mörderisches Verlangen in fünf Akten

1. Akt

 

Seit Wochen schon verzehre ich mich nach dir.

Zum ersten Mal warst du mir bei einer Messe aufgefallen, obwohl ich dich doch schon oft zuvor gesehen habe.

Du trugst ein weißes Kleid, das dich so reizvoll, sanft umspielte.

Dein goldglänzendes Haar lockte sich weich auf deine Schultern hinab.

Und nun stehe ich hier zum wiederholten Male am Zaune deines Gartens, verwickelt in eine nette Plauderei mit deinem Vater.

Doch mein Blick haftet an dir, klebt förmlich an deiner zarten Haut, die im Sonnenlicht schimmert. Es fällt mir schwer dem Gespräch zu folgen, wenn sich all meine Sinne nach dir ausstrecken, deinem süßen, jugendlichen Körper entgegen streben.

Und er wacht mit Argusaugen über dich, so auch deine Mutter.

Nie lassen sie dich allein hinaus. Immer bist du umringt von Freunden und Familie, die sich an deinem anbetungswürdigen Wesen ergötzen dürfen.

Nur ich darf es nicht!

Doch die Zeit wird kommen, wenn du den Spielplatz einst verlässt und die Schaukel, die dich momentan noch schwungvoll durch die Lüfte trägt, verwaist vom Wind bewegt wird, der gerade prickelnd unter dein hübsches Röckchen weht und deine anmutigen Schenkel enthüllt.

Dein frisches Lachen reißt mich jäh aus diesem Traum, gerade rechtzeitig, um mich höflich zu verabschieden.

Sie haben keinen Verdacht geschöpft, keiner ahnt, wonach mein Herz sich sehnt und irgendwann werde ich seinen Hunger stillen.

Schon Bald.                                                               

2. Akt

 

Die Geborgenheit der Höhle hast du nun unbedacht verlassen.

In kindlicher Naivität schlichst du dich davon, auf der Suche nach einem Abenteuer, wie so manchen Tag zuvor, an welchem deine Behüter nicht zugegen waren. Ja, ich weiß es ganz genau und deinen Ungehorsam wohl zu schätzen.

Sie ließen dich allein und der Duft der Freiheit lockte dich hinaus in die Welt und geradewegs in meine Arme.

Du ahnst es nur noch nicht.

Ich will dich fühlen, schmecken und berühren, dein innerstes Wesen erkunden. Und dich dann zerstören, um dich in all deiner Pracht neu aufzubauen.

Bei dem Gedanken sträuben sich mir die Nackenhaare und ein eiskaltes Zittern läuft mein Rückgrat hinunter, ein wohliges Frösteln voller Erwartungen und Neugier.

Ich stelle dir nach, wie ein Bluthund wittere ich deinen süßen Geruch und hänge mich an deine Fersen, mit der Gewissheit, dass du nicht damit rechnest mir heute zu begegnen.

Denn heute ist der Tag endlich gekommen, an dem auch ich ein Teil von dir werde, oder eher du ein Teil von mir.

3. Akt


Ich spüre noch das Adrenalin durch meine Adern pumpen.

Die zitternden Hände konnte ich nur schwerlich von dir lösen, doch es musste sein. So bleibt mein Geheimnis wohl gewahrt und nur deine toten Augen wissen mehr.

Noch immer schmecke ich dein Blut, das Süßeste, das ich je kosten durfte.

Deine Jugend wurde mir zuteil und ich genoss den Moment vollkommener Befriedigung. Wie du dich mir hingabst und in meinem Feuer verbranntest.

Aber es ist noch nicht vorbei.

Der Gedanke an deinen schönen, kalten Leib nagt an meinem Innern und lässt mich erschauern.

Und wie es das Schicksal will, wirst du bald gänzlich mir gehören, wenn sie dich zu mir bringen, um dich zur letzten Ruh zu betten.

4. Akt

 

Erfüllt mit Schmerz und Euphorie betrachte ich das Meisterwerk, das dein Blut mir schenkte.

Die Vollendung deiner Seele findet sich in dieser Kunst.

Meine Augen brennen und doch kann ich den Blick nicht wenden.

Du bist so wunderschön, von mir in deine reinste Form gebracht.

Meine Hände haben dies erschaffen und niemand anderes ist dieses erhabenen Gefühles würdig.

Ich könnte stundenlang dich so betrachten und nur langsam wächst der Wunsch in mir, rankt sich um mein Herz und schlägt die ersten zarten Keime, diesem Bild einen weiteren Pinselstrich hinzuzufügen.

Erst jetzt erkenne ich das volle Ausmaß meiner Genialität.

Wie Schuppen fällt es nun von meinen Augen.

Du warst nur das erste Teil, das Kernstück, die Schlüsselfigur eines viel, viel größeren Gebildes.

5. Akt

 

So geht es nun seit Jahren. Ich bin der Vollkommenheit immer näher gekommen, habe sie aber bisher nicht erreicht.

Stets fehlen einzelne Teile des Puzzles obwohl ich doch schon so viele zusammen habe.

Mein Körper schwindet dahin während ich sie mühsam sammle und dem Konstrukt hinzufüge, das dem Bild in meinem Kopf immer ähnlicher wird.

Ein Detail nach dem anderen entsteht aus ihren Leibern. Sie formen die Kathedrale meiner Mortalität, doch die Zeit läuft mir davon.

Nur noch einzelne Stücken fehlen und ich bin fast zu schwach das Opus zu vollenden.

Das Schicksal des Genies ist es nach Perfektion zu streben und ich befürchte diese nie zu finden.

Das Dilemma meiner sterblichen Reste, die den Gott in mir nur noch dürftig zu verbergen mögen.

Wenn einst mein Meisterwerk enthüllt wird, dann soll es komplett und wunderschön sein.

Ihnen soll der Atem stocken wenn sie die Arbeit meines menschlichen Lebens sehen und meine wahre Identität erkennen, wenn ich vollkommen in diesem Bild aufgehe.

Aber meine Kräfte lassen nach, während der Drang zur Perfektion mich immer weiter treibt und mir keine Ruhe gibt bis ich sie erreiche.

Selbst wenn es meinen Tod bedeutet.