Elemente

Eine kurze Bemerkung vorweg:

Die folgende Geschichte ist kein Traum sondern basiert auf einem tatsächlichen Erlebnis während einer Meditation.

Konzentriert verfolge ich mit geschlossenen Augen den Fluss der Luftmoleküle von meiner Nasenspitze bis in meine Lungenbläschen und wieder hinaus.

Ich spüre wie sich meine Atmung allmählich verlangsamt, mein Herzschlag zu einem melodisch gleichmäßigen und entspannten Pochen wird und ich zunehmend die Haftung an meinen Körper verliere.

Als sich das Gefühl ungebundener Leichtigkeit in einem entfernten Kribbeln meiner Gliedmaßen manifestiert, weiß ich, dass ich bereit bin einzutauchen.

Ich stelle mir vor eine Feder zu sein, die luftig vom Wind getragen werden kann. Es kristallisiert sich das Bild einer sanften Sommerwiese, die in einem leichten Dunst aus Nebel und Morgentau schläft.

Meinen Körper kann ich nun fast gar nicht mehr spüren.

Ein Lufthauch erfasst mich unvermittelt und trägt mich einige Meter empor. So leicht bin ich und steige langsam im Wind immer höher. Unter mir breitet sich die Welt aus, Wiesen, Felder, vereinzelt stehende Häuser mit roten Dächern, bunten Gärten und dunklen Scheunen. Alles flimmert im Licht einer aufgehenden, gelben Sonne. Es verheißt ein schöner Sommertag zu werden. Mit einem friedlich gelösten Gefühl lasse ich mich einfach davon tragen.

Allmählich wird der Nebel, der jedoch keiner ist, dann dichter. Ich bewege mich durch ein feines aber undurchsichtiges Gespinst, und mir wird klar, wie hoch ich mittlerweile gestiegen bin. Bald schon kann ich den Boden nicht mehr erspähen.

Als ich den Rand erreiche und sich unter mir auf einmal diese dichte, weiße, weiche Wolkendecke erstreckt, durchströmt meinen Geist schlagartig ein Gefühl unendlicher Freiheit.

Ich sehe mich um und erkenne den abgerundeten Horizont des Erdballs, umgeben vom Schimmer einer blauen Perle. Die Atmosphäre wird immer dünner, das Azurblau des Himmels intensiver und dunkler.

Ich steige weiter.

Eine ungeheure Kraft zieht mich von der Erde weg, nimmt mich in ihren Bann und ich wende nun meinen Blick den Sternen zu. Die Schwärze des Alls, mit kleinen Leuchtfeuern flackernder, weit entfernter Sonnen durchsetzt, tut sich majestätisch vor mir auf.

Ehrfurcht.

Gebannt starre ich in die Tiefen des Universums. Zunächst merke ich nicht, wie weit ich mich schon von meinem Heimatplaneten entfernt habe und wohin mich meine Reise führt. Doch dann sehe ich kurz in die Richtung, aus der ich kam, und die Erde erscheint plötzlich so fern.

Immer schneller bewege ich mich jetzt von ihr weg, in einem weiten Bogen und schließlich direkt auf die Sonne zu.

Ich kann schon die Hitze der Strahlung spüren als ich mich mit rasantem Tempo dem Feuerball nähere. Ein Hauch von Panik steigt in mir auf. Ich will die Meditation beenden, doch das geht nicht an dieser Stelle, zu tief bin ich versunken.

Mein Herz pumpt wild, ich kann es fühlen obwohl mein Körper so weit entfernt scheint.

Das Brennen wird immer stärker, je näher ich der Sonne komme, und meine Geschwindigkeit nimmt stetig zu. Panisch suche ich nach einem Ausweg bevor ich in der Hitze zu verglühen drohe und besinne mich plötzlich. Eine innere Stimme mahnt mich zur Ruhe.

Ich atme tief ein, mein Rasen in Richtung des sengenden Zentrums dieses Systems verlangsamt sich und kommt schließlich zum Stillstand.

Ich bewundere die Schönheit dieses Moments, die Weiten des Alls um mich herum, die gewaltige Kraft und Energie, die mich auf einmal durchdringt.

Und dann, als würde ich an einem straff gedehnten Gummiband hängen, schießt es mich auf einmal zurück in Richtung Erde.

Mit unglaublicher Schnelligkeit rase ich auf sie zu. Rasch wird der Planet immer größer bis ich schließlich hart in seine Atmosphäre pralle.

Um mich herum tobt gefühlte Minuten lang ein wütender Sturm aus gelbrotem Feuer und Dampf als ich die Wolkendecke durchstoße. Der Lärm ist beinahe unerträglich, reißt aber unvermittelt ab als ich diese Schicht verlasse.

Im freien Fall stürze ich nun erlöst dem Boden entgegen. Die Landschaft hat sich verändert. Unter mir erstreckt sich ein tiefblauer, im Licht glänzender See, umsäumt mit sattgrünen Wäldern. Ich genieße den Anblick bevor ich ungebremst auf der spiegelnden Wasserfläche aufschlage. Eine Fontäne spritzt meterhoch und bricht über mir wieder zusammen. Plötzlich ist alles ganz still.

Die erfrischende Kühle des blaugrün schimmernden Wassers lindert die Hitze, die mich während meines gesamten Sturzes umgeben hat. Ich lasse mich treiben, sinke entspannt bis auf den Grund. Ein paar neugierige Fische kreuzen meinen Weg als ich mich gemächlich unter Wasser auf das Ufer zu bewege.

Pitschnass klettere ich dann aus dem See und gehe ein paar Schritte weiter. Zwischen hochgewachsenen Bäumen, leise im Wind raschelndem Laub, Vogelzwitschern und durch die Blätter spielendem Sonnenlicht lasse ich mich erschöpft nieder.

Der Boden ist weich, mit Moos und trockenem Laub bedeckt. Es ist angenehm warm, riecht nach Wald und frischer Erde. Ich lege mich ausgestreckt hin und spüre: Ich bin daheim.