Die Sphäre

Ein Traumerlebnis.

Sie hielten uns gefangen, mehr die anderen als mich. Ich hatte das Privileg eine Verstehende zu sein. Als anerkannte Alchemistin war ich in der Lage das Universum zu entschlüsseln. Das nutzten sie gern zu ihrem Vorteil.

Als die hölzernen Schlachtschiffe von unsichtbaren Kräften getrieben über die Sandfluten der Wüste auf uns zu segelten, war es eigentlich schon zu spät. Der Ruf der Macht ihrer neuartigen Waffe eilte ihren Ödlandkreuzern meilenweit voraus.

Ihre begabtesten Meister, Wissenschaftler und Schwarzkünstler hatten sich zusammengetan um diese unglaubliche Monstrosität aus Licht und Energie zu schaffen.

Sicher in einer bleiernen Kiste verwahrt, transportierte das gewaltige Schiff aus blank polierten Balken, von einem undurchdringlichen Schild geschützt, die kostbare Ausrüstung.

Respektbeseelt und beinahe feierlich entluden sie die unheilvolle Fracht vor der großen Halle, in welcher man die Oberhäupter meines Volkes zusammengetrieben hatte.

Ehrfurchtsvolle Stille legte sich wie ein schweres Tuch über die aufgebrachte Menge im Parkett des Festsaals.

Von meiner Empore aus, unter Beobachtung von bis unter die Zähne bewaffneten Wachen, verfolgte ich wie die Bleitruhe langsam in die Mitte der Arena glitt.

Man hätte mindestens 20 starke Lebende gebraucht um sie zu bewegen, doch auf dem schwebenden Lastenwagen wirkte sie wie eine Feder.

Zwischen den staunenden, angespannten Eliten meines Landes kam die Waffe zum halten. Ein Klicklaut ertönte, nahe Stehende wichen zurück. Dann öffnete sich der Bleisarg wie von Geisterhand bewegt.

Vom strahlenden Licht der verhängnisvoll, blauglühenden Sphäre geblendet, versuchten die Lebenden noch weiter zu weichen.

Als die Waffe nun völlig frei lag, ging ein bewunderndes und dennoch furchtsames Raunen durch die Menge.

Zwei Belagerer griffen sich willkürlich einen umstehenden, sich bitter Wehrenden und schoben ihn näher zu der unheimlichen Sphäre. Man konnte ihr brennendes Licht beinahe Summen hören und ich dennoch meinen Blick nicht von ihr wenden.

Sie zwangen den unfreiwillig Auserwählten zur Berührung der geheimnisvollen Waffe.

In einer gleißenden Entladung zerfiel der Geopferte schlagartig zu Staub. Er verpuffte regelrecht und nach dem ersten Schock begann sich Panik auf dem Parkett breit zu machen.

Mit fassungslosem Entsetzen starrte ich in die Manege des Grauens. Meine Bewacher hielten mich an Ort und Stelle, auch wenn ich nicht in der Lage war mich nur einen Millimeter zu bewegen.

Wie Motten verglühten die Lebenden im funkelnden Licht der Sphäre.

Mein Blick war weiter starr auf das fesselnde Blau gerichtet als plötzlich etwas Merkwürdiges geschah.

Sie schien mit mir zu sprechen.

Durch mein Hirn schoss es wie Blitze, eine Offenbarung, Epiphanie. Die Sphäre versuchte wahrhaftig zu kommunizieren und verstrahlte meinen Geist mit dem Wahnsinn der Erkenntnis.

Kalter Schweiß stand auf meiner Stirn, meine Knie wurden weich und schließlich Schwärze.

Die Wachen bremsten meinen Fall und brachten mich zurück ins Bewusstsein.

Doch der Schrecken der Erleuchtung saß viel tiefer als die Furcht davor weitere Lebende sterben zu sehen.

Man führte mich in mein Labor. Doch war ich nicht fähig zur Arbeit. Nachdem ich jetzt wusste, wozu diese Waffe im Stande war, manifestierte sich der Wunsch die Führer dieser invadierenden Spezies zu sprechen. Ich flehte regelrecht um Audienz, tagelang, und endlich schenkte man mir Gehör.

Zitternd vor den Befehlshaber des obersten Schlachtschiffs tretend, jagten mir die Gesichter tausender Völker durch den Kopf. Sie waren bereits vernichtet, gerade der Vernichtung ausgesetzt oder würden zukünftig vernichtet werden, sollte die Sphäre länger in den Händen dieser kriegerischen Rasse bleiben.

Das Leben, die Individualität des gesamten Universums stand auf dem Spiel und ich hatte die Kraft es zu beenden. Ihre Wissenschaftler wussten ja nicht, was sie da wirklich geschaffen hatten. Es war unglaublich.

Meine Nervosität mühsam kontrollierend, offenbarte ich mein geballtes Wissen, nur nicht alles davon. Ich gab zu in das Innerste der Sphäre geschaut zu haben, das ureigene Potenzial zu erkennen und dass ich in der Lage war, die wahre Macht ihrer Waffe zu entfesseln.

Tatsächlich hatten sie keine Ahnung. Ihre offenstehenden Münder bestätigten meine Vermutung und von ihrem Ego geblendet, ließen sie sich leicht überzeugen den finalen Schritt zu wagen.

Verleitet vom strahlenden Glanz unbegrenzter Einflussnahme waren sie plötzlich wie versessen auf die Entfaltung der vollen Schöpfungskraft ihrer neuen und doch so unberechenbaren Erfindung.

Schwer atmend stand ich dann vor der bleiernen Kiste. Mein Blick hatte sich zu einem Tunnel geschrumpft und haftete auf dem mattsilbernen Verschluss.

Ein Klicken ertönte. Ich erschauerte für den Bruchteil einer Sekunde.

Langsam fuhren die Seitenwände des Sarkophags auseinander und präsentierten lichtüberströmt den katastrophalen Inhalt. Meine verengten Pupillen erfassten das Gleißen der Strahlung und doch wich ich nicht zurück. Ich hörte mein Herz schlagen, sonst nichts außer ein tosendes, betäubendes Rauschen überall um mich herum.

Und voller Entschlossenheit legte ich nun meine Hand auf die kühle, glatte, beinahe gläsern wirkende Oberfläche der Sphäre.

 

Dunkelheit, tiefschwarze Stille.