein Sorge, ich habe alles im Griff. Vor wenigen Minuten ist derjenige verhaftet worden, der die zwei Frauen am Set angeblich angegriffen hat. Nach reichlicher Überlegung habe ich ihn der Polizei ausgeliefert, damit die Sache ordnungsgemäß geklärt werden kann.“ Rick starrte ihn völlig verblüfft an, woraufhin Andrew hinterhältig grinste und fort fuhr: „Ja, ich war auch überrascht, dass der so durchdrehen kann, vor allem nachdem wir schon so oft wirklich fantastisch zusammengearbeitet haben. Und um euch nicht weiter auf die Folter zu spannen. Es war Demon. Tja, wer hätte das gedacht?“ Rick wusste nicht genau, ob er lachen oder heulen sollte. Da er ja genau wusste, dass es Trevis selbst gewesen war, konnte er die Sache nur schwer verdauen. Wie hatte er Demon nur dazu gebracht hierbei mitzuspielen? Um seine Loyalität erneut zu beweisen, mimte er jedoch den Überraschten und bemerkte schwermütig: „Ach echt? Mann, das ist heftiger Tobak. Ich konnte mir zwar denken, dass der nicht ganz richtig tickt, aber das der so eine Sache abzieht, hätte ich nie gedacht.“ Paul dagegen fiel regelrecht ein Stein vom Herzen. Er hatte ja wirklich keine Ahnung gehabt, wer sich hinter der Maske verborgen hatte und war nun froh darüber, dass sein Chef doch mit der Polizei kooperierte und nicht mehr versuchte alles zu vertuschen. Erleichtert fragte er deshalb: „Dann wird man uns glauben, dass wir selbst völlig überrascht waren und gar nicht wussten, wie wir reagieren sollten?“ Andrew schüttelte aber den Kopf und erklärte: „Nein, wir bleiben dabei, was schon Rick den Bullen erzählt hat. Im Drehbuch stand genau das, was passieren würde und die zwei waren einfach schlecht vorbereitet. Demon hat nur seinen Job erledigt, vielleicht ein wenig dabei übertrieben. Aber im Grunde wussten Melanie und Susanne was sie erwartete. So steht Aussage gegen Aussage und es liegt in der Entscheidung des Richters. Es wäre gut möglich, dass es auch nur zu einem außergerichtlichen Vergleich kommt und Demon etwas Schmerzensgeld zahlen muss und nicht mehr. Damit wären dann auch die Anzeigen wegen unterlassener Hilfeleistung vom Tisch.“ Fassungslos sah Paul seinen Boss an. Er konnte kaum glauben, wie sehr der die Geschehnisse herunter spielte. Selbst für ihn war dieser Dreh ein traumatisches Erlebnis gewesen und sein Magen ballte sich bei dem Gedanken zusammen, dass die zwei Frauen so billig abgespeist werden sollten. Rick konnte unterdessen seine Bewunderung kaum verbergen. Wieder einmal bewies Trevis seine Souveränität und warum er der Boss war. Trotzdem blieb auch bei ihm ein ungutes Gefühl zurück, denn wer oder was sorgte dafür, dass Demon seiner Rolle gerecht wurde?

Andrew lächelte zufrieden und stellte fest: „Gut Leute, das wollte ich nur mal gesagt haben. Demon wird sich für seine übertriebene Gewalt rechtfertigen müssen. Melanie und Susanne lernen, dass sie vielleicht etwas zu gierig geworden sind und lieber mein Angebot hätten annehmen sollen. Und ihr geht jetzt fein zurück an die Arbeit, damit noch ein paar Szenen fertig werden und das Geld weiterhin in der Kasse klingelt.“

Sofort sprangen die zwei Männer auf und verließen eilig den Raum. Denn eigentlich wollten sie keine Minute länger als nötig eingepfercht mit diesem Wahnsinnigen in einem kleinen Zimmer sitzen.

21

 

Andrew war bislang äußerst zufrieden, alles lief wie am Schnürchen. Rick und Paul waren nun in den Plan eingeschworen und würden es nicht wagen von der Spur abzuweichen. Selbst die Polizei tanzte nach seiner Nase und er war dabei wieder einmal erfolgreich seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Er hatte alles im Griff. Nur die Sache mit Krugers Film lag ihm noch schwer im Magen. Diese Geschichte sollte er behutsam und überlegt angehen. Außerdem hatte er gerade auch keine Lust dazu, sich mit seinem Kunden anzulegen und fand, dass sich die Polizei doch ein paar Tage ruhig in Geduld üben konnte.

Gelassen war er in sein Studiobüro geschlurft. Auf seinem Schreibtisch türmten sich schon seit Tagen die Zettel. Er hatte in den letzten Wochen seine Arbeit ziemlich vernachlässigt und sah das nun als Möglichkeit sich vorübergehend abzulenken. Meistens hatte er die besten Ideen, wenn er nicht mehr über die Probleme nachdachte, die ihn beschäftigten.

Also sollte er sich die nächste Zeit wohl in neuen Bewerbungen, Drehbüchern und Romanmanuskripten vergraben. Mal sehen wie lange es dauern würde, bis die ersten ungeduldigen Anrufe wegen des Films kamen. Darauf freute er sich jetzt schon.

Demon wurde unterdessen auf der Wache verhört. Dave und Sheryl saßen ihm gegenüber in einem kleinen, kargen Zimmer. Ein Diktiergerät stand vor ihnen auf dem Tisch und sollte die gesamte Unterhaltung aufzeichnen. Eines seiner Handgelenke war mit einer Handschelle an seinem Stuhl befestigt, der wiederum mit dem Boden verschraubt war. Da er Andrew angegriffen hatte, galt er jetzt als gefährlich und durfte sich nicht frei bewegen.

Dave begann das Verhör mit einer einfachen Frage: „Wie lautet Ihr richtiger Name?“ Demon zögerte erst, antwortete dann aber bereitwillig: „Loyd Williams.“ Sheryl schmunzelte. Bei solch einem gewöhnlichen Namen musste er sich ja ein Pseudonym zulegen. Sein Blick sagte alles. Dave fragte weiter: „Wissen Sie weshalb wir Sie fest genommen haben?“ Loyd sah die beiden scharf an, er sollte es ihnen auch nicht zu einfach machen, sein Deal mit Trevis durfte keinesfalls auffliegen. „Ich habe da eine Ahnung, aber klären Sie mich doch bitte noch einmal auf.“, antwortete er provokativ. Die Beamten ließen sich aber nicht so leicht anstacheln und ausführlich erklärte Sheryl ihm die Sachlage: „Sie wurden verhaftet, weil Sie zwei Frauen am Set brutal misshandelt haben. Ich zähle kurz auf, welche Anzeigenpunkte hier hauptsächlich eine Rolle spielen: Körperverletzung, Freiheitsberaubung, schwerer sexueller Missbrauch. Das ist nur die Spitze des Eisbergs.“ Loyd tat entsetzt: „Wie bitte? Keine Ahnung was ihr von mir wollt. Das stand doch alles so im Drehbuch. Ich sollte sie hart anpacken, fesseln und... Ich versteh echt nicht, wo hier das Problem liegt.“ Dave rollte die Augen und meinte ruhig: „Was im Drehbuch stand, spielt hier gar keine Rolle. Sie sind zu weit gegangen und müssen sich dafür verantworten, was Sie den Frauen angetan haben. Für die war Ihre Brutalität nämlich nicht vorhersehbar und tatsächlich ein wahrer Schock.“

Sheryl machte dem Mann einen Vorschlag: „Hören Sie, Herr Williams, wir wissen, dass es in Ihrer Branche oft sehr rau zugeht. Und wir können Ihnen hier nur anbieten, dass Sie ein umfangreiches Geständnis ablegen und die Anklagepunkte akzeptieren. Das könnte sich mildernd aufs Strafmaß auswirken und wir wären auch schneller fertig mit der Geschichte. Wir wissen, dass Sie es getan haben und Sie wissen es auch. Also, was sagen Sie dazu?“ Der Mann wirkte nicht sehr begeistert und lehnte sich zurück. Eigentlich hatte er ja auch keine sonderliche Lust auf Diskussionen, musste aber irgendwie den Schein wahren, dass es ihm nicht ganz egal war.

„Und was passiert genau, wenn ich die Vorwürfe abstreite?“, entgegnete er trotzig. Sheryl schnaufte etwas gereizt: „Sie wollen es doch jetzt nicht etwa darauf ankommen lassen, oder? Wir können die Sache hier auch auf die harte Tour durchziehen, wenn Sie Wert darauf legen. Aber dann wird es richtig eklig.“ Widerwillig gab er daraufhin zu: „Also gut, ja, bei mir sind ein paar Sicherungen durchgeknallt. Ich war in einer Art Rausch und habe die Kontrolle verloren. Das kann schon mal passieren.“ „Das kann schon mal passieren? Habe ich mich da gerade verhört?“, entrüstete sich Sheryl.

Dave schaltete sich schnell dazwischen und fragte:  „Hat Andrew Trevis Sie vielleicht dazu angestiftet, oder Sie irgendwie anders dazu gebracht das zu tun?“. Loyd stammelte überrascht: „Trevis? Wie kommen Sie denn jetzt auf den? Nein, der hat nur so weit was damit zu tun, dass er mir mal wieder einen Job verschafft hat.“ Dave reichte das aber noch nicht und er hakte nach: „Wie genau sieht Ihr Verhältnis zu Herrn Trevis denn aus?“ „Also erstens haben wir kein Verhältnis, maximal ein Arbeitsverhältnis.“, korrigierte Loyd den Beamten und fuhr fort: „Wir kennen uns schon eine ganze Weile und ich habe schon öfters Filme für ihn gedreht. Vielleicht kennen Sie ja sogar den ein oder anderen. Ich weiß ja nicht, worauf Sie so stehen.“ „Auf solche kranken Streifen garantiert nicht!“, empörte sich Dave. Doch Loyd erklärte sachlich: „Für die einen mag es vielleicht krank und verdreht wirken, aber für mich und viele andere in meinem Metier ist es eine Art Kunst. Die Kunst der erotischen Gewalt würde ich es nennen.“ Sheryl konnte es kaum glauben. Der Kerl schien auch noch stolz darauf zu sein, was er tat.

Aber sie kamen schon wieder vom Thema ab, weshalb Sie das Gespräch weiter führte: „Warum haben Sie sich gerade diese Filmfirma heraus gesucht?“ „Was heißt heraus gesucht? Die lasen meine Anzeige und haben mich gebucht. Wissen Sie, ich arbeite gern mit dem Devil’s Studio zusammen, die sind da alle sehr professionell, bezahlen gut und stellen nicht zu viele Fragen.“ Er hoffte, dass er hier nicht zu dick auftrug, aber Trevis als fairen und großzügigen Geschäftspartner hinzustellen, war die beste Möglichkeit ihn aus der Schusslinie zu bringen. Also versuchte er so positiv wie möglich über diesen Mistkerl zu sprechen, auch um seine versprochene Viertelmillion nicht aufs Spiel zu setzen.

Sheryl war sich bei diesem Kerl nicht ganz sicher. Für ihren Geschmack stand er der Sache viel zu gelassen gegenüber. Vielleicht hatte er ja aber auch schon damit gerechnet, dass ihm seine Gewalttätigkeit früher oder später zum Verhängnis werden würde. Mit aufrichtigem Interesse fragte sie also: „In wie vielen Filmen haben Sie schon als ‚Demon’ mitgespielt?“ Loyd überlegte einen Augenblick lang und antwortete dann unsicher: „Etwa dreißig? Keine Ahnung, ich habe nicht mitgezählt.“ „Und immer ging es um gewaltsame, sexuelle Handlungen an wehrlosen Frauen?“, bohrte sie weiter. Er zuckte bestätigend mit den Schultern und sagte leise: „Ja.“ Dave ahnte, worauf sie hinaus wollte und fragte dazwischen: „Sagt Ihnen die Filmreihe ‚In the Halls of Sickness’ etwas?“ Ein skeptischer Blick huschte über Loyds Gesicht, dann antwortete er aber entspannt: „Ja, natürlich. In einigen Episoden habe ich mitgewirkt. Warum?“ „Wissen Sie auch, dass die Darstellerinnen dieser Filme meist gegen ihren Willen dazu gebracht wurden mitzumachen?“, erwiderte Sheryl. Doch er schüttelte nur sachte den Kopf und antwortete: „Wie soll das denn gehen? Wir haben alle Verträge unterschrieben und wussten, worauf wir uns einlassen. Es ist ja nicht so, dass da einfach Leute von der Straße weggefangen und gefoltert wurden. Das wäre doch völliger Wahnsinn.“

„Hat Trevis selbst in manchen Episoden mitgespielt?“, warf Sheryl nun in den Raum. Überrascht sah Loyd sie an und erwiderte: „Wo haben Sie das denn her? Ernsthaft, keine Ahnung, mir gegenüber hat er nie etwas dergleichen erwähnt.“ Dave und Sheryl sahen sich zweifelnd an. Loyds Antworten schienen spontan und nicht vorgefertigt. Trotzdem waren sie von seiner Aufrichtigkeit nicht vollständig überzeugt. Irgendetwas an diesem Typen war einfach nur falsch, auch wenn sie es im Moment noch nicht benennen konnten.

Sie mussten weiter machen. Also forderte Sheryl jetzt: „Gut, Herr Williams, schildern Sie uns doch nun bitte von Anfang an, wie Sie zu dem letzten Film gekommen sind und was genau da am Set passiert ist.“ Loyd atmete tief durch und rekapitulierte was Trevis ihm alles erzählt hatte. Daraus spann er jetzt seine Geschichte zusammen.

Auch wenn Sheryl und Dave das nun schon zum zweiten Mal hörten, waren sie dennoch fassungslos darüber wie emotionslos und gelassen Loyd die Details vor ihnen ausbreitete. Für ihn schien es wirklich nur ein Job gewesen zu sein, für die zwei Frauen jedoch ein einschneidendes, traumatisches Erlebnis.

Als er mit seinen Ausführungen fertig war, lehnte er sich zurück und hoffte nichts vergessen oder verdreht zu haben. Die Polizisten starrten ihn allerdings erwartungsvoll an, was ihn ein wenig beunruhigte. Dann meinte Dave plötzlich: „Ist das alles? Wollen Sie nichts weiter dazu sagen?“ „Was wollen Sie denn noch von mir hören?“, fragte Loyd daraufhin skeptisch. „Vielleicht, dass es Ihnen leid tut?“, antwortete Sheryl schon fast fordernd. Doch er erwiderte nur kalt: „Ich weiß nicht, vielleicht sollte ich darüber erst einmal mit einem Anwalt sprechen.“

Dave rollte erneut mit den Augen und seufzte. Ihn hatte es schon gewundert, dass es so lange dauerte bis das böse A- Wort fiel. Dennoch räumte er ein: „Natürlich haben Sie das Recht sich einen Anwalt zu nehmen. Wir können Ihnen auch einen stellen, sollten Sie keinen zur Verfügung haben.“ Loyd war einverstanden und wollte sich mit einem Pflichtverteidiger zufrieden geben. Für ihn war die Sache ja eigentlich schon gelaufen und egal wie es aus ging, es wartete ein dicker Batzen Geld auf ihn. Er musste nur beharrlich an seiner Lügengeschichte festhalten und aufpassen, dass er sich nicht verplapperte.

Da er mittlerweile als Gefahr für sich selbst und vor allem andere Personen eingestuft wurde, musste er sich wohl damit abfinden die folgenden Nächte und Tage nicht nach Hause zu dürfen. Vielleicht konnte der Anwalt später bessere Bedingungen verhandeln, aber so lange genügte ihm auch eine einfache Zelle.

22

 

Tagelang hatte sich Andrew durch die eingeschickten Texte und Emails gewühlt und war nun am Rande der Verzweiflung angekommen. Manchmal fragte er sich ernsthaft wie Leute darauf kamen, dass ihre geistigen Ergüsse es Wert waren einen Film oder ein Buch daraus zu machen. Natürlich konnte sich jeder Pornoszenarien ausdenken, nur war es nicht so einfach etwas wirklich Neues oder Innovatives zu finden. Das Internet war voll und die Branche platzte regelrecht aus allen Nähten. Egal worauf man stand, irgendwo in der verqueren digitalen Welt gab es das auch zu sehen.

Nur deshalb gingen die Dienstleistungen seines Studios über die gewöhnlichen Interessen des einfachen Konsumenten hinaus. Wer wollte und das nötige Kleingeld besaß, konnte nur für sich selbst produzieren lassen oder dabei zusehen oder mitmachen, ganz nach Belieben.

Mit dem Kopf auf der Tischplatte versuchte er den ganzen Müll, der sich inzwischen in seinem Hirn angesammelt hatte zu löschen und die guten Ideen zu kombinieren. Hier und da gab es schon einmal Perlen unter den Kötteln. Doch im Moment war sein Geist einfach nur vollkommen überladen.

Simon betrat das Büro und musterte Andrew einen Augenblick lang, wie der mit der Stirn auf dem Tisch vor sich hin sinnierte. Erst dann bemerkte er: „Vielleicht sollten Sie mal eine Pause einlegen, Master Trevis?“ Andrew sah hoch und antwortete resigniert: „Was gibt es, Simon?“ „Miss Sneider ist in der Leitung, soll ich sie abwimmeln?“, offenbarte der Butler. Seufzend meinte Andrew aber: „Stell sie ruhig durch, schlimmer als diese Manuskripte kann es nicht werden.“ Er wedelte mit ein paar der Zettel und steckte sie anschließend in den Aktenvernichter. Simon machte auf dem Absatz kehrt und wenige Sekunden später klingelte das Telefon.

Sich zur Freundlichkeit zwingend nahm Andrew ab und begrüßte Sheryl: „Hallo meine Liebe, was gibt es denn?“ „Hallo Andrew, ich wollte dich nur auf dem Laufenden halten. Wir haben Demon verhört, er hat alles zugegeben und es wird wahrscheinlich auch zu einem Verfahren kommen. Außerdem haben wir dein Alibi überprüft und es scheint alles zu passen. Was uns jetzt noch fehlt, ist der Film. Wie weit bist du damit?“, antwortete sie sachlich. Andrew schnaufte und redete sich heraus: „Ja, das ist gar nicht so einfach. Ich konnte bisher noch kein Treffen vereinbaren, mein Kunde ist schwer zu fassen. Ich will ihm aber auch nicht zu sehr auf die Nerven gehen, sonst lehnt er womöglich eine spätere Zusammenarbeit ab. Ihr müsst da wirklich etwas geduldig sein. Okay?“ Er konnte an Sheryls Stimme genau die Enttäuschung hören auch wenn sie versuchte höflich zu bleiben. „In Ordnung, melde dich wenn du was hast.“ „Bevor du auflegst.“, sagte Andrew noch schnell und sprach weiter: „Sind deine Zweifel an mir langsam erloschen? Ich vermisse dich.“ Kurz war es still am anderen Ende der Leitung, dann antwortete sie: „Ich weiß nicht, Andrew. Das ist schwierig zu erklären. Mein Vertrauen in dich ist nach wie vor ziemlich erschüttert. Du hast mir eine Menge verheimlicht und es wird eine Weile dauern bis ich darüber hinweg bin. Verstehst du das?“ Er atmete hörbar durch und flüsterte: „Auch ich werde geduldig sein.“ Dann legten sie auf.

Andrew lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und grübelte. Anscheinend brachte Sheryl ihn noch immer mit der schwarzen DVD in Verbindung und der wahnwitzigen Idee, dass er in Episode sechs mitspielte. Er hatte mittlerweile eine leise Ahnung wer sie wohl auf den Gedanken gebracht haben konnte, mochte sich aber nicht einmischen. Würde er jetzt Wolsey einen Besuch abstatten, bestand die Gefahr, dass alles aufflog.

Wieder betrat Simon das Büro, brachte dieses Mal aber ein großes Glas mit Eiswürfeln darin und eine Flasche Scotch mit, welche er mitten auf den Schreibtisch stellte. Dazu sprach er: „Sie vergraben sich jetzt seit Tagen in diesen Manuskripten und ich kann Sie immer wieder Fluchen hören. Eine Pause wäre wirklich angebracht.“ Andrew lächelte ihn an und meinte daraufhin: „Simon, du hast vollkommen Recht. Zu viel von dem Scheiß auf einmal ist einfach ungesund. Du solltest dir den restlichen Tag frei nehmen und ich fahr später in die Stadt und lass mir in einem Club ordentlich das Hirn durchpusten. Einverstanden?“ Der Butler nickte, öffnete die Schnapsflasche und füllte das Glas randvoll. Danach ging er in Richtung Tür und bevor er das Büro verließ, rief er noch laut: „Feierabend!“ Andrew lachte auf.

Anschließend suchte er im Internet nach einer Veranstaltung, die ihm nach seinem täglichen Trainingsprogramm, das er ebenso in letzter Zeit etwas vernachlässigt hatte, den Abend versüßen sollte. So richtig viel konnte er allerdings nicht finden und entschloss sich letztlich für ein Lokal im Stadtzentrum, das er sonst nur für Privatpartys buchte und noch nie regulär besucht hatte. Anscheinend spielten sie dort wenigstens annähernd Musik nach seinem Geschmack. Es musste reichen um den Kopf frei zu bekommen.

Kurz vor elf Uhr betrat er den Club. Er war gut besucht, wenngleich der Höhepunkt erst gegen Mitternacht erwartet wurde. Aufmerksam betrachtete er sich das dunkel gekleidete Publikum. Scheinbar zog das heutige Gothic- Motto doch so einige Gestalten an.

Zielstrebig bahnte er sich dann seinen Weg zur Bar. Die junge Frau erkannte ihn sofort und rief die Musik übertönend laut: „Na Hallo! Mister Trevis! Lange nicht gesehen. Was verleiht uns denn die Ehre?“ Andrew lächelte fast schon verlegen und schrie zurück: „Ich bin nur hier um mir den Kopf frei pusten zu lassen!“ „Dann das Übliche?“, tönte sie lautstark und er nickte. Nur wenige Sekunden später stand eine volle Flasche Whisky vor ihm und nicht der schlechteste. Er reichte seine Kreditkarte und einen Fünfziger über den Tresen und rief: „Heute Abend alles auf diese Karte.“ Sie lächelte, nahm die Platincard entgegen und legte für ihn einen Zettel an. Der Geldschein wanderte sofort in die Trinkgeldkasse.

Mit der Schnapsflasche in der Hand suchte sich Andrew anschließend ein freies Fleckchen am Rande der Tanzfläche. Sein Blick schweifte dabei durch den Raum und haftete wohlwollend an den adrett gekleideten jungen Frauen, die sich in Spitze, Tüll und Korsagen gezwängt hatten. Er musste jedoch feststellen, dass er den Altersdurchschnitt deutlich anhob.

Entspannt setzte er sich dann auf einen freien Platz und streckte die Füße auf den niedrigen Tisch direkt davor aus. Die laute Musik wummerte durch seinen Schädel und betäubte zusammen mit dem Whisky und dem starken Joint, den er sich in der Limousine gegönnt hatte, seine Gedanken.

Doch er war nicht ganz unbehelligt geblieben, denn eine Besucherin hatte sein lautstarkes Gespräch mit der Bardame belauscht und erzählte das nun ihrer Freundin. „Der scheint hier richtig bekannt zu sein und hat gleich eine ganze Flasche Whisky bekommen. Vielleicht können wir ein paar Drinks abstauben. Was meinst du?“ Die andere schien aber eher skeptisch und meinte: „Ist das nicht ein wenig unfair?“ „Der hat ihr einen Fünfziger als Trinkgeld in die Hand gedrückt. Ich denke, der kann sich das leisten. Komm schon! Sei ein wenig spontan!“, drängte sie aber, packte ihre Freundin am Handgelenk und manövrierte sie durch die tanzenden Menschen. Verhalten zeigte sie dann von der Tanzfläche aus auf Andrew und sprach ihr ins Ohr: „Das ist der Kerl. Was denkst du?“ Sie sah flüchtig hinüber, sogleich noch einmal etwas länger und rief anschließend überrascht: „Hast du eigentlich eine Ahnung wer das ist?“ Ihre Freundin schüttelte irritiert den Kopf, woraufhin sie erklärte: „Das ist Andrew Trevis, der schräge Vogel, der vor Jahren das Devil’s Mansion Anwesen gekauft hat. Ihm gehören die Devil’s Studios und die AT Media Group. Der Typ ist Millionär.“

Andrew hatte unterdessen mit geschlossenen Augen die Musik einfach eine Weile lang auf sich wirken lassen. Als er sie jetzt wieder öffnete, fielen ihm sofort diese zwei hübschen Ladys ins Blickfeld, die am Rande der Tanzfläche angeregt diskutierten. Eine trug ein verführerisches, kurzes Spitzenkleid mit einem weiß- schwarzen Korsett, Netzstrümpfen und Stiefeln. Ihre blonden Haare hatte sie kunstvoll mit passenden Schleifen hoch gesteckt. Die andere hatte sich in ein Lack- und Leder- Oberteil geschnürt, das ihren Busen besonders hervor hob, und trug dazu einen langen, elegant fallenden, schwarzen Rock, der fast den Boden berührte. Ihre dunkelroten Haare lockten sich wild über ihre auffallend hellhäutigen, unbedeckten Schultern. Beide waren sie sehr nett anzusehen und ein wenig geriet seine Jagdinstinkt dabei in Wallung.

Kurz schauten sie auf einmal zu ihm hin, doch als sich ihre Blicke kreuzten und er ihnen ein Lächeln zu warf, wirkten sie auf einmal wie ertappt. Verlegen sahen sie schnell in eine andere Richtung und bahnten sich eilig ihren Weg zum Ausgang. Das konnte Andrew natürlich nicht auf sich sitzen lassen und folgte in respektvollem Abstand.

Die Frau mit der weißen Korsage bog in Richtung Toiletten ab, während die andere zur Terrassentür hinaus verschwand. Ihr ging er nach und war überrascht wie viele Raucher sich hier sammelten. Nachdem er sie wieder erspäht hatte, näherte er sich vorsichtig von der Seite her, fummelte dabei eine seiner Spezialzigaretten aus einem Etui und sprach sie dann schon fast beiläufig an: „Entschuldigung. Hast du zufällig Feuer für mich?“ Sie sah zur Seite und erschrak sichtbar ein wenig. Schüchtern sagte sie aber: „Natürlich.“ Kramte anschließend ihr Feuerzeug heraus und zündete Andrews Zigarette an.

Nachdem er einen kräftigen Zug genommen hatte, meinte er freundlich: „Ihr hättet vorhin nicht gleich abhauen müssen oder seid ihr wegen jemand anderem geflüchtet?“ Am liebsten wäre sie jetzt im Erdboden verschwunden, nahm aber allen Mut zusammen und antwortete: „Es tut mir leid, Mister Trevis. Wir wollten nicht unhöflich sein.“ Überrascht sah Andrew sie an und fragte: „Du weißt wer ich bin?“ Verlegen nickend erwiderte sie: „Ja, ich verfolge Ihre Kariere schon eine ganze Weile lang und bin ehrlich gesagt ein wenig fasziniert davon, wie gut Sie es schaffen sich aus der Öffentlichkeit fernzuhalten.“ Irritiert sprach Andrew mehr zu sich selbst: „Ich habe eine Kariere?“ „Ja! Ich meine, Sie leiten ein Filmstudio und einen Verlag. Das ist doch wirklich klasse.“, bestätigte sie ihre Aussage. Noch einmal zog Andrew kräftig an seiner Zigarette und äußerte provozierend: „Sowohl das Studio als auch die Bücher kennt aber nur jemand, der sich mit der Materie beschäftigt. Tust du das etwa?“ Sie lächelte etwas zurückhaltend und antwortete: „Ach na ja, jeder hat so seine Hobbys, nicht wahr?“ Erstaunt pustete er den grünblauen Dunst zur Seite, woraufhin sie feststellte: „Das riecht aber ziemlich organisch bei Ihnen.“ Grinsend bot er an: „Bitte sag Du zu mir. Ich heiße Andrew. Wie ist dein Name?“ „Mallory.“, erwiderte sie knapp. Er bemerkte: „Ein hübscher Name.“ Doch sie erklärte ernst: „Er bedeutet: Die Unglückselige.“ Dann grinste sie und beide lachten.

„Willst du mal ziehen?“, offerierte er anschließend seine Joint- Zigaretten- Mischung. Dankend lehnte sie aber ab: „Lieber nicht.“ Einen weiteren tiefen Zug später, drückte er den Stummel auf dem Aschenbecher aus und schlug vor: „Für das Feuer und die nette Unterhaltung lade ich dich und deine Freundin aber wenigstens auf einen Drink ein. Einverstanden?“ Mit einem netten „Okay“ nahm sie die Einladung an, woraufhin er ihre Hand ergriff und sie hinter sich her zurück in den Club führte. Am Eingang des Tanzbereichs wartete schon ihre Freundin und schaute etwas irritiert als Andrew Mallory zu ihr brachte. „Wir haben uns draußen ein bisschen unterhalten und jetzt lädt er uns zu einem Drink ein.“, erklärte sie schnell. Angenehm überrascht nahm auch die andere junge Frau das Angebot an und folgte den beiden zur Bar.

Andrew erläuterte der Bedienung, dass die zwei den restlichen Abend auf seine Rechnung trinken dürften, bestellte die gewünschten Longdrinks und gemeinsam suchten sie sich dann einen Platz. Mallorys Freundin war sichtlich begeistert. Genau das hatte sie eigentlich erreichen wollen.

Sie hatten sich eine Sitzgruppe gesichert, die Stimmung wurde ausgelassener und zunehmend gesellten sich auch noch andere Leute mit an den Tisch. Großzügig gab Andrew eine Runde nach der anderen aus und sonnte sich in der erkauften Zuneigung. Diese jungen Leute waren noch so leicht zu manipulieren. Mit Mallory, die es ihm ein wenig angetan hatte, führte er zwischendurch das Terrassengespräch weiter. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sich jemand ihres Alters wirklich bewusst mit der Szene auseinander setzte, die er bediente. Doch sie war weitaus bewanderter als er sich das hatte vorstellen können.

Je mehr Alkohol floss, desto lockerer wurde ihre Zunge und sie verriet so manches Detail über ihre Vorlieben und Wünsche. „Darf ich dich etwas fragen?“, begann sie auf einmal mittendrin und völlig zusammenhanglos. Andrew nickte. „Wo hast du die Zähne machen lassen? Die sehen so verdammt echt aus. Ich bin Zahntechnikerin und finde das total spannend.“, erklärte sie säuselnd. Anscheinend war sie schon etwas betrunken. Andrew fuhr sich mit der Zungenspitze über die etwas längeren Reißzähne, die er schon von Kindheit an besaß. Damals hatte man ihn als Freak gehänselt und er schnell begriffen, dass andere einfach nur Schiss vor ihm und seinem Raubtiergebiss hatten. Sie waren jetzt nicht so lang wie bei einem echten Räuber aber dennoch auffällig anders als bei den meisten Menschen. Erwartungsvoll starrte sie ihn an und er offenbarte: „Die sind nicht gemacht sondern eine Laune der Natur.“ „Wirklich? Zeig mal.“, hinterfragte sie ungläubig und rückte näher. Verwirrt grinste er sie an, woraufhin sie seine Unterlippe fasste und interessiert sein Gebiss studierte. Ein wenig war ihm das peinlich und schnell verschwand das Grinsen von seinem Gesicht, was sie aber bemerkte, umgehend von ihm ab ließ und sich entschuldigte: „Tut mir leid. Ich wollte dir nicht im Mund herum fummeln. Berufskrankheit.“ Daraufhin drückte er ihr ein Schnapsglas in die Hand und stieß mit ihr an. „Auf die Freaks dieser Welt!“, rief er dabei. Alle am Tisch stimmten ein, hoben ihre Gläser und leerten sie mit einem Zug.

Irgendwie fühlte sich Andrew in der Runde dieser jungen Menschen wohl. Keiner hier war zwar über Fünfundzwanzig aber sie vertrugen dennoch eine Menge Alkohol. Es erinnerte ihn an seine Jugend, an die ersten Exzesse und Abstürze. Nur dass er noch wesentlich jünger als diese Leute hier gewesen war. Er hatte schon eine Menge in seinem Leben durchgemacht und all das hatte ihn zu dem werden lassen, was er jetzt war.

Plötzlich riss Mallory ihn aus seinen Gedanken, indem sie ihn anstupste und flötete: „Jetzt hätte ich Lust auf eine deiner Zigaretten.“ Schlagfertig konterte er: „Was kriege ich dafür?“ „Einen Kuss!“, bot sie spontan und leicht lallend an. Das konnte er sich natürlich nicht entgehen lassen, holte sein Etui hervor und hielt es ihr geöffnet entgegen. Mallory nahm sich eine Zigarette heraus, er packte das Etui wieder weg und sagte: „Dein Ernst?“ Daraufhin näherte sie sich ihm an und als ihre Lippen ganz dicht vor seinen waren, konnte er nicht länger widerstehen. Nach einem zaghaften ersten Berühren, entfachte sich unvermittelt eine Leidenschaft, die er nur schwer zu kontrollieren vermochte. Seine Finger vergruben sich in ihren Haaren während er seinen Mund auf ihren drückte und ihre Zungen miteinander spielten. Die umsitzenden Jugendlichen feuerten sie an. Berauscht ließ er aber auf einmal von ihr ab, bevor er sich völlig vergaß. Ihr Lippenstift verschmierte sein Gesicht, doch das war ihm egal. Ein anerkennender Jubel ging durch die Runde. Scheinbar hatten sie alle schon viel zu viel getrunken.

Mallory wirkte jetzt irgendwie aufgebracht und Andrew ergriff die Chance. Nachdem er eine weitere Runde Schnaps springen gelassen hatte, fragte er sie vorsichtig: „Was denkst du, wollen wir zwei die Party zu mir nach Hause verlegen?“ Etwas unsicher sah sie ihn an, woraufhin er ihr ins Ohr flüsterte: „Ich verspreche dir, dass du diese Nacht niemals vergessen wirst. Egal was du dir wünschst, ich werde es für dich tun, wirklich alles.“ Mallory schluckte. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass sie diesem Kerl schon zu viel von sich verraten hatte. Doch Andrew ließ nicht locker. Sein Jagdtrieb war nun so weit entfacht, dass er ein einfaches Nein nicht mehr akzeptieren würde. Er näherte sich zu einem weiteren Kuss, währenddessen wanderte seine Hand über ihren Oberschenkel, was sie beinahe verrückt machte. Als er sich aber zu weit in die Gefahrenzone wagte, packte sie sein Handgelenk und schob sie weg. Andrew grinste kurz, küsste sie dann aber weiter.

Dieser Kerl übte eine Anziehungskraft auf sie aus, der sie sich kaum noch erwehren konnte. Er war unheimlich und gleichzeitig charmant. Ihr Bauchgefühl drängte sie mitzugehen während ihr Kopf die ganze Zeit dagegen schrie. Hatte er ihr vielleicht etwas ins Getränk getan? Mit einem Mal kam ihr ein Vergleich in den Sinn, der sie nur schwer wieder los ließ. Er entsprach perfekt einer Romanfigur, dem undurchsichtigen und geheimnisvollen aber dennoch höflichen und freundlich wirkenden Serienkiller.

Sie versuchte den Gedanken als Hirngespinst abzutun, trank noch einen Schnaps und ging ein großes Risiko ein als sie seinem Plan trotz ihrer Zweifel zustimmte. Die Neugier war einfach zu groß. 

23

 

Nervös verabschiedete sie sich von ihrer Freundin für eine Zigarettenpause. Sie ließ sie lieber im Unklaren über ihren Plan sich mit Andrew aus dem Staub zu machen, da sie es ihr sonst wohl ausgeredet hätte.

Auf dem Weg nach Draußen rief er schon seinen Chauffeur an und bereits wenige Minuten später saßen sie in der Limousine auf dem Weg zum Devil’s Mansion.

Er hatte nicht zu viel versprochen, denn bereits im Wagen konnte Andrew seine Finger kaum von ihr lassen. Seine Küsse waren überall, ihrem Mund, ihrer Wange, glitten an ihrem Hals entlang. Seine Hand bahnte sich ihren Weg unter den Bund ihres Rockes bis zwischen ihre Schenkel. Mallory hielt ihn dieses Mal nicht zurück und stöhnte auf als er sie intensiv berührte. Er massierte sie, liebkoste sie und brachte sie zum brennen. Von seinen erfahrenen Berührungen gelähmt gab sich Mallory vollständig hin.

Zwei seiner Finger glitten nun behutsam in sie und er setzte die äußerst erregende Intimmassage beharrlich fort während er sie immer mehr bedrängte bis es für sie beinahe unerträglich wurde. Mallory krallte sich an ihm fest, alles um sie herum drehte sich.

Der Wagen hielt an, jemand öffnete die Tür. Andrew schrie seinen Chauffeur gleich rigoros an: „Mach zu!“ Sofort kam dieser der Aufforderung nach und wartete vor dem Auto. Es war nicht zum ersten Mal.

Mallory hatte das gar nicht bemerkt, ohne zu unterbrechen hatte Andrew sie weiterhin massiert und als er ihr jetzt noch sanft und doch schmerzhaft in den Hals biss, kam sie zur Ekstase. Ein tiefes, befriedigendes Stöhnen drang aus ihrer Kehle. Er konnte spüren wie sich alles in ihr zusammenzog und erregt pulsierte. Ihre Fingernägel durchbohrten seinen Rücken und er schmeckte ihr süßes Blut.

Plötzlich nahm er aber seine Hand zurück, ließ ihr keine Zeit zur Erholung, stieß die Autotür auf und zog sie mit sich aus dem Wagen.

Ihre Knie waren noch völlig weich als sie hinter ihm her in Richtung Hauseingang stolperte. Vor der Treppe legte er dann einen Arm um sie und schob sie mit sich die Stufen empor. Fasziniert wanderte ihr Blick über die bedrohlich und zugleich künstlerisch wirkende Fassade der stattlichen Villa. Einmal hatte sie sich als Jugendliche auf das Gelände geschlichen. Damals war Devil’s Mansion gerade unbewohnt gewesen und die Mord- Selbstmord- Geschichte noch ganz frisch. Ein kalter Schauer lief über ihren Rücken. Dann öffnete er die Tür und bat sie einzutreten.

Mallory ging voran, bestaunte beeindruckt die großzügige Empfangshalle mit der breiten Marmortreppe, die zur oberen Etage führte und die kunstvollen Verzierungen. Genau so hatte sie sich das vorgestellt. Andrew war ein paar Schritte zurück geblieben, entledigte sich während ihrer Ablenkung all seiner Kleider und trat schließlich wieder an sie heran. Er strich ihr Haar zurück und küsste sie auf die Schulter. Sein warmer Atem ließ sie ein wenig erzittern und als sie sich umdrehte, glitt ihr Blick überrascht über seinen nackten Körper.

Er lächelte sie an, nahm sie in den Arm und öffnete den Reißverschluss am Rücken ihres Korsetts. Es fiel zu Boden. Seine Fingernägel kratzten vorsichtig über ihre zarte Haut, dann streifte er den Rock von ihrer Hüfte bis der auch leise raschelnd zu Boden fiel. Mallory trug nun nur noch ihre Schuhe.

Andrew dirigierte sie daraufhin langsam in Richtung Treppe und die ersten Stufen empor, ohne einmal seinen Blick von ihrem zu lassen. Plötzlich wirbelte er sie aber herum und zwang sie unvermittelt auf die Knie. Mallory wusste fast nicht wie ihr geschah als er sie inbrünstig und fast schon brutal direkt auf der Treppe nahm. Sie konnte ihm nicht entkommen und versuchte sich nur so weit zu widersetzen, dass er sie nicht ernsthaft verletzte. Es hatte seine ganz eigene Dynamik und brachte sie trotz der Anstrengung und blauen Flecken, die sie auf jeden Fall davon tragen würde, erneut zum beben. Ekstatisch stieß er immer wieder hart in sie und forderte: „Sag wenn du kommst.“ Sie brachte jedoch kein Wort hervor. Nur ihr angestrengtes Seufzen und das erneute heftige Pulsieren verrieten ihren Höhepunkt, welcher auch bei Andrew sogleich einen Endorphinausbruch verursachte. Ein unterdrücktes Stöhnen entwich seinen zusammengebissenen Zähnen. Berauscht und benebelt hielt er dann inne, genoss einige Sekunden lang den Augenblick und die erotische Hitze ihres Körpers.

Dann endlich befreite er sie von sich und half ihr zurück auf die Beine. Mallory war völlig erschöpft und er wollte ihr eine kurze Pause gönnen. Also führte er sie in die Küche, wo sie sich eine Erfrischung genehmigten. Nach einem großen Schluck Wasser öffnete er eine gekühlte Flasche Champagner, sah sie durchdringend an und fragte: „Bereit für die nächste Runde?“ Mallory schüttelte leicht den Kopf, doch er lächelte nur, nahm ihre Hand und zog sie mit sich mit, denn er hatte etwas ganz Besonderes mit ihr vor.

Auf dem Weg zu einer kleinen Tür, versteckt neben der Treppe, trank sie so viel von dem Champagner wie möglich. Sie befürchtete, dass sie seine weiteren Übergriffe nur mit einem gewissen Alkoholpegel ertragen können würde. Anscheinend hatte er noch lange nicht genug.

Sie traten durch die Tür in einen schmalen Korridor und dann durch eine weitere in einen kahlen Raum hinter der Treppe. Der Boden war vollständig mit weißen Tüchern bedeckt. Sofern sie das im Halbdunkel erkennen konnte, hingen Ketten mittig im Raum von der Decke. Etwas in ihr sträubte sich dagegen weiter zu gehen. Schlagartig kam die Serienkillerphantasie wieder in ihr hoch und nervös machte sie einen Schritt zurück. Andrew versuchte sie zu beruhigen, indem er auf sie einflüsterte: „Keine Angst, ich pass auf dich auf. Ich geh nur so weit, wie du es ertragen kannst. Lass es einfach geschehen.“ Ihr Herz schlug bis zum Hals als er ihre Handgelenke in Ketten legte.

Er flößte ihr einen weiteren großzügigen Schluck Champagner ein, dann betätigte er einen Schalter und über einen Flaschenzug wurden die Ketten über ihr gestrafft bis Mallory gerade noch mit den Fußzehen den Boden berührte. Ein Hauch von Panik stieg in ihr auf. Andrew schlich um sie herum und redete leise: „Du hast mir vorhin eine deiner Phantasien verraten und der Gedanke lässt mich einfach nicht mehr los.“ Mit den Fingern strich er über ihren Busen, ihren Bauch, ihren Rücken, Po und ihre Schenkel. Sie zitterte. „Bist du bereit dazu?“, fragte er flüsternd. Sie würgte ein ängstliches „Nein“ hervor. Er blieb vor ihr stehen und sagte: „Ich weiß, dass du es tief im Innern willst. Ich werde dir weh tun und du wirst es genießen.“ Das überzeugte Funkeln in seinen Augen ließ sie erstarren und gleichzeitig einen Adrenalinschwall in ihr Blut ausschütten.

Andrew schloss die Tür und betätigte einen Schalter an der Wand. Ringsum gingen plötzlich Scheinwerfer an, die alle auf sie in der Mitte ausgerichtet waren. Mallory wollte sich umsehen, war jedoch durch ihre Fesseln stark eingeschränkt. Sie versuchte sich zu drehen um Andrews Bewegungen zu verfolgen. Er ging inzwischen zu einem Regal und griff nach der dort liegenden Kopfkamera. Nach einem kurzen Funktionscheck legte er sie an. Ab jetzt würde sie alles aufzeichnen, was er mit Mallory anstellte.

Die junge Frau sah ihn verängstigt an und dabei zu wie er eine Peitsche von der Wandhalterung nahm. Sie flehte: „Bitte nicht, das geht zu weit. Ich habe vorhin nur rumgesponnen um dich zu beeindrucken. Es tut mir leid.“ Er reagierte nicht darauf, kam stattdessen auf sie zu und strich ihr Haar so weit nach vorn, dass ihr Rücken vollkommen entblößt war. Eine Träne rollte über ihre Wange. Sie wollte wieder etwas sagen, doch er legte nur einen Finger auf ihre Lippen und machte leise „Scht.“

In Mallorys Kehle bildete sich ein dicker Kloß und als er hinter ihr verschwand kniff sie nur noch die Augen zusammen in Erwartung dessen, was nun kommen würde. Andrew ging ein paar Schritte weit von ihr weg, entrollte die Peitsche, holte aus und ließ den straffen Lederriemen mit einem Schwung über ihren so makellosen Rücken schnalzen. Sie schrie getroffen auf und sofort zeichnete sich ein tiefroter Striemen auf ihrer weißen Haut ab. Einige weitere Male unterzog er sie danach noch dieser Tortour, bis sie fast nicht mehr schreien konnte und ein groteskes Gemälde aus dunklen Streifen ihre gesamte Rückseite bedeckte.

Benommen hing Mallory in ihren Fesseln. Ihr Rücken war taub vor Schmerz. Andrew ließ die Peitsche einfach zu Boden fallen und nahm ein anderes Folterinstrument zur Hand, welches er schon lange einmal ausprobieren wollte. Vor ihr stehend, hob er ihren hängenden Kopf ein wenig an. Ihr Make-up war völlig verlaufen und ihre Augen tränengetränkt. Doch sie war bei Bewusstsein und sah ihn verschwommen und flehend an.

Entschlossen entwirrte er daraufhin die Schnüre seines nächsten Experiments. Metallklemmen waren an den Enden der Kabel angebracht. Zwei davon kniff er nun in ihre Brustwarzen, was alleine schon recht schmerzhaft erschien. Für die dritte suchte er sich jedoch eine noch viel empfindlichere Stelle heraus. Mallory stöhnte gepeinigt auf als er die Klemme fixierte. Sie ahnte noch nicht, welche Qualen sie gleich erwarten würden.

Dann ließ Andrew zwei weitere Ketten von der Decke herab und fesselte diese um ihre Fußgelenke. Als sie mit einem Ruck aus den Angeln gehoben wurde, kreischte sie kurz überrascht auf. Mit den Flaschenzügen brachte er sie in die richtige Position, drängte sich anschließend zwischen ihre Beine und unsanft auch in sie.

In der Hand hielt er eine kleine Fernsteuerung. Alle Kabel waren mit einer Batterie verbunden und ohne Vorwarnung drückte er zum ersten Mal den Knopf.

Ein Stromschlag durchzucke ihren Körper und ließ sie völlig verkrampfen. Auch Andrew bekam eine heftige Dosis ab. Von der Wucht überrascht, pfiff er bewundernd und drückte ein zweites Mal.

Jetzt konnte sie auf einmal wieder schreien, was ihn sogleich ganz irre machte. Immer wieder jagte er Stromstöße durch ihre Körper. Sein wehrloses Opfer wand sich in den Fesseln. Ihre verzerrten Bewegungen steigerten nur sein Verlangen. Wild verging er sich an ihr, drückte dabei immer wieder den Knopf bis er sich in einem endlosen Rausch in ihr entlud. Sekunden lang hielt er dabei den Stromkreis geschlossen, spürte überwältigt den andauernden Schmerz und jede Faser seiner aufgeladenen Muskeln bis er die Fernbedienung nicht mehr in seinen verkrampften Fingern halten konnte.

Die Tortur fand ein jähes Ende. Verzehrt, verwirrt und mit einem merkwürdig befriedigten Gefühl taumelte Andrew schließlich ein paar Schritte zurück und ließ Mallory in ihren Fesseln auf den Boden herab. Sie rührte sich nicht. Völlig fertig nahm er die Kamera ab und schaltete sie aus. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten und sank letztlich zitternd neben der reglosen Frau auf die Knie. Sie wirkte beinahe ätherisch, leblos und still. Sanft tätschelte er deshalb ihr Gesicht. Keine Reaktion. Benommen hielt er daraufhin seine Wange über ihren Mund, konnte aber keinen Hauch wahrnehmen. Mit den Fingern suchte er ihren Hals nach einem Puls ab, legte schließlich sein Ohr auf ihre Brust und lauschte. Nichts.

Ein wenig panisch schüttelte er sogleich seine restlich verbliebene Verwirrung ab und begann umgehend mit Wiederbelebungsmaßnahmen. So weit hatte er es nicht treiben wollen. Der letzte beinah endlose Stromstoß hatte ihr wohl den Rest gegeben.

Abwechselnd bearbeitete er sie mit Herzdruckmassagen und Mund zu Mund Beatmung bis sie plötzlich tief einatmete und sich hustend am Boden wand. Erleichtert löste er daraufhin schnell ihre Fesseln und nahm sie in den Arm. Um ein Haar hätte er sie umgebracht.

 

Mallory war vollkommen am Ende. Sie war weder in der Lage die Augen zu öffnen noch aufzustehen. Also umklammerte er sie und trug sie mit letzten Kräften aus dem Raum, die Treppe empor und bis in sein Schlafzimmer, wo er sie vorsichtig auf das Laken bettete, sich wärmend an sie schmiegte und die Decke über ihre nackten, geschundenen Leiber zog. Noch einmal kontrollierte er ihren Puls und ihre Atmung bevor er kurz darauf beruhigt und erschöpft neben ihr einschlief.

Fortsetzung Folgt!